Elmshorn. Deiche und Wege untergraben, Biotope abgegrast. Population der Nager explodiert. Wie Stadtverwaltung und Jäger innovativ handeln.
Das Nutria ist bislang nur konventionell bejagt worden. Nun haben die Elmshorner Jäger drei hochmoderne Lebendfallen beschafft, Stückkosten rund 500 Euro, die an strategisch günstigen Stellen platziert werden. Mit Erfolg und ersten Zahlen, die einen bedenklichen Einblick in die Entwicklung dieser Population liefern. Und damit auch die Bestätigung für die Stadtverantwortlichen: Die Nutrias müssen weg.
„Mitleid ist einfach nicht mehr angebracht!“ Darin sind sich Elmshorns Oberbürgermeister Volker Hatje, der Kreisjägerschaftsvorsitzende Hans Wörmcke und Sebastian von Preyss vom Elmshorner Amt für Tiefbau und Verkehr einig. Niedlich hin oder her: Nutrias sind für die Stadt, für den ganzen Kreis zur Plage geworden. Doch nun geht es den invasiven Nagern gezielt an den Kragen.
Nutria-Plage in Elmshorn: Wo die Tiere auftauchen, da leiden Flora und Fauna
Die Gründe sind vielfältig und laufen immer auf dasselbe hinaus: Wo das Nutria auftaucht, dort gibt es Schäden an Deichen, Böschungen, Wegen und der Natur selbst.
„Die Tiere unterhöhlen massiv von der Wasserlinie aus das Erdreich. Zuerst graben sie einen Gang, vier bis fünf Meter lang, dann erst errichten sie ihre große Wohnhöhle“, berichtet Sebastian von Preyss. Dessen Amt ist für die Instandhaltung und Sicherung der Gewässergrenzen und Wege im Stadtgebiet zuständig.
Nutrias in Elmshorn: Die Wohnhöhlen sind so groß, dass Menschen hineinpassen
„Aber so ein Gang ist doch nicht schlimm!“ „Wir Menschen sind doch schuld und sollten mit diesen Tieren gemeinsam leben.“ Kommentare, die die Verantwortlichen zuhauf hören, aber angesichts ihrer Erfahrung nicht unterstützen können.
„Zum Beispiel der Bau, der besteht ja eben nicht nur aus dem langen, schmalen Gang“, erklärt von Preyss. „Am Ende befindet sich dann der Wohnraum, und der ist dermaßen groß, dass da manchmal mehrere Menschen hineinpassen. Und diese Hohlräume gehen bis direkt unter die Erdoberfläche. Wie schnell ist da ein Mensch oder ein Fahrzeug eingebrochen?“ Mit schwersten möglichen Folgen.
Nutrias in der Natur: Die Nager zerstören Lebensraum für andere Arten
Und auch wenn Nutrias gegenüber anderen Tieren in der Regel friedlich sind, sofern sie sich nicht bedroht fühlen, so bedeutet ihre Ankunft in bestimmten Umfeldern in kürzester Zeit das Aus für andere Arten. „Wenn sich Nutrias zum Beispiel in einem Röhricht-Biotop ansiedeln, dann haben sie dieses meist innerhalb eines Jahres abgeerntet“, sagt von Preyss. „Und damit ist der Lebensraum vieler anderer Tiere zerstört, zum Beispiel Bruträume für Vögel.“
Genug ist genug. Denn nach Kenntnisstand von Hans Wörmcke hat sich die deutsche Nutria-Population seit 2002 von geschätzt 1000 auf nun über 100.000 verhundertfacht. „Tendenz weiterhin stark steigend“, sagt der Vorsitzende der Kreisjägerschaft. „Haben wir im Jagdjahr 2023 noch 300 Nutrias zur Strecke gebracht, waren es 2024 bereits 500. Für 2025 bis zum 1. April gehen wir auch durch den verstärkten Einsatz der Fallen von über 600 Tieren aus.“
Jagd auf Nutrias: Seit diesem Jahr ist der Jagdschutz für diese Tiere komplett weggefallen
Ein in der Bevölkerung noch höchst unpopuläres Unterfangen. Gejagt werden dürfen die Nager mit den messerscharfen Zähnen schon seit Längerem, aber ganzjährig erst seit 2024, womit auch der Schutz von Muttertieren wegfällt. Doch schon zuvor haben die Kreisjäger unliebsame Begegnungen mit der gefährlichsten aller Spezies gehabt.
„Wir sind schon mehrfach aus der Bevölkerung offen angefeindet und als Mörder beschimpft worden“, berichtet ein Jäger, der wie seine Mitstreiter seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Dabei trügen diese Teile der Bevölkerung auch noch zur Verschärfung des Nutriaproblems bei. „Wir beobachten, dass die Tiere zum Teil gezielt gefüttert werden und dass sie sich schon an Fütterungszeiten gewöhnt haben“, sagt ein Jagdkamerad. „Das sind dann schon mal fast 20 Tiere, die da auf die nächste Fütterung warten.“
Jagd auf Nutrias: In dicht besiedelten Gebieten kommt nun die Falle zum Einsatz
Doch nun soll auch in den dichter bewohnten Teilen Elmshorns wie „Am Fischteich“ damit Schluss sein. Dort, wo die Jäger aus verständlichen Gründen nicht mit der Schusswaffe die Nutrias zur Strecke bringen können, sind erste Fallen deponiert worden.
Diese Kästen mit Klappe an der Stirnseite setzen den beauftragten Jäger sofort vom Fang per SMS in Kenntnis. „Dann machen wir uns unverzüglich auf den Weg, um dem Tier nicht auch noch eine unverhältnismäßig lange Zeit in dem Kasten zuzumuten“, erklärt einer der Jäger, der dann das Nutria vor Ort per Fangschuss schnell zur Strecke bringt.
Gefährliche Nutrias: Die langen Schneidezähne können selbst Jagdhunde schwer verletzen
Einen aktuellen Fang haben die Jäger zum Ortstermin mitgebracht. Groß ist der Nager, knapp 15 Kilogramm schwer. Und bewaffnet. Der Jäger legt die Schneidezähne des Tiers in ihrer vollen Länge frei. Messerscharf sind die Beißer. „Und die werden durch Gebrauch auch ständig nachgeschärft.“
Leidtragende sind dann Jäger, Landwirte, Spaziergänger und vor allem auch deren Hunde, die so in Kontakt mit dem Großnager geraten, dass diese sich bedroht fühlen und verteidigen.
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„Das sind wirklich schwere Verletzungen, die einem ein ausgewachsenes Nutria zufügen kann“, sagt einer der Elmshorner Jagdpächter. „Mit diesen Zähnen machen die einen ausgewachsenen Jagdhund fertig. Und auch durch Gummistiefel beißen die mit Leichtigkeit hindurch.“
Doch Verletzungen sind eine Begleiterscheinung, wichtiger ist der Erhalt der Elmshorner Deiche und Wege. „Und deswegen möchten wir, dass sich die Kreisjägerschaft – letzten Endes zum Schutz unserer Stadt – um die Eindämmung der Nutrias kümmert“, sagt Volker Hatje, wohl wissend, dass dies nicht zu den populärsten Entscheidungen seiner Amtszeit gehören wird.
Das Nutria ist alles andere als niedlich
Das Nutria (Myocastor coypus), ursprünglich in Südamerika beheimatet, hat sich in Deutschland als invasive Tierart etabliert und sorgt zunehmend für Probleme. Ursprünglich zur Pelzzucht eingeführt, entkamen viele Tiere in die freie Wildbahn.
Besonders an Flüssen und Seen breitet sich die Nagerpopulation rasant aus. Durch ihre Bauaktivitäten schädigen Nutrias Dämme und Uferbefestigungen, was zu Erosion und Hochwasserrisiken führen kann. Zudem beeinträchtigen sie die Landwirtschaft, indem sie Felder und Wiesen abgrasen.
Die Tiere vermehren sich schnell: Ein Weibchen kann bis zu dreimal im Jahr Junge bekommen, was die Kontrolle der Bestände erschwert. Trotz gezielter Bejagung steigen die Populationen vielerorts weiter an.
Der Bund Naturschutz warnt vor den ökologischen Folgen der ungebremsten Vermehrung. Einige Länder haben bereits Maßnahmen zur Eindämmung ergriffen, doch die Bekämpfung bleibt eine wachsende Herausforderung.