Pinneberg. Neuer Fund in der Innenstadt sei „gravierend“. Grenzwerte „siebzigtausendfach“ überschritten. Kreis soll nun das wahre Ausmaß klären.

Bei einer Bodenuntersuchung in Pinneberg ist eine gravierende Altlast entdeckt worden, die bereits das oberflächige Grundwasser erheblich verunreinigt hat. Dabei handelt es sich um leichtflüchtige Chlorierte Kohlenwasserstoffe (LCKW) sowie Tri- und Tetrachlorethen, deren Grenzwerte um das Siebzigtausendfache überschritten wurden – fast sechsmal so hoch wie der bisherige Höchstwert seinerzeit in Schenefeld.

„So hohe Werteüberschreitungen hat es bisher im Kreis Pinneberg noch nicht gegeben“, heißt es dazu von der Unteren Bodenschutzbehörde des Fachdienstes Umwelt der Kreisverwaltung. Diese Schadstoffe sind im Grundwasser praktisch nicht biologisch abbaubar und wirken akut toxisch, karzinogen und erbgutverändernd.

Giftstoffe in Pinnebergs Grundwasser entdeckt: Grenzwerte „siebzigtausendfach“ überschritten

Weder die Ursache dieser Bodenverunreinigung noch das genaue Ausmaß stehen fest. Darum will die Kreisverwaltung jetzt eine detaillierte Untersuchung in Auftrag geben, für die rund 200.000 Euro eingeplant sind. Denn, so die Bodenschutzexperten des Kreises: „Eine Gefahr für die Gesundheit, insbesondere der gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnisse, kann nicht ausgeschlossen werden.“

Pinnebergs Bürgermeister Thomas Voerste: „Eine so gravierende Verunreinigung des Bodens um das Siebzigtausendfache des Grenzwertes ist natürlich beunruhigend. Aber es ist keine unmittelbare Gefahr in Verzug. Wir müssen jetzt aber schnell herausfinden, woran es liegt.“
Pinnebergs Bürgermeister Thomas Voerste: „Eine so gravierende Verunreinigung des Bodens um das Siebzigtausendfache des Grenzwertes ist natürlich beunruhigend. Aber es ist keine unmittelbare Gefahr in Verzug. Wir müssen jetzt aber schnell herausfinden, woran es liegt.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Kreissprecherin Katja Wohlers betont aber: „Die Verunreinigungen stellen aktuell keine Gefährdung für die Bevölkerung dar.“ Und auch Pinnebergs Bürgermeister Thomas Voerste sagte dazu am Montag auf Nachfrage des Abendblatts: „Eine so gravierende Verunreinigung des Bodens um das Siebzigtausendfache des Grenzwertes ist natürlich beunruhigend. Aber es ist keine unmittelbare Gefahr in Verzug. Wir müssen jetzt aber schnell herausfinden, woran es liegt.“ Das soll jetzt mit dem Gutachten gelingen, das die Bodenschutzbehörde des Kreises in Auftrag geben soll.

Betroffen ist ein Gebiet östlich der Bahnhofstraße in der Innenstadt

Betroffen sei ein etwa 2,6 Hektar großer Bereich in der Pinneberger Innenstadt, östlich der Bahnhofstraße zwischen Damm und Fahltskamp, wo sich in der Nähe auch die Kreisberufsschule befindet. Erschwerend komme hinzu, dass dieser Bereich in unmittelbarer Nähe der Pinnau und des Wasserschutzgebietes „Peiner Weg“ liege, heißt es in der Beratungsvorlage des Umweltausschusses des Kreistages dazu.

„Untersuchungen haben ergeben, dass es zu erheblichen Einträgen von LCKW in den oberflächennahen Grundwasserleiter gekommen ist. Weitere Verunreinigungen des Gewässers Pinnau und eine Ausbreitung bis ins Wasserschutzgebiet ‚Peiner Weg‘ könnten nicht ausgeschlossen werden.“ Bei der festgestellten Verunreinigung handele sich also um eine Boden- und Grundwasserverunreinigung, erklärt Kreissprecherin Wohlers.

Der oder die Verursacher stehen noch nicht fest - frühere chemische Reinigung käme in Frage

Woher diese Schadstoffe im Boden und im Grundwasser kommen, ist unklar. Infrage kämen Betriebe, die Lösungs- und Reinigungsmittel verwendeten, wie etwa  Schlossereien oder andere metallverarbeitende Unternehmen, chemische Reinigungen, Hersteller von Farben und Lacken oder die Textilindustrie, sagt Katja Wohlers.

„Seit 1992 ist der Einsatz von Tetrachlorethen (Per) in chemischen Reinigungen nicht mehr zulässig beziehungsweise darf nur noch in geschlossenen Anlagen verwendet werden.“ Also heute nur noch in solchen Anlagen, die Kleidung nach dem Reinigen auch trocknen.

