Uetersen/Itzehoe. Obwohl die Staatsanwaltschaft eine öffentliche Anklage erhoben hat, wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Das ist der Grund.
Knapp neun Monate nach dem rätselhaften Leichenfund an der Holstentherme in Kaltenkirchen muss sich einer der mutmaßlichen Täter vor dem Landgericht Itzehoe verantworten. Am Dienstag beginnt vor der Dritten Jugendkammer das Verfahren gegen Qerim D., der wegen Totschlags angeklagt ist. Vor Prozessbeginn gibt es unterschiedliche Meinungen zum Alter des Angeklagten.
Qerim D., der am 25. November auf der Polizeiwache in Pinneberg erschienen war und die Beamten zu der Leiche geführt hatte, stammt nach eigenen Angaben aus Albanien und will 17 Jahre alt sein. Überprüfbar ist das nicht. „Wir haben ein Altersgutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Schluss kommt, das der Beschuldigte zur Tatzeit mindestens 18 Jahre alt war“, so Oberstaatsanwalt Müller-Rakow weiter.
Prozess um Leiche an der Holstentherme: Gericht setzt 13 Prozesstage an
Die Ermittlungsbehörde hat den jungen Mann folgerichtig als Heranwachsenden angeklagt, sodass die Öffentlichkeit im Prozess zugelassen wäre. Doch das Landgericht sieht das anders.
Laut dem Gerichtssprecher Timo Fuchs wird das Verfahren „nach aktuellem Stand nicht öffentlich verhandelt werden, da der Angeklagte zur Tatzeit möglicherweise noch Jugendlicher war.“ In diesem Fall wären weder Zuschauer noch Pressevertreter zugelassen.
Laut dem Gerichtssprecher hat die Kammer 13 Prozesstermine anberaumt. Ein Urteil könnte, wenn es bei diesem Zeitplan bleibt, Ende November fallen. Qerim D. droht nach Jugendstrafrecht eine Höchststrafe von zehn Jahren.
Ihm wird in der Anklage vorgeworfen, einen 27 Jahre alten Albaner in den Räumen einer ehemaligen Sisha-Bar am Großen Sand in Uetersen mit einem Kopfschuss aus einer Kurzwaffe getötet zu haben. Die Leiche wurde dann zum Freizeitbad nach Kaltenkirchen transportiert und dort in der Nähe des Freibades in einem Wäldchen deponiert. Motiv für die Tat soll ein Streit um Drogengeschäfte gewesen sein.
Qerim D. hatte die Tat auf der Polizeiwache gestanden und sitzt seitdem in der Jugendhaftanstalt Schleswig. Später soll er keine Angaben mehr gemacht haben. Müller-Rakow: „Wir haben das Geständnis durch umfangreiche Ermittlungen am Tatort und durch die Auswertung von Spurenträgern verifiziert.“
Anklagebehörde ist überzeugt: Aussage des Tatverdächtigen bei der Polizei ist stimmig
Daher gehe die Anklagebehörde davon aus, dass die Angaben des jungen Mannes stimmig sind. Die Ermittlungsbehörde sei nach wie vor davon überzeugt, dass weitere Personen an der Tötung des 27-Jährigen beteiligt waren.
Ein 60 Jahre und ein 30 Jahre alter Mann, einer aus Hamburg, der andere aus Uetersen, gelten als weitere Haupttäter. Beide sollen sich in die Türkei abgesetzt haben. Die Folie, in die die Leiche eingewickelt war, soll die Beamten auf die Spur der Männer gebracht haben.
Kopfschuss in Uetersen: Ermittlungen gegen vier mögliche Mittäter
Auch gegen zwei weitere Mitbeschuldigte wird ermittelt. Ende Januar hatten 130 Polizeibeamte zehn Objekte in Uetersen, Schenefeld, Hamburg und Bremen durchsucht. Dabei wurde unter anderem in Uetersen eine professionelle Hanfplantage mit 120 Pflanzen entdeckt – und zwar im Obergeschoss jener Sisha-Bar, in deren Erdgeschoss der 27 Jahre alte Albaner getötet wurde.
Bei dem Tatort handelt es sich um das einstige Szene-Lokal Café Bowy, das sich bis 2005 in den Räumen befand. Zuletzt machte die Lokalität als Sisha-Bar Negativschlagzeilen. Unter dem Namen Hayat-Lounge 2017 eröffnet, stürmten im März des Jahres 25 bis 30 „südländisch aussehende Männer“ das Etablissement und verwüsteten es.
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Einer der Tatverdächtigen, ein 30 Jahre alter Uetersener, ist laut Abendblatt-Informationen wegen einer weiteren, im Kreis Pinneberg verübten Bluttat vorbestraft. Es soll sich um Ferhat K. (30) handeln – den Mann, der am 19. April 2015 vor der Schenefelder Kult-Disco „Ebert`s“ zwei Männer mit Schüssen aus einer halbautomatischen Ceska niedergestreckt hatte.
Das damalige Hauptopfer, Armin B., soll die Verlobte von Ferhat K. „angebaggert“ haben. Ferhat K. schoss ihm im Eingangsbereich der Disco mit der Ceska in den Unterleib, das Opfer erlitt einen schmerzhaften Penis-Durchschuss. Eine weitere Kugel traf einen unbeteiligten Mann im Schienbein.
Schüsse vor dem „Ebert`s“: Ferhat K. wurde 2016 zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt
Das Landgericht Itzehoe schickte den damals 23-Jährigen am 15. Juli 2016 wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und illegalen Waffenbesitzes für fünfeinhalb Jahre hinter Gitter. Der heute 30-Jährige scheiterte mit der Anfechtung des Urteils. Er soll nach Abendblatt-Informationen einen Großteil der Strafe abgesessen und dann nach Uetersen zurückgekehrt sein.
Ende 2022 gründete er unter seinem Namen eine Firma für Bau- und Dienstleistungen, die erlaubnisfreie Baudienstleistungen, aber auch Autohandel und -vermietung sowie Transport- und Logistikleistungen anbietet. Bei der jetzigen Tat, an der Ferhat K. beteiligt gewesen sein soll, stand er noch unter Bewährung. Ob er jemals nach Deutschland zurückkehrt, erscheint angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe als zweifelhaft.