Quickborn/Ellerau/Bad Segeberg. Fachanwalt nennt die Gründe für die Klage und ist zuversichtlich, dass Quickborn gewinnt. Die Segeberger Behörde ist anderer Meinung.
Das Tauziehen, ob der US-Konzern Hillwood sein Logistikzentrum in Ellerau weiterbauen darf, wird jetzt juristisch geklärt. Der Kreis Segeberg hat dem Investor mit Deutschlandsitz in Frankfurt am Main nun eingeräumt, seine Planung nachträglich abändern zu dürfen.
Das sei aber gar nicht zulässig, argumentiert die Stadt Quickborn und beruft sich auf entsprechende Grundsatzurteile. „Wir haben jetzt Klage vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig gegen den Kreis Segeberg eingereicht“, kündigte Bürgermeister Thomas Beckmann am Donnerstag vor Journalisten in seinem Rathaus an.
Logistikzentrum: Fachanwalt begründet die Klage gegen den Kreis Segeberg
Sein Rechtsbeistand aus Kiel, Fachanwalt Fiete Kalscheuer für Verwaltungsrecht, erklärte die Begründung. So habe die Stadt – wie berichtet – Ende Juni vom Oberverwaltungsgericht (OVG) im Eilverfahren Recht bekommen, weil sie durch das Bauvorhaben, das bis zu 2000 Lkw- und Pkw-Fahrten am Tag über ihre Straßen verursachen würde, erheblich in ihren Nachbarschaftsrechten beeinträchtigt werden würde.
Das OVG kam zu dem Ergebnis, dass die Erschließung des zehn Hektar großen Geländes von Hillwood am AKN-Bahnhof Tanneneck an der Bahnstraße verkehrlich und vom Straßenzustand „nicht gesichert“ sei und erließ auf Antrag Quickborns einen sofortigen Baustopp.
Mega-Projekt: Der Kreis Segeberg sei vier Monate lang untätig gewesen
Seitdem seien nun vier Monate vergangen, ohne dass der Kreis Segeberg seine im Februar vorigen Jahres erteilte Baugenehmigung aufgehoben habe. Vergeblich habe er diesbezüglich bei Landrat Jan Peter Schröder um einen Gesprächstermin in Bad Segeberg ersucht, erklärte Bürgermeister Thomas Beckmann.
Doch dazu sei es „leider“ wegen angeblicher Terminschwierigkeiten nicht gekommen, bedauert Beckmann und vermutet, die Behörden beim Kreis Segeberg und in Kiel spielten auf Zeit. Denn auch das Innenministerium habe bis heute nicht auf die Fachaufsichtsbeschwerde der Stadt Quickborn gegen die Baubehörde des Kreises Segeberg reagiert.
Bürgermeister Beckmann: Die Behörden spielen auf Zeit
„Es ist ein Muster zu erkennen“, glaubt Beckmann. „Die Behörden spielen auf Zeit. Also müssen wir jetzt wegen Untätigkeit des Kreises gegen die Baugenehmigung klagen.“ Auch diese habe weiterhin aufschiebende Wirkung, erklärt Rechtsbeistand Kalscheuer.
Es sei denn, der US-Konzern strenge nun seinerseits ein Eilverfahren zur Abänderung seines Bauantrages vor dem Verwaltungsgericht an und würde damit Erfolg haben.
Doch damit ist aus Sicht des Verwaltungsrechtlers nicht zu rechnen. So habe das OVG in Münster in einem ganz ähnlichen Fall bereits 1996 entschieden, dass ein Bauvorhaben nicht nachträglich geändert werden könne und dann plötzlich genehmigungsfähig sei, wenn zuvor Nachbarschaftsrechte verletzt und in einem Eilverfahren vom Gericht anerkannt worden sind. „Genau das ist hier der Fall“, erklärt Anwalt Kalscheuer. Das ganze Verfahren könnte sofort vorbei sein, wenn der Kreis Segeberg endlich – wie gefordert – die Baugenehmigung zurückziehen würde.
Kreis Segeberg argumentiert, der Investor habe Anspruch darauf, Bauantrag zu ändern
Aber das scheint offenbar nicht die Option des Kreises Segeberg zu sein. Wie deren Vertreter bereits im Juli bei der Anhörung des Petitionsausschusses des Landtages im Quickborner Rathaus vortrugen, will die dortige Bauaufsichtsbehörde dem Investor eine ‚Änderung seines ursprünglichen Bauantrages ermöglichen. Denn der ist, wie das OVG beschieden hat, mit den bisherigen Mengen des beantragten zusätzlichen Schwerlastverkehrs von 1600 Lkw-Fahrten am Tag nicht zu genehmigen.
So teilt Sabrina Müller, Sprecherin des Kreises Segeberg, auf Abendblatt-Anfrage mit, dass der Baugenehmigungsbehörde seit dem 7. Oktober 2024 ein sogenannter Nachtrag zur Baugenehmigung vom Investor vorliege. „Eine Nachtragsbaugenehmigung modifiziert die ursprünglich erteilte Baugenehmigung, ohne das Vorhaben in seinem Wesen zu verändern.“
Hillwood soll Lkw-Verkehre für Bauantrag erheblich reduziert haben
Nach Angaben des Bauherrn Hillwood würden die geplanten Nutzungen nun „deutlich geringere Verkehre als noch in der ursprünglichen Baugenehmigung vorsehen“. Zudem habe der US-Konzern dazu eine konkretisierte Betriebsbeschreibung, eine Verkehrsuntersuchung und ein Schallgutachten eingereicht.
Diese Abänderung des ursprünglichen Bauantrages werde der Kreis nun dahingehend prüfen, „ob die Erschließung hinsichtlich der Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs an allen relevanten Knotenpunkten gesichert ist, die Gefahr der nachhaltigen und strukturellen Schädigung der Straßensubstanz nicht besteht und Rechte Dritter nicht verletzt werden“, erklärt Kreissprecherin Müller.
Kreissprecherin: Wir müssen jetzt die Prüfung des Bauantrages abwarten
„Der Bauherr hat einen Anspruch darauf, dass über seinen Nachtragsantrag entschieden wird“, beschreibt sie die Rechtsaufassung des Kreises Segeberg. Denn das OVG habe zwar die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Stadt Quickborn gegen die erteilte Baugenehmigung angeordnet. „Es handelt sich aber um keine Entscheidung in der Hauptsache.“ Für den Kreis Segeberg habe der Nachtrag des Bauherrn „Relevanz für das Widerspruchsverfahren des Kreises.“ Diese Prüfung müsse nun erst einmal abgewartet werden.
Falls diese ergeben sollte, dass die Erschließung des Geländes nun doch mit weniger Lkw-Verkehren gesichert sei und die Rechte Dritter, insbesondere der Nachbarstadt Quickborn, nicht verletzt würden, könnte Hillwood seinerseits klagen, um den Baustopp aufzuheben. „Die Entscheidung des Kreises über Nachbarwidersprüche würde bis zu dieser Entscheidung zurückgestellt“, so Müller.
Fürchtet der Kreis Segeberg Schadensersatzansprüche?
Für Quickborns Rechtsbeistand Kalscheuer ist es eher eine andere Abwägung, die den Kreis Segeberg zu dieser Taktik verleitet hat: Er habe wohl überlegt, „ob er sich von Quickborn oder von Hillwood verklagen lassen möchte und sich für ersteres entschieden“, mutmaßt Kalscheuer.
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Denn nach eigenen Angaben hat der US-Konzern bereits 20 Millionen Euro in den Abriss der Altgebäude und den Aufbau der fünf geplanten jeweils 10.000 Quadratmeter großen Lagerhallen an der Werner-von-Siemens-Straße/Buchenweg/Bahnstraße investiert. Das Geld wäre verloren.
Somit könnte der Konzern Schadensersatz einfordern. Möglicherweise will sich der Kreis Segeberg dagegen absichern, indem er Hillwood nun großzügig eine Änderung seines Bauantrages einräumte, was aber nach Quickborns Rechtsauffassung gar nicht zulässig sei.
Hillwood: Stadt Quickborn hat sechsstellige Summe in das Verfahren investiert
Sollte Quickborn mit seiner Klage Recht bekommen, müsste Hillwood einen völlig neuen Bauantrag stellen, der aber kein solches Logistikzentrum mehr zuließe, weil die Gemeinde Ellerau für neue Projekte auf dem Gelände eine Veränderungssperre erlassen hat. Rechtsanwalt Kalscheuer rechnet nun damit, dass das OVG in Schleswig in etwa einem Jahr endgültig über die Rechtmäßigkeit des Bauprojektes in Ellerau entscheiden wird.
Für mehrere Verkehrsgutachten, die schon heute eine teilweise Überlastung des Verkehrs zur Quickborner A7-Anschlussstelle ergeben haben, habe die Stadt Quickborn 55.000 Euro aufgewendet, sagt Bürgermeister Beckmann. Mit den Anwaltskosten und vor allem dem Personalaufwand dazu im Rathaus habe die Stadt inzwischen eine sechsstellige Summe in das Verfahren gegen Hillwood gesteckt.