Die Schadstoffe können durch Beton nicht aufgehalten werden

Früher sei in größeren chemischen Reinigungen das Per-haltige Waschwasser in gemauerte Absetzbecken geleitet worden, erläutert die Kreissprecherin weiter. Dort trennte sich dann das Per wieder vom Waschwasser und setzte sich am Beckenboden ab. Wohlers: „Nach heutigen Kenntnissen können diese Stoffe auch durch Beton hindurchwandern.“

Auf der genannten Fläche in der Pinneberger Innenstadt, wo jetzt diese enorme Verunreinigung mit Schadstoffen festgestellt wurde, hätten sich in früheren Zeiten tatsächlich unter anderen chemische Reinigungen befunden, erklärt die Kreisverwaltung weiter. Mögliche Ursachen der Kontaminierung könnten sein, dass es in der Produktionsstätte zu Schadensfällen gekommen, Unfälle während des Transports aufgetreten, unsachgemäß mit CKW umgegangen oder diese unsachgemäß gelagert worden seien.

Diese Schritte zur Gefahrenabwehr sollen getroffen werden

„Derzeit sind der oder die Verursacher nicht bekannt“, teilt die Bodenschutzbehörde des Kreises Pinneberg mit. „Ob eine Heranziehung von Störern möglich sein wird, ist nicht absehbar.“ Zunächst solle nun im Zuge der Amtsermittlung der Schaden genau eingegrenzt und eine Gefährdungsabschätzung vorgenommen werden. Darum sei es nun „zur Gefahrenabwehr erforderlich“, verschiedene Schritte zur Eingrenzung des Schadens und Gefährdungsabschätzung durchzuführen.

Der Kreisumweltausschuss-Vorsitzende Mathias Schmitz (Grüne): „Das Zeug muss da raus. Da muss jetzt schnell gehandelt werden, das ist gar keine Frage. Diese hohen Werte dieser Schadstoffe sind wirklich bemerkenswert.“
Der Kreisumweltausschuss-Vorsitzende Mathias Schmitz (Grüne): „Das Zeug muss da raus. Da muss jetzt schnell gehandelt werden, das ist gar keine Frage. Diese hohen Werte dieser Schadstoffe sind wirklich bemerkenswert.“ © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Dazu gehöre, einen Gutachter zu beauftragen, der die vorhandenen Daten auswerte. Dann solle ein Untersuchungskonzept zur Erkundung der Ausbreitung der Schadstofffahne(n) entwickelt werden. Dies beinhalte die Errichtung weiterer Grundwassermessstellen und die Analytik der entnommenen Grundwasserproben. „Jede Phase der Maßnahme wird gutachterlich begleitet und einer Gefährdungsabschätzung unterzogen“, heißt es von der Kreisverwaltung. „Daraus wird hergeleitet, ob Sanierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen erforderlich werden.“

Kreisumwelt-Ausschussvorsitzender fordert rasches Handeln

Der Kreistagsabgeordnete Mathias Schmitz (Grüne), der auch dem Umweltausschuss vorsitzt, fordert ein rasches Vorgehen der zuständigen Behörden. „Das Zeug muss da raus. Da muss jetzt schnell gehandelt werden, das ist gar keine Frage. Diese hohen Werte dieser Schadstoffe sind wirklich bemerkenswert.“

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Dieser Fall erinnere ihn an die großen Altlasten im Kreis Pinneberg, die heute noch abgesichert werden müssten. Die frühere Sand- und Kiesgrube im Wasserschutzgebiet Halstenbek, die zwischen 1955 und 1965 mit Hausmüll, Industriemüll und Gewerbemüll verfüllt wurde. Dort war das Grundwasser mit Benzol und Chlorbenzolen verunreinigt. Seit 1997 wird diese Altlast hydraulisch gesichert, indem dass das verunreinigte Grundwasser abgepumpt und dann in den Schmutzwasserkanal der Stadt Schenefeld eingeleitet wurde. Seit 2002 sind dort Filteranlagen in Betrieb.

Die jetzt festgestellten Schadstoffwerte sind höher als damals in Schenefeld

Und am Swatten Weg in Schenefeld befindet sich eine Altlast, verursacht zwischen 1969 und 1984 durch eine chemische Reinigung. Die höchste Schadstoffkonzentration der LCKW im Grundwasser betrug 126 Milligramm/Liter und befand sich in einer Tiefe von zehn bis 15 Meter unter dem Gelände. Entdeckt wurde der Schaden im Jahr 2000. Dort muss seitdem das Grundwasser aufbereitet und gereinigt werden. Bisher wurden rechnerisch 650 Kilogramm LCKW aus dem Grundwasser entfernt, teilt die Bodenschutzbehörde mit. Die jetzt in Pinneberg entdeckten Schadstoffe haben eine Konzentration von bis 696 mg/l.

Die Verunreinigung in Pinneberg ist im Zuge des Bauleitverfahrens B-Plan 147 entdeckt worden, der über 20 Hektar die Innenstadt neu mit Gewerbe und Wohnbebauung überplanen soll. Das betroffene Gebiet mit der starken Verschmutzung werde nun aus dem Verfahren herausgelöst und nicht mit überplant, kündigt Bürgermeister Voerste an.