Uetersen/Kaltenkirchen. Staatsanwaltschaft klagt Albaner wegen Totschlags an. Er soll aber nicht alleine gehandelt haben und älter sein als zunächst angegeben.

Knapp sechs Monate nach dem rätselhaften Leichenfund an der Holstentherme in Kaltenkirchen hat die Staatsanwaltschaft Itzehoe Anklage gegen einen der mutmaßlichen Täter erhoben. „Wir werfen dem Beschuldigten vor, das Opfer in einer Gaststätte in Uetersen durch einen Schuss aus einer Kurzwaffe getötet zu haben“, so Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow.

Wie berichtet, war am 25. November vorigen Jahres um 2.41 Uhr in unmittelbarer Nähe zur Holstentherme die Leiche eines 27 Jahre alten Albaners gefunden worden, der mit einem Kopfschuss hingerichtet worden war.

Anklage nach Leichenfund am Sauna-Paradies: Mutmaßlicher Täter führt Ermittler zum Fundort

Der Tipp zum Fundort kam vom vermeintlichen Täter selbst: Ein 17-jähriger Heranwachsender aus Albanien namens Qerim D. hatte sich zuvor auf der Polizeiwache in Pinneberg gemeldet und dort den Mord gestanden.

Gegen diesen jungen Mann, der seit seinem Geständnis in Untersuchungshaft sitzt, richtet sich nun die Anklage. „Der Vorwurf lautet auf Totschlag“, bestätigt der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Gegen den Beschuldigten liege ein „hinreichender Tatverdacht“ vor.

Umfangreiche Ermittlungen haben das Geständnis des jungen Mannes bestätigt

Müller-Rakow: „Wir haben das Geständnis durch umfangreiche Ermittlungen am Tatort und durch die Auswertung von Spurenträgern verifiziert.“ Daher gehe die Anklagebehörde davon aus, dass die Angaben des jungen Mannes durchaus stimmig sind.

Hinter der Holstentherme im Bereich des Freibades wurde die Leiche entdeckt.. 
Hinter der Holstentherme im Bereich des Freibades wurde die Leiche entdeckt..  © Florian Sprenger - Westküsten-News | Westküsten-News

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft macht allerdings auch keinen Hehl daraus, dass „Ermittlungen gegen mehrere weitere Beschuldigte“ noch laufen würden. „Es geht um die Frage, ob und wenn ja, in welcher Form diese Personen an der Tat beteiligt gewesen sind.“

Zwei weitere, mutmaßliche Mittäter haben sich in die Türkei abgesetzt

Wie vom Abendblatt berichtet, sollen ein 60 Jahre und ein 30 Jahre alter Mann, einer aus Hamburg, der andere aus Uetersen, als weitere Haupttäter gelten. Beide sollen sich in die Türkei abgesetzt haben. Motiv für die Tat soll ein Streit um Drogengeschäfte gewesen sein. Die Folie, in die die Leiche eingewickelt war, soll die Beamten auf die Spur der Männer gebracht haben. Auch gegen zwei weitere Mitbeschuldigte werde ermittelt.

Ende Januar hatten 130 Polizeibeamte zehn Objekte in Uetersen, Schenefeld, Hamburg und Bremen durchsucht. Dabei wurde unter anderem in Uetersen eine professionelle Hanfplantage mit 120 Pflanzen entdeckt.

In diesem gelb-grau gestrichenen Haus am Großen Sand in Uetersen wurde im November 2023 die Bluttat verübt und eine Hanfplantage betrieben. Bis 2005 war hier, am Großen Sand 67, das legendäre Café Bowy. Seit 2017 beherbergt das Haus eine mittlerweile geschlossene Shisha-Bar.
In diesem gelb-grau gestrichenen Haus am Großen Sand in Uetersen wurde im November 2023 die Bluttat verübt und eine Hanfplantage betrieben. Bis 2005 war hier, am Großen Sand 67, das legendäre Café Bowy. Seit 2017 beherbergt das Haus eine mittlerweile geschlossene Shisha-Bar. © Michael Rahn | Michael Rahn

Ein Durchsuchungsobjekt war eine mittlerweile geschlossene Sisha-Bar an der Straße Großer Sand in Uetersen. Dort befand sich im Obergeschoss die Hanfplantage – und dort entdeckten die Ermittler Blutspuren, die vom Toten stammen. Diese Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass der 27-Jährige in der Sisha-Bar erschossen und anschließend von den Tätern zum Ablageort nach Kaltenkirchen gebracht worden ist.

Bei dem Tatort handelt es sich um das einstige Szene-Lokal Café Bowy, das sich bis 2005 in den Räumen befand., Zuletzt machte die Lokalität als Sisha-Bar Negativschlagzeilen. Unter dem Namen Hayat-Lounge 2017 eröffnet, stürmten im März des Jahres 25 bis 30 „südländisch aussehende Männer“ das Etablissement und verwüsteten es.

Einer der mutmaßlichen Täter wurde bereits für eine Bluttat in Schenefeld verurteilt

Einer der Tatverdächtigen, ein 30 Jahre alter Uetersener, ist laut Abendblatt-Informationen wegen einer weiteren, im Kreis Pinneberg verübten Bluttat vorbestraft. Es soll sich um Ferhat K. (30) handeln – den Mann, der am 19. April 2015 vor der Schenefelder Kult-Disco Ebert`s zwei Männer mit Schüssen aus einer halbautomatischen Ceska niedergestreckt hatte.

Der Angeklagte Ferhat K. im Juli 2016 im Saal des Landgerichts Itzehoe. Neben ihm  sein damaliger Verteidiger Andreas Thiel.
Der Angeklagte Ferhat K. im Juli 2016 im Saal des Landgerichts Itzehoe. Neben ihm sein damaliger Verteidiger Andreas Thiel. © HA

Das damalige Hauptopfer, Armin B., soll die Verlobte von Ferhat K. „angebaggert“ haben. Ferhat K. schoss ihm im Eingangsbereich der Disco mit einer halbautomatischen Ceska in den Unterleib, das Opfer erlitt einen schmerzhaften Penis-Durchschuss. Eine weitere Kugel traf einen unbeteiligten Mann im Schienbein.

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Das Landgericht Itzehoe schickte den damals 23-Jährigen am 15. Juli 2016 wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und illegalen Waffenbesitzes für fünfeinhalb Jahre hinter Gitter. Er saß einen Teil der Strafe ab, kam dann auf Bewährung frei. Bei der jetzigen Tat, an der Ferhat K. beteiligt gewesen sein soll, stand er noch unter laufender Bewährung.

Der jetzt angeklagte Qerim D. war nach eigenen Angaben zur Tatzeit 17 Jahre alt. Diese Angabe bezweifelt die Staatsanwaltschaft. „Wir haben ein Altersgutachten in Auftrag gegeben, das zu dem Schluss kommt, das der Beschuldigte zur Tatzeit mindestens 18 Jahre alt war“, so Oberstaatsanwalt Müller-Rakow weiter.

Anklage nach Leichenfund: Öffentlicher Prozess ist dank Altersgutachten möglich

Die Anklage sei zur Jugendschwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe erfolgt. Sollten die Richter dem Altersgutachten folgen und den Angeklagten für volljährig erklären, könnte der Prozess öffentlich stattfinden. Im Fall eines minderjährigen Täters wäre die Öffentlichkeit für den gesamten Prozessverlauf ausgeschlossen. Zur Anwendung kommt dennoch vermutlich das Jugenstrafrecht.