Pinneberg. Zwölf Jahre prägten die „schwebenden Noten“ von Gisela Meyer-Hahn den Rosengarten. Jetzt zog die bekannte Lichtartistin die Reißleine.
Ist das weg – oder war das Kunst? Beides, mögen sich aufmerksame Spaziergänger in Pinneberg gerade denken. Denn lange Zeit erfreute eine ungewöhnliche Installation die Besucher des Rosengartens, winters wie sommers. Es war eine Kombination aus Musik, Werkstoffen und Farben, die sich an Notenlinien aus Stahl quer über einen Weg zog. Doch jetzt ist das Kunstwerk verschwunden.
Es ist ein Streit um Kunst, Geld und Respekt. Das Werk stammt aus den Händen und dem Kopf von Gisela Meyer-Hahn. Sie ist in Hessen geboren und aufgewachsen, hat in Wiesbaden und Salzburg studiert, baute im Rheinland ihr Atelier „farbton“ auf, mit dem sie 1988 nach Pinneberg zog.
Mit Lichtkunst schließt Gisela Meyer-Hahn eine Lücke zur Wissenschaft
Vor allem ihre großen Werke, die sie gern an öffentlichen Plätzen ausstellte, und ihr Schwerpunkt Lichtkunst wie beispielsweise auf Helgoland ziehen Menschen in ihren Bann. Die „Tänzerin im Wind“, ein sechs Meter langes und drei Meter hohes Textilobjekt in den Spektralfarben, das auf dem Wasser den Wellen und dem Wind ausgesetzt war, verschaffte ihr ebenfalls große Aufmerksamkeit. 2001 kreierte sie das Werk und zeigte es in Finnland, auf der Kieler Woche, in Travemünde und auch in ihrer Heimatregion Kreis Pinneberg.
Doch schon mit der „Tänzerin im Wind“ musste Gisela Meyer-Hahn feststellen, dass das biblische Wort über den „Propheten, der im eigenen Land nichts gilt“ auch die Pinnebergerin traf. In Uetersen gehegt, wurde sie in Barmstedt ziemlich allein gelassen. Und so wenig wertgeschätzt fühlt sie sich nun auch mit den „schwebenden Noten“ im Rosengarten in Pinneberg.
Künstlerin fühlt sich zu wenig vom Freundeskreis Rosengarten unterstützt
Jahrelang habe der Förderverein für den Rosengarten und ein Baumpflegebetrieb sie sehr gut unterstützt. „Es müssen regelmäßig die Halterungen kontrolliert, die Noten geputzt, und Beschädigtes ausgetauscht werden“, berichtet die Künstlerin. Doch seit Längerem erhalte sie dabei keine Unterstützung mehr.
Nun zog Gisela Meyer-Hahn unterstützt von Freunden die Reißleine. Es gebe keinen Vertrag, die Patenschaft mit dem Förderkreis werde nicht gelebt, der Versicherungsschutz sei ungeklärt und der Zahn der Zeit nage ebenfalls an der Konstruktion. Bevor einem Kind oder anderen Spaziergänger ein Teil der Konstruktion oder das gesamte mit Stahlseilen zwischen zwei Bäumen gespannte Werk um die Ohren fliege, habe sie es abgebaut. Gemeinsam mit zwei erfahrenen Bergsteigern, die über Leitern und Gurte die hoch hängende Konstruktion abmontierten, ging glücklicherweise alles gut.
Langjähriges Vorstandsmitglied bedauert Eskalation
Uwe Thomsen, der mit seinem Baumpflegebetrieb die Pflege des Kunstwerks „regelmäßig“, wie er sagt, ehrenamtlich unterstützt hat, bedauert die Entwicklung. Er habe sich auch als langjähriges Vorstandsmitglied des Freundeskreises Rosengarten Pinneberg immer wieder für die Wartung eingesetzt. Es sei ein sehr schönes und wirkungsvolles Kunstobjekt für den Park gewesen.
Pinnebergs Bürgermeister Thomas Voerste bedauert ebenfalls die Entscheidung der Künstlerin, die Notenlinie abzunehmen. Er sagt: „Wir waren als Verwaltung in den Prozess nicht eingebunden. Die Installation liegt ja bereits annähernd 15 Jahre zurück, und es scheint mir, als seien die Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten damals nicht hinreichend geklärt worden. So etwas wollen wir als Verwaltung in Zukunft auf jeden Fall vermeiden, denn grundsätzlich freuen wir uns über alles, was die Stadt ein Stückchen bunter macht. Wir werden uns nun um Aufklärung bemühen und mit den Beteiligten sprechen.“ Der Zwist scheint erst in jüngster Zeit eskaliert zu sein. 2019 hatte die Künstlerin ihre „schwebenden Noten“ noch komplett erneuert.
Gisela Meyer-Hahn: Gilt die Prophetin nichts im eigenen Land?
Die Künstlerin hat sich in der Vergangenheit immer wieder auch kritisch zu Wort gemeldet. Beispielsweise bemängelte sie, dass der Kulturpreis auch an nicht wirklich in der Region verwurzelte Künstler vergeben wurde. Mehrfach prangerte sie an, dass das Kreis-Kulturzentrum in der Drostei nicht behindertengerecht ausgestattet ist.
Besonders erboste sie auch, dass ihr 200 Kilogramm schweres Kunstwerk für das Regio-Klinikum Wedel erst von der Bildfläche verschwand und dann demoliert im Keller des Hauses wiederentdeckt wurde. Das großflächige Relief aus Seide mit dem Titel „Alles Lebendige entsteht aus dem Wässrigen“ hat seit 1993 die Philosophie des Wedeler Kreiskrankenhauses künstlerisch illustriert.
Internationale Anerkennung für die Lichtkunst aus Pinneberg
Überregional und sogar international hat sich Gisela Meyer-Hahn einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Als Referentin vermittelte sie ihr Wissen über den Zusammenhang von Licht und Kunst in Santiago de Chile und in Newcastle. Gerade freut sie sich, erneut den Zuschlag erhalten zu haben, im Rahmen der „Fürther Lichtkunst“ erneut den 66 Meter hohen Rathausturm zu illuminieren.
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Häufig werden ihre Werke nur ausgeliehen und nicht gekauft. Und was passiert nun mit den „schwebenden Noten“, die für das alte Walzerlied „Rose aus dem Holstenland“ formiert waren? Die Künstlerin hat sie sicher eingelagert und könnte sie jederzeit zu neuer Musik erwecken.