Kreis Pinneberg. In Uetersen hat sich die erste regionale Ortsgruppe des Bündnisses für Demokratie gegründet. Wie die Aktiven überzeugen wollen.

Sie hat Rassismus erlebt, hautnah: als junges Mädchen erst in Südafrika, danach in den Erzählungen der Holocaust-Überlebenden in Israel, später als Ehefrau eines Iraners mitten unter uns in Deutschland. Sie erlebte mit, wie ihr leicht dunkelhäutiger Sohn auf dem Fußballplatz als Kanake beschimpft wurde. Sie wehrt sich, denn sie will diese Hass-Gesellschaft nicht. Sie ist nicht allein.

Regina Dallmann heißt die mutige Frau. Die 70-Jährige hat fünf Enkelkinder, und nicht nur für die und eine weltoffene, menschenfreundliche Gesellschaft gehört sie mit zu den Stützen der ersten Ortsgruppe Omas gegen rechts im Kreis Pinneberg.

„Ich möchte nicht, dass meine Kinder und Enkel einen Krieg erleben“

Die Initiative, diese Gruppe zu gründen, hatte Jutta-Katharina Bechlem ergriffen. Sie ist die Chefin des Nachhilfeinstituts Studienkreis Uetersen. „Ich bin achtfache Oma und Demokratin“, erzählt die 63-Jährige bei einem Treffen mit dem Abendblatt. „Ich möchte nicht, dass meine Kinder und Enkel einen Krieg erleben“, berichtet sie über die Gründe für ihr Engagement.

Omas gegen Rechts Ahrensburg
In Ahrensburg feierte die Ortsgruppe der „Omas gegen rechts“, dass dem bundesweiten Netzwerk der Aachener Friedenspreis verliehen worden ist. © OgR Ahrensburg | OgR Ahrensburg

Besonders erschreckt habe sie die wachsende Stärke der AfD bei den jüngsten Wahlen. Bei einem Besuch einer Freundin in Sachsen, die sie bereits seit etwa 50 Jahren kenne, habe sie erlebt, wie rechtsradikale Horden dafür sorgen, dass Menschen aus Angst leise werden.

Gründerin der Gruppe: „Wir sind mehr“

Mut haben Jutta-Katharina Bechlem wiederum die starken Demonstrationen für die Demokratie im Frühjahr in Deutschland gemacht. „Ich hatte seit Langem mal wieder das Gefühl ‚wir sind mehr‘. Das war ein tolles Gefühl.“ Jetzt will sie mehr Menschen aus der stillen Reserve locken.

Entstanden ist die Bewegung „Omas gegen rechts“ in Österreich. Offiziell wurde das Bündnis im November 2017 in Wien gegründet. Inspiriert von den Nachbarn bildeten sich in Deutschland ab Januar 2018 erste Gruppen.
Entstanden ist die Bewegung „Omas gegen rechts“ in Österreich. Offiziell wurde das Bündnis im November 2017 in Wien gegründet. Inspiriert von den Nachbarn bildeten sich in Deutschland ab Januar 2018 erste Gruppen. © AFP | JOE KLAMAR

Die Initiative zahlt sich aus. Nach dem ersten Treffen mit einer Handvoll Gleichgesinnter waren es beim zweiten Mal schon um die 20. Aus den kleinen Gruppenräumen zog die Gruppe um ins Restaurant von Stamm. Etwa 60 Köpfe groß wurde die Gruppe. Sogar spontan schlossen sich Menschen an diesem Abend an, darunter auch Opas.

Auch Opas sind in der Gruppe herzlich willkommen

Ingo Frenzel ist einer von ihnen. Der 64 Jahre alte Großvater von zwei Enkelkindern hat sich in Uetersen einen Namen als Organisator des feinen Filmfestivals „Unschärfe“ gemacht. Hauptberuflich ist er zumeist über den Dächern Hamburgs und des Umlands aktiv, und zwar als Fahrer von großen Arbeitsbühnen.

Omas gegen rechts nun auch im Kreis Pinneberg
Mit dieser weißen Weste und einem Button geben sich die Aktiven des Bündnisses zu erkennen. © Michael Rahn | Michael Rahn

Frenzel stammt aus einer sozialdemokratisch geprägten Familie. Er hat in der Firma und in der Filmszene mit Menschen aus vielen Ländern zu tun. Sie alle gehen respektvoll miteinander um. Das ist nicht überall so. Deshalb will er sich starkmachen, diesen Gedanken in unserer Gesellschaft wieder als Grundlage für das Zusammenleben durchzusetzen.

Enkelsohn ermuntert: „Da musst Du mitmachen, Omi!“

Für die Demokratie hat sich Anna-Ilse Wehner (78, 3 Enkelkinder) fast 50 Jahre engagiert, und zwar in der Kommunalpolitik ihrer Heimatstadt Uetersen und im Kreistag. Eigentlich wollte sie sich nun zurückziehen. Doch die aktuelle politische Entwicklung und das Erstarken einer zum großen Teil rechtsextremen Partei hat sie wieder aus dem bequemen Sessel gezogen.

1. Bundeskongress der Omas gegen Rechts
Bild von der Demonstration beim ersten Bundeskongress des Bündnisses im August dieses Jahres in Erfurt/Thüringen. © DPA Images | Hannes P Albert

„Da musst Du doch mitmachen“, hatte sie ein Enkelsohn ermuntert. Und sie machte mit, um über diejenigen aufzuklären, die sehenden Auges in den Zweiten Weltkrieg gezogen sind. Sie wünscht sich weitere Mitstreiter aus ihrer Altersgruppe. „Denn wir können noch erzählen, wie es war, das Überleben in den Trümmern kurz nach dem Krieg“, sagt Anna-Ilse Wehner.

„Ich bin tief erschrocken über die Holocaust-Leugner“

Christiane Brodersen (72) ist einige Jahre jünger. Doch sie hat viele Bücher über die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland gelesen, wie sich immer mehr Menschen starke Führer wünschten, wie das System des Nazi-Terrors aufgebaut war. Sie ist mit ihren zwei Kindern nach deren Konfirmation nach München gereist, hat dabei das KZ Dachau besucht.

„Ich bin tief erschrocken, wie die Entwicklung läuft, wie es immer mehr Leute gibt, die den Holocaust leugnen“, erzählt sie, warum sie sich der Uetersener Gruppe im Bündnis „Omas gegen rechts“ angeschlossen hat. Schon als Elternvertreterin in der Schule hat sie sich dafür starkgemacht, dass die Nazi-Diktatur und ihre Gründe zum Unterrichtsthema wurden. Jetzt will sie mit ihren Mitstreitern gern mehr aufklären und erzählen.

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Darüber hinaus wollen die Uetersener „Omas gegen rechts“ mit so viel Menschen wie möglich ins Gespräch kommen, zum Beispiel auf Wochenmärkten. Sie werden sich an Demonstrationen beteiligen. Sie wollen Filme zeigen, und sie wollen noch mehr werden. Wer Interesse hat, meldet sich per Mail unter ogr-uetersen@web.de, schaut auf der Internetseite www.omasgegenrechts-nord.de nach aktuellen Informationen und notiert sich den Termin fürs nächste Treffen: Donnerstag, 14. November, 19 Uhr, Restaurant von Stamm in Uetersen, Kleiner Sand 60.