Appen. Mit Verspätung geht es nach den Sommerferien los. Noch wird renoviert. So sieht das innovative Lernkonzept im alten Kindergarten aus.
Yola ist das spanische Wort für Jolle. In Appen sollen Kinder ab dem 2. September sinngemäß mit ihrem kleinen Segelschiff ablegen und auf ihre eigene, große Bildungsreise gehen. Im ehemaligen Sankt-Johannes-Kindergarten in der Straße Opn Bouhlen nimmt die Freie Schule mit dem Namen Yola Fahrt auf – und wählt dabei einen Kurs der Individualität.
Es gibt keine Noten, keinen Frontal-Unterricht – gelernt wird gemeinsam, auch über Altersgrenzen hinweg ohne Klassenverbund. Im vergangenen Jahr konnte die Schulleitung um die Hamburgerinnen Nina Adebahr (41) und Carmen Mrozek (54) den ursprünglichen Starttermin nicht einhalten. Grund dafür: Zu viele Renovierungsarbeiten, zu wenig Zeit und eine Finanzierungslücke von 60.000 Euro.
Appener Yola-Schule: 23 Schulkinder starten – Räume noch nicht bezugsfertig
Sofort „schockverliebt“ seien Adebahr und Mrozek in den ehemaligen, seit mittlerweile drei Jahren ungenutzten Kindergarten des Kirchenträgers gewesen. Knapp zwei Monate vor dem Schulstart der freien, demokratischen Schule in Appen in diesem Jahr sieht es allerdings nach wie