Pinneberg. Vor dem Arbeitsgericht hatte die in der Schule beliebte Vertretungskraft gegen ihre Entlassung geklagt – mit überraschendem Ergebnis.

Überraschende Wende in der Auseinandersetzung um eine gekündigte Vertretungslehrerin an der Helene-Lange-Schule in Pinneberg. Monatelang hatten Kollegen, Eltern und zuletzt auch die Kinder vergebens für eine Weiterbeschäftigung der beliebten Quereinsteigerin gekämpft. Denn wie berichtet, sollte sie nach fünf Jahren nicht weiterbeschäftigt und in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. „Unfassbar“, hieß es aus dem Kollegium. Doch nun erhielt Annika Dockhorn überraschend Unterstützung von juristischer Seite. Das Arbeitsgericht in Elmshorn hat zu ihren Gunsten geurteilt.

Noch sei für die 46 Jahre alte Pinnebergerin, die im Kollegium und bei den Kindern sehr geachtet ist, ungewiss, ob sie sich wirklich ganzen Herzens freuen kann. Denn das Bildungsministerium, vertreten vor Gericht durch den Referatsleiter für Prozesse, Michael Scholz, kann das Urteil anfechten und in die nächste Instanz gehen. Das hatten der Anwalt und der Referatsleiter in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichtes auch angedeutet.

Ministerium kündigt Quereinsteigerin: Beliebte Lehrkraft bangt vor langem Gerichtsprozess

Das bedeutet, dass Annika Dockhorn mindestens noch einen weiteren Monat nach Zustellung des Urteils bangen muss, ob das Verfahren fortgeführt wird. Theoretisch dürfte sie in dieser Zeit an die Schule zurückkehren. Dort ist auch dringender Handlungsbedarf, denn mindestens zwei ganztags tätige Lehrerinnen fehlen. Doch was macht das mit den Kindern, wenn sie dann, nach einem anderen Urteil in der nächsthöheren Instanz, wieder gehen muss?

Demo für geschasste Lehrerin in Pinneberg
Sie organisierten eine Demonstration vor dem Kreiskulturzentrum Drostei in Pinneberg, damit Annika Dockhorn wieder an der Helene-Lange-Schule unterrichten darf. © Raslanas | Raslanas

Und noch etwas macht die Angelegenheit kompliziert: Ohne Job steht die 46-Jährige finanziell auf schwachen Beinen. Doch jetzt könnte sich die Lage zum Guten wenden. Die von der gerichtlichen Auseinandersetzung betroffene Lehrkraft äußert sich weder rechthaberisch noch stolz über den ersten Erfolg vor Gericht. Es sei nie ihr Anliegen gewesen, sich mit ihrem Arbeitgeber zu überwerfen. Sie sagt: „Ich möchte eine gute und konstruktive Lösung für alle Beteiligten herbeiführen.“

Eltern hoffen auf „eine konstruktive Lösung“ im Interesse der Kinder

Auf einen gemeinsamen Weg, ohne weiter vor Gericht zu streiten, hofft auch Elternsprecherin Nicole Raslanas. Sie hatte vor Kurzem sogar eine Demonstration in Pinneberg organisiert und eine Petition gestartet. Die Elternvertreterin sagt: „Es muss mit dem Blick auf die Kinder eine konstruktive Lösung mit dem Ministerium gefunden werden, mit dem alle Seiten leben können.“

Demo für geschasste Lehrerin in Pinneberg
Vor dem Kreiskulturzentrum Drostei in Pinneberg hatten Erwachsene und Kinder ihre Argumente für eine Weiterbeschäftigung der Quereinsteigerin öffentlich gemacht. © Raslanas | Raslanas

Zum Hintergrund: Bislang versucht das Land Schleswig-Holstein, die an allen Ecken und Enden im Bildungssystem tätigen Vertretungslehrkräfte spätestens nach fünf Jahren wieder aus dem Schulsystem zu entlassen. Sowohl Bildungsministerin Karin Prien (CDU) als auch der bildungspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Martin Balasus, verweisen darauf, dass dauerhaft beschäftigte Lehrkräfte zumindest ein Hochschulstudium nachweisen müssen.

Bildungspolitiker streiten um Status der Vertretungskräfte

Prien hatte sich bei ihrer öffentlichen Rede zum Schuljahresbeginn sogar direkt zum Pinneberg Fall geäußert und betont, dass eine gelernte Bankkauffrau wie Annika Dockhorn niemals dauerhaft in Schleswig-Holstein Lehrerin werde. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Martin Habersaat und andere hatten widersprochen und darauf verwiesen, dass es absurd sei, wenn versierte Vertretungskräfte gehen müssen, während in den Schulen Klassen zusammengelegt werden, weil niemand sie unterrichten könne.

Tatsächlich ist Annika Dockhorn ausgebildete Bankkauffrau. Sie hat zehn Jahre in der Branche gearbeitet, zuletzt als Anlagenberaterin. Doch Kinder stark fürs Leben zu machen, hielt sie für eine wichtigere Lebensaufgabe. So stieg die Bankerin erst als Vertretungskraft für Mathematik an der Grundschule ein. Gleichzeitig bildete sie sich als Lerntherapeutin fort. Zuletzt führte sie eine erste Klasse und motivierte viele Kinder zum begeisterten Lernen, wie Eltern erzählen.

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Längst war sie an der Schule nicht nur in ihrem Fach Mathematik tätig, sondern unterrichtete auch Englisch, Deutsch als Zweitsprache, Religion und überall dort, wo jemand fehlt. Das wussten aber weder der Anwalt noch der Referatsleiter, die das Land vorm Arbeitsgericht vertraten. Und auch das Argument, dass das Land laut Schulgesetz Paragraf 34 nur studierte Kräfte dauerhaft als Pädagogen beschäftigen dürfe, widerlegte die Richterin. Das sei eine Soll-Bestimmung.

Im gleichen Paragrafen heißt es wörtlich: „In Ausnahmefällen können Personen mit anderen Befähigungen als Lehrkräfte eingesetzt werden.“