Pinneberg. Die Pinnebergerin Gisela Meyer-Hahn sorgt mit Projekten im In- und Ausland für Aufsehen, in ihrer Stadt fühlt sie sich ausgegrenzt.
Gisela Meyer-Hahn lebt in Pinneberg. Dafür hat sie sich entschieden, damals im Jahr 1988. Eine stets streitbare Künstlerin. Eine, die den Mund aufmacht. Etwa, wenn es darum geht, die Vergabe eines Kulturpreises an nicht wirklich in der Region verwurzelte Künstler zu kritisieren. Oder darum, anzuprangern, dass das Kreis-Kulturzentrum in der Drostei bis heute nicht behindertengerecht ausgestattet ist.
Meyer-Hahn hat sich mit ihren Skulpturen und Lichtinstallationen überregional einen Ruf erarbeitet – die gerade erst absolvierte Reise nach Chile zeugt davon. Städte wie Eckernförde, Bonn und Bremen lassen sich von ihr Innenstädte und Kirchen illuminieren. Anfragen aus Pinneberg? In jüngererer Vergangenheit Fehlanzeige. „Mein Weg in dieser Stadt ist ein Außenseiterweg“, sagt eine frustrierte Künstlein. „In Pinneberg muss man Bilder malen oder Geige spielen, um anerkannt zu werden.“
Nach Chile folgte die 64-Jährige kürzlich einer Einladung zu einem Kongress mit dem Thema „Color in urban life“. Geht es um Farbe im öffentlichen Raum, weiß die Wahl-Pinnebergerin, wovon sie spricht. 2010 hatte Meyer-Hahn die gesamte Kreisstadt ins rechte Licht gerückt. Eine Kunstaktion, die von vielen begleitet, von manch einem allerdings hinterher auch schlecht geredet worden war. In der Hauptstadt Santiago referierte sie Ende Oktober nun vor mehr als 1000 Teilnehmern aus 35 Ländern. Die Idee, Windräder zu illuminieren, hatte ihr den Status als Referentin beschert. „Aufregend“, sei das Gastspiel in Chile gewesen. Auch zu einem Kongress in Newcastle war die Licht- und Farbexpertin zuvor schon mal eingeladen worden.
Farbgestaltung an Pinnebergs Schulen ist eingeschlafen
Doch das Jahr 2016 gibt beredt Auskunft davon, dass Meyer-Hahn im eigenen Hause nicht viel gilt. Eine Farblichtinszenierung in Haselau – das war’s auch schon im Kreis Pinneberg. Eine vor Jahren angeschobene Kooperation mit der Kreisstadt, öffentliche Schulen mittels Farbgestaltung aufzuwerten, ist längst eingeschlafen. Im Pinneberger Rathaus gebe es offenkundig kein Interesse an einer Zusammenarbeit, so die Künstlerin. Eine einst in ihrer Regie in den Drosteiplatz eingelassene Leuchtplatte vergammele mittlerweile. „Ich würde gern mehr in der Region machen“, sagt sie. Meyer-Hahn wirkt ernüchtert, wenn nicht gar genervt. Wenn sie in Pinneberg über den Wochenmarkt gehe, bekomme sie nicht selten ein „Oh, sie gibt es noch?“ zu hören. Das schmerze.
Meyer-Hahn setzt Eckernförde ins Licht
Mit kritischem Blick verfolgt Gisela Meyer-Hahn Versuche, das angekratzte Image der Stadt Pinneberg aufzupolieren. Eine professionelle PR-Agentur hat für viel Geld einen Slogan entwickelt, eine ebenfalls von der Agentur angeschobene Fotokampagne, für die Bürgermeisterin Urte Steinberg gar als Punkerin posierte, floppte komplett. „Man scheint hier davon auszugehen, dass die Pinneberger selbst nichts können“, vermutet Meyer-Hahn, die ihre Kompetenzen gern eingebracht hätte, um den Ruf Pinnebergs zu verbessern. „Kreative sollten und können zum Motor der Region werden“, sagt die 64-Jährige, die nach einem Unfall und vielen Operationen körperlich eingeschränkt ist, aber sich mit Hilfe ihrer Kunst und viel Willen zurück gekämpft hat.
Ingeborg Triskatis hat Gisela Meyer-Hahn mehrmals für den Kulturpreis des Kreises vorgeschlagen – einmal unterstützt vom mittlerweile verstorbenen SPD-Landespolitiker Bernd Schröder. Erhalten hat die Farbkünstlerin die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung nie. Triskatis, die dem Förderverein des Pinneberger Klinikums vorsitzt, für den Meyer-Hahn einen Raum der Stille gestaltet hat, kann das nicht verstehen. Sie plant für 2018 eine Zusammenarbeit mit der Künstlerin. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens des Förderverein soll ein Lichtkonzert in einer Kirche auf die Beine gestellt werden. Das wäre mal wieder ein Projekt in der Stadt, die die aus Hessen stammende Lichtdesignerin sich zur Heimat gewählt hat. Und ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber der Künstlerin, die kürzlich in die schweizerische Stadt Interlaken gebeten wurde, um dort auf dem Fluss Aare ein kinetisches, schwimmendes Textilobjekt zu installieren. „In den letzten Wochen habe ich aus dem Koffer gelebt, das war so eine Art Tournee“, Meyer-Hahn. Sie würde nur zu gern mal wieder vor ihrer eigenen Haustür gestalten.