Uetersen/Itzehoe. Opfer wurde in Uetersen erschossen und der Tote in Kaltenkirchen beseitigt. Prozess endet vorzeitig. Wahre Täter sind auf der Flucht.

Der Prozess um einen rätselhaften Mord in Uetersen war schneller zu Ende als erwartet: Denn nach nur sechs von 13 angesetzten Terminen konnte der Angeklagte Qerim D. (18) das Landgericht Itzehoe als freier Mann verlassen. Die Richter werteten die Anklage wegen Totschlags als nicht haltbar. Das bestätigte am Dienstag Gerichtssprecherin Frederike Milhoffer.

Das Verfahren, das wegen des angeblichen Alters des Angeklagten zur Tatzeit komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, hatte am 20. August begonnen und sollte ursprünglich bis zum 27. November dauern.

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Letztlich brauchte die Jugendkammer unter dem Vorsitz von Dominik Groß nicht einmal die Hälfte der angesetzten Verhandlungstage, um den Angeklagten zu entlasten.

Qerim D., der seit Ende November vorigen Jahres in Untersuchungshaft saß, wurde nach dem Richterspruch aus der Haft entlassen. Er hatte gleich zu Beginn des Prozesses sein Geständnis, das er auf der Pinneberger Polizeiwache abgelegt hatte, widerrufen. Offenbar kam auch die Jugendkammer schnell zu dem Schluss, dass der aus Albanien stammende Angeklagte die Tat nicht begangen hat.

Angeklagter erschien auf Polizeiwache und gestand einen Mord

Am 25. November war Qerim D. auf der Wache in Pinneberg erschienen und hatte angegeben, einen Menschen getötet zu haben. Er führte die Beamten zur Holstentherme in Kaltenkirchen. Dort in der Nähe des Freibades in einem Wäldchen stießen die Ermittler auf die Leiche eines 27 Jahre alten Albaners.

Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass der Mann in den Räumen einer ehemaligen Shisha-Bar am Großen Sand in Uetersen mit einem Kopfschuss aus einer Kurzwaffe getötet worden und dessen Leiche im Anschluss zum Erlebnisbad transportiert worden war.

Landgericht Itzehoe
Qerim D. konnte das Landgericht Itzehoe nach Prozessende als freier Mann verlassen. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Und die Ermittler der Mordkommission fanden noch etwas anderes heraus. Sie äußerten bereits frühzeitig die Vermutung, dass der in Untersuchungshaft sitzende junge Mann nicht der wahre Täter, sondern nur ein Strohmann war. Stattdessen gerieten vier weitere, zum Großteil bereits polizeibekannte Männer ins Visier der Ermittler. Alle sind aktuell untergetaucht, befinden sich vermutlich im Ausland.

Trotz Zweifel klagte die Staatsanwaltschaft den jungen Mann wegen Totschlag an

Dennoch klagte die Staatsanwaltschaft den jungen Mann wegen Totschlags an – und legte ein Altersgutachten vor, wonach Qerim D. zur Tatzeit mindestens 18 Jahre alt gewesen sein soll. Das Gericht sah dies anders und hielt an den Angaben des jungen Mannes, zur Tatzeit minderjährig gewesen zu sein, fest. Daher fand der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Laut Informationen der Bild-Zeitung soll Qerim D. in der Shisha-Bar, in der sich das Tötungsdelikt ereignet hat, gearbeitet haben. Er wurde demnach als Strohmann vorgeschickt, weil er als Minderjähriger nur eine geringe Haftstrafe erhalten hätte. Für sein falsches Geständnis sollte die Familie des Mannes Geld bekommen. Dies ist offenbar nicht erfolgt, sodass Qerim D. sein Geständnis nun vor Gericht zurückzog.

Mordhaus von Uetersen?
Bis 2005 war hier, am Großen Sand 67, das legendäre Café Bowy. Seit 2017 beherbergt das Haus eine Shisha-Bar, in der im November 2023 der Mord geschah. © Michael Rahn | Michael Rahn

Er soll vor Gericht auch den Namen des wahren Täters genannt haben. Ob dies stimmt, wollen weder Gericht noch Staatsanwaltschaft bestätigen. „Die Ermittlungen gegen die weiteren Beschuldigten dauern an“, berichtet Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow am Dienstag auf Abendblatt-Anfrage.

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Ein 60 Jahre und ein 30 Jahre alter Mann, einer aus Hamburg, der andere aus Uetersen, gelten als weitere Haupttäter. Beide sollen sich in die Türkei abgesetzt haben. Die Folie, in die die Leiche eingewickelt war, soll die Beamten auf die Spur der Männer gebracht haben.

Auch gegen zwei weitere Mitbeschuldigte wird ermittelt. Ende Januar hatten 130 Polizeibeamte zehn Objekte in Uetersen, Schenefeld, Hamburg und Bremen durchsucht. Dabei wurde unter anderem in Uetersen eine professionelle Hanfplantage mit 120 Pflanzen entdeckt – und zwar im Obergeschoss jener Shisha-Bar, in deren Erdgeschoss der 27 Jahre alte Albaner getötet wurde.

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Bei dem Tatort handelt es sich um das einstige Szene-Lokal Café Bowy, das sich bis 2005 in den Räumen befand. Einer der Tatverdächtigen, ein 30 Jahre alter Uetersener, ist laut Abendblatt-Informationen wegen einer weiteren, im Kreis Pinneberg verübten Bluttat vorbestraft.

Es soll sich um Ferhat K. (30) handeln – den Mann, der am 19. April 2015 vor der Schenefelder Kult-Disco „Ebert`s“ zwei Männer mit Schüssen aus einer halbautomatischen Ceska niedergestreckt hatte.