Pinneberg. Wahres Ausmaß der Belastung wurde erst jetzt festgestellt. Umweltverband fordert, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Die enormen Schadstoffe von krebserregenden chlorierten Kohlenwasserstoffen, die in erheblichen Mengen im Boden und Grundwasser von Pinneberg entdeckt worden sind, beschäftigen weiter die Behörden und auch besorgte Bewohner der Kreisstadt. Zudem fordert die Pinneberger Kreisgruppe des Bundes für Natur und Umweltschutz (BUND) jetzt, „die Verursacher in Verantwortung zu nehmen“.   

Tatsächlich ist diese schwerwiegende Altlast mitten in der Stadt von Pinneberg schon seit einigen Jahren bekannt. Ein Gutachten zur Aufstellung des Bebauungsplanes 147 der Stadt Pinneberg von Februar 2017 hat bereits darauf aufmerksam gemacht. Deshalb wurde die betroffene Fläche zwischen Bahnhofstraße, Fahltskamp, An der Berufsschule und nördlich des Damms aus der Planung herausgenommen.

Gift im Grundwasser von Pinneberg: Wahres Ausmaß der Belastung erst jetzt bekannt

Das wahre Ausmaß der Vergiftung des Bodens und des Grundwassers ist aber erst in diesem Jahr nach zahlreichen Messungen und Untersuchungen der Unteren Bodenschutzbehörde des Kreises Pinneberg herausgekommen, wie die Kreisverwaltung auf Nachfrage feststellt. Dass nämlich die Grenzwerte für die hochgiftigen Stoffe Tri- und Tetrachlorethen (Trivialnamen Tri und Per) um das Siebzigtausendfache überschritten worden sind.

Im Boden und im Grundwasser entlang der dicht bebauten Hauptverkehrsader der Kreisstadt schlummern erhebliche Mengen an Giftstoffen. Das Ausmaß ist erheblich, wie die Untersuchungen des Kreises Pinneberg ergeben haben. Jetzt soll ein Sanierungskonzept erarbeitet werden.
Im Boden und im Grundwasser entlang der dicht bebauten Hauptverkehrsader der Kreisstadt schlummern erhebliche Mengen an Giftstoffen. Das Ausmaß ist erheblich, wie die Untersuchungen des Kreises Pinneberg ergeben haben. Jetzt soll ein Sanierungskonzept erarbeitet werden. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Gleichwohl betonen Stadt und Kreis: „Eine Gefährdung des Trinkwassers besteht nicht, weil das betroffene Gebiet nicht im Einzugsgebiet des Wasserwerks liegt und sich somit außerhalb des Wasserschutzgebiets befindet.“

Verseuchter Boden: Welche Schutzmaßnahmen die Kreisbehörde bislang ergriffen hat

Auf Nachfrage des Abendblatts beschreibt die Kreisbehörde, welche Maßnahmen sie seit 2017 wegen dieser enormen Altlast bislang ergriffen hat und ob sie bereits mögliche Verursacher benennen kann.

Auslöser der Untersuchungen ist offenbar das Gutachten zum B-Plan 147 gewesen. So heißt es in der Expertise des beauftragten Hamburger Stadtplanungsbüros Elbberg zum Thema Altlasten: „Zusammenfassend konnten eindeutige Hinweise auf nutzungsbedingte Verunreinigungen des Untergrundes auf Grundstücken oder angrenzend an diese Grundstücke im Bereich Bahnhofstraße und Fahltskamp gesammelt werden. Gefährdungsrelevante Auswirkungen auf die betrachten Wirkungspfade lassen sich aus den bisher vorliegenden Analyseergebnissen ableiten.“

Bauvorhaben und sonstige Eingriffe in den Boden sind nicht zulässig

Die betroffenen Grundstücke seien deshalb als „Fläche, deren Böden mit erheblich umweltgefährdenden Stoffen belastet sind“ gekennzeichnet. Dort müssten nun unter der Fachaufsicht der Bodenschutzbehörde des Kreises Detailuntersuchungen erfolgen, die Aufschluss über das tatsächliche Ausmaß der Untergrundverunreinigungen erbringen sollten, hieß es darin. „Bis zum Abschluss der Detailuntersuchungen sind Bauvorhaben und sonstige Eingriffe in den Boden nicht zulässig.“

Dieser Ausschnitt des Bebauungsplanes 147 der Stadt Pinneberg zeigt rot umrandet das mit den hochgiftigen Schadstoffen Per und Tri  belastete Gebiet zwischen Bahnhofstraße, Fahltskamp, An der Berufsschule und nördlich der Straße Damm.
Dieser Ausschnitt des Bebauungsplanes 147 der Stadt Pinneberg zeigt rot umrandet das mit den hochgiftigen Schadstoffen Per und Tri  belastete Gebiet zwischen Bahnhofstraße, Fahltskamp, An der Berufsschule und nördlich der Straße Damm. © Burkhard Fuchs | Stadt Pinneberg

Diese Detailuntersuchungen des belasteten Bodens und Grundwassers seien daraufhin bis zum vorigen Jahr erfolgt, teilt Kreissprecherin Katja Wohlers mit. Sie sagt: „Es erfolgten im betroffenen Gebiet orientierende Untersuchungen mit erhöhten Messwertergebnissen. Daraufhin fanden weitere Detailuntersuchungen bis 2023 statt. Die Ergebnisse wurden der Unteren Bodenschutzbehörde Anfang 2024 im Entwurf vorgelegt und werden nun ausgewertet.“

Grundwasser von Pinneberg: Kreis will Sanierungskonzept erarbeiten

Die Untere Bodenschutzbehörde habe der Stadt Pinneberg aufgrund der Erkenntnisse weitere Untersuchungen, unter anderem Innenraumluftmessungen, empfohlen, so die Kreissprecherin weiter. Dies sei auch die Empfehlung des begleitenden Gutachtens.

Wohlers: „Da wir uns mitten in dem Prozess befinden und feststeht, dass weitere Untersuchungen bis hin zu einem Gesamtkonzept für einen Handlungsplan notwendig sind, wurden die Haushaltsmittel beim Kreis Pinneberg als zuständige Behörde angemeldet.“ Dafür sind zunächst, wie berichtet, rund 200.000 Euro veranschlagt. Der Umweltausschuss des Kreistages befasst sich damit auf seiner nächsten Sitzung am Montag, 14. Oktober, im Elmshorner Kreishaus, Beginn ist um 18.30 Uhr.

Luftmessungen der Innenräume sind noch nicht erfolgt

Welche Maßnahmen sind bislang erfolgt? Neben der Abgrenzung der betroffenen Fläche sind dort nach Angaben der Kreisverwaltung die „gesetzlich vorgeschriebenen Boden-, Bodenluft- und Grundwasseruntersuchungen als orientierende Untersuchungen“ geschehen.  Die Grundstückseigentümer seien informiert worden und „vertiefende Detailuntersuchungen (Boden-, Bodenluft- und Grundwasseruntersuchungen)“ erfolgt. „Die Innenraummessungen stehen noch aus“, teilt Kreissprecherin Wohlers mit. „Beauftragt sind diese schon.“

Zur akuten Gefährdungslage teilt die Kreisverwaltung weiter mit: „Die Flächen sind zurzeit durch Bebauung versiegelt. Solange keine umfassenden Baumaßnahmen durchgeführt werden, gehen Kreis und Stadt davon aus, dass Gefährdungen nicht vorliegen. Die Messwerte wurden bislang im Boden und in Grundwasserbereichen festgestellt, aber nicht im Trinkwasser.“

Analyse der Stadtwerke zeigt: Das Trinkwasser ist nicht belastet

Denn „das Grundwasser fließt nach aktuellem Kenntnisstand im Bereich der festgestellten Belastungen nicht in Richtung der Wasserwerksbrunnen“. Das Wasserwerk Peiner Weg analysiere aber regelmäßig das Wasser, auch auf die Parameter LCKW/LHKW. Die Berichte sind öffentlich einsehbar.“ Das stimmt. Die aktuellste Untersuchung stammt von Ende August 2024 und weist aus, dass die Grenzwerte im Trinkwasser von Tri und Per demnach weit unterschritten werden, sodass „die Messwertwerte den Anforderungen der Trinkwasserversordnung entsprechen“.

Zu den möglichen Verursachern haben Stadt und Kreis bislang keine Erkenntnisse, erklärt die Kreissprecherin weiter. „Auf Grundlage der aktuellen Untersuchungen konnte noch kein Verursacher ermittelt werden. Weitere Untersuchungen sollen genauere Informationen über mögliche Verursacher ergeben.“ Es bleibe allerdings offen, ob ein Verursacher eindeutig zu identifizieren ist. „Ein Herantreten an mögliche Verursacher ist erst möglich, nach einer konkreten Schadensermittlung.“

Noch keine konkreten Erkenntnisse zu den möglichen Verursachern

Die Ursachenforschung ist auch dem BUND wichtig, wie deren Kreissprecher Bernd Biggemann mitteilt. „Es darf in Deutschland nicht mehr möglich sein, als Unternehmen unsere Umwelt zu verschmutzen oder zu zerstören und den Schaden von der Allgemeinheit bezahlen zu lassen“, fordert er. „Das hat auch etwas mit Generationsgerechtigkeit zu tun.“ Es dürfe nicht mehr möglich sein, dass sich die Behörden bei der Zulassung von Pestiziden und anderen Chemikalien weitgehend auf Studien der Hersteller verließen, fordert der Vorstand der BUND-Kreisgruppe.

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Die leichtflüchtig chlorierten Kohlenwasserstoffe (LCKW), die im Pinneberger Grundwasser in großen Mengen gefunden wurden, seien „krebserregend und können Erbgut, Immunsystem, Leber und Niere schädigen“, warnt der BUND-Sprecher. „Um den Gesamtschaden festzustellen und wie weit sich die LCKW ausgebreitet haben, fordert die BUND-Kreisgruppe, ein Monitoring über die Schadstofffahne im Grundwasser und im Boden einzuleiten.“

BUND-Kreisgruppe fordert ein Monitoring zur Schadstoffbelastung

Zudem sei es „zwingend geboten, zum Schutz der langfristigen Trinkwasserversorgung ein Sanierungskonzept zu erstellen“, so der BUND-Sprecher Biggemann weiter. „Ziel der Sanierung muss es sein, die Schadstoffe aus dem Grundwasser und dem Boden zu entfernen und Schäden an Gewässern wie zum Beispiel der Pinnau abzuwehren.“