Wedel. Am 17. November wählen die Wedeler eine neue Verwaltungsspitze. Nun sprachen die vier Bewerber öffentlich über Kernthemen der Partei.

Am 17. November sind gut 27.000 Wahlberechtigte aufgerufen, bei der Bürgermeisterwahl in Wedel ihr Kreuz bei einem der vier Kandidaten zu machen. Um einen Fingerzeig zu erhalten, wie Claudia Wittburg (SPD), Timo Steyer und Andreas Kuhn (beide parteilos) sowie Julia Fisauli-Aalto (CDU) in ökologischen Kernthemen „ticken“, veranstalteten die Wedeler Grünen eine gut zweistündige Podiumsdiskussion. Es war die letzte öffentliche Veranstaltung mit allen vier Kandidaten vor der Wahl.

Gut 120 Zuschauer lauschten in launig-konzentrierter Runde in der Mensa der Gebrüder-Humboldt-Schule einem flotten Frage-Antwort-Spiel zu den Themenkomplexen Klimaneutralität, Verkehrswende und lebenswertes Wedel. Anders als beim Bürgermeister-Quartett im Rist-Forum, waren diesmal nach einer zunächst gut zweiminütigen Antwortzeit pro Bewerber, auch direkte Fragen aus dem Plenum möglich. Später waren es dann nur noch 30 Sekunden Redezeit. Die Grünen-Vorsitzende Petra Kärgel rauschte mit dem Mikrofon durch die Reihen.

Andreas Kuhn: „Wedel hat es seit 2019 verpasst, das Thema Klima intensiv zu bearbeiten“

„Schon 2019 hat Wedel den Klimanotstand ausgerufen, aber es danach verpasst, das Thema Klima intensiv zu bearbeiten“, meinte Kuhn (56), hauptberuflich Projekt- und Studienkoordinator bei der Beiersdorf AG, zum Thema Klimaneutralität in Wedel. Er nannte etwa die Dachbegrünung von Neubauten für Wohnungen oder Supermärkten, kombiniert mit Photovoltaik, als Beispiele, was unternommen werden könne, um Insekten zu helfen und das Klima zu schonen.

Generell müsse jeder bei sich selbst anfangen. Und auf die Mobilität bezogen, müsse der Individualverkehr weiter reduziert werden, etwa durch Car-Sharing-Angebote in Wedel. Später gab er auf der Veranstaltung der Grünen ehrlich und transparent zu, dass er mit seiner Frau und der erwachsenen Tochter drei Autos nutzt – das sorgte für kritisches Gemurmel im Publikum. Er würde eins aber abgeben, sofern es Miet-Autos für den täglichen Gebrauch geben würde.

Klimaneutralität? Timo Steyer sieht wegen Haushaltslage wenig Spielraum

Timo Steyer (42), beruflich in der Medienbranche als Direktor für digitale Strategien und Kundenberatung tätig, verknüpfte die Klimaneutralität mit Wedels katastrophaler Finanzlage. „In der Haushaltsplanung wird für 2025 von einem Minus von 17 Millionen Euro ausgegangen, in den Folgejahren sind es sechs, sieben und acht“, sagte er analytisch-realistisch.

Bürgermeisterwahl Grünen-Diskussionsrunde
Bürgermeisterwahl in Wedel: Die Grünen luden ein. Es diskutierten die Bürgermeisterkandidaten Julia Fisauli-Aalto (CDU, v. l.), Andreas Kuhn (parteilos), Timo Steyer (2. v. r) und Claudia Wittburg. Christoph Maas (Mitte, Bündnis 90/Die Grünen) moderierte. © Frederik Büll | Frederik Büll

Die Frage sei, welche Hebel es dann geben könnte. Etwa bei der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude. „Wir müssen uns bemühen, Förderungen von EU, Land und Bund zu nutzen“, so der gebürtige Wedeler. Im Bereich der Haushaltsmittel sehe er dort wenig Spielraum. Würden jedoch Bürger etwa Patenschaften von bisher durch die Stadt gepflegte Flächen übernehmen, ließen sich nach seiner groben Rechnung auf eine Fläche von 10.000m² gesehen etwa 75.000 Euro im städtischen Haushalt jährlich einsparen.

Klima: SPD-Politikerin Wittburg fordert klare Strategie mit Kennzahlen für Wedel – und Aufklärung

Die Sozialdemokratin Wittburg (46), gelernte Bankkauffrau und Diplom-Medienwirtin, forderte eine klare Strategie, um Fördergelder für Wedel einzusammeln. „Und die umliegenden Moorflächen müssen dringend renaturiert werden, um CO2 einzusparen“, sagte sie. Zudem sei das Thema Aufklärung und Bürgerbeteiligung in Bezug auf das Klima enorm wichtig, so wie es etwa bei „Wedel im Wandel“ geschehe. Weitere Schlagworte, die sie aufgrund des Ablaufs der Redezeit dem Publikum entgegenschleuderte: „Biodiversität, Nisthilfen, Wasserschutz und Mobilität!“

Die Betriebswirtin Julia Fisauli-Aalto (51) erklärte, dass Klimaneutralität selbstverständlich sein müsse. Es müssten Grundlagen dafür geschaffen werden. Etwa durch eine klimaresistente Bebauung. „In der Straße Hasenkamp sind zum Beispiel die Steine so gesetzt, dass das Wasser besser durchsickern kann“, sagte Fisauli-Aalto, die nach Abwahl von Gernot Kaser seit Ostern die Wedeler Verwaltung interimsweise führt. Generell müsse bei der künftigen städtebaulichen Planung immer die Klimaneutralität im Hinterkopf behalten werden. „Wedel muss einfach grüner werden“, meinte sie.

Wittburg sieht Mainz als ökologisches Vorbild für Wedel

Die Kandidaten, die abermals einen harmonisch-respektvollen Umgang miteinander pflegten, tauschten weitere Ideen aus, ehe Wittburg finalisierte: „Wir brauchen Kennzahlen in Zusammenarbeit mit einem Umweltverband. Wir müssen in Wedel die Luft verbessern, mehr Tempo 30-Zonen einführen, Busse nutzen und auf E-Mobilität setzen.“ Mainz sei in dem Bereich das große Vorbild.

Bürgermeisterwahl Grünen-Diskussionsrunde
Gut 120 Zuschauer waren bei der Podiumsdiskussion in der Mensa der Gebrüder-Humboldt-Schule dabei. © Frederik Büll | Frederik Büll

Auf den eigenen Beitrag zum Klimaschutz wurden von den vier Kandidaten, die sich in ihren Antworten teilweise glichen und darauf aufbauten, beispielsweise eine insektenfreundliche Bepflanzung und Bewässerung im Garten, Mülltrennung, E-Autos, das Energiesparen oder regionales und saisonales Einkaufen genannt.

Bürgermeisterwahl in Wedel: Steyer habe eine „relativ gute“ Öko-Bilanz

Steyer meinte, dass seine persönliche Öko-Bilanz „relativ gut“ sei, weil er kein Auto habe, viel Fahrrad fahre und auch auf Photovoltaik und Erdwärme im eigenen Hause setze. Wittburg erklärte zudem etwa, dass sie viel ÖPNV und das Lastenfahrrad nutze, sich mit Bekannten seit Jahren ein Segelboot für Urlaube teile, und meist Kleidung Second-Hand kaufen würde.

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Viele weitere Visionen und Einfälle zum Ausbau des Nahverkehrs, Bus-und-Bahn-Taktung, E-Shuttles, Schnellbussen, öffentlichen E-Lade-Säulen, Stauproblemen, intelligenten Ampelschaltungen, vorausschauender Baustellenplanung, Mitfahrgelegenheiten, Digitalisierung, Klima-Checklisten, der Wirtschaftsförderung, Senioren-Mobilität, der Belebung der Bahnhofstraße, Inklusion, Kälte- und Wärmeplan, sozialer Wohnungsbau oder dem Bau einer vierten Grundschule wurden geteilt. Übrigens: Der Schulentwicklungsplan wird Mitte November nach vielen Jahren des Wartens vorgestellt.

Das sind die Wedeler Bürgermeisterkandidaten

Julia Fisauli-Aalto
Julia Fisauli-Aalto (51, CDU) ist bereits seit Ostern dieses Jahres interimsweise Chefin im Wedeler Rathaus. Sie kandidiert für die Christdemokraten. © Frederik Büll | Frederik Büll
Claudia Wittburg
SPD: Die Wedeler Ortsvorsitzende Claudia Wittburg (44) tritt ein zweites Mal an. Als parteilose Kandidatin unterlag sie 2016 dem damaligen Amtsinhaber Niels Schmidt nur knapp. © Frederik Büll | Frederik Büll
Timo Steyer
Neuer Bürgermeister in Wedel? Auch der parteilose Timo Steyer (42) tritt an. Er ist gebürtiger Wedeler © Frederik Büll | Frederik Büll
Andreas Kuhn
Auch Andreas Kuhn (56) geht als parteiloser Bewerber ohne politische Unterstützung in den Bürgermeister-Wahlkampf in Wedel. © Frederik Büll | Frederik Büll
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Immer wieder rückte bei allen Antworten der Bürgermeisterkandidatinnen und -kandidaten das fehlende Geld angesichts eines Schuldenbergs von 100 Millionen Euro in der Stadtkasse bei den angeregten Diskussionen ins Zentrum. Irgendwie müsse mit innovativen Lösungen gemeinsam mit dem Rat ein Spagat aus Haushaltskonsolidierung und einer dennoch lebenswerten Stadt mit einem vernünftigen Angebot aus Sport, Bildung und Kultur gelingen.

Die Homepages der Kandidatinnen und Kandidaten: www.juliafisauli.dewww.andreas-kuhn-wedel.de, www.claudia-wittburg.dewww.timosteyer.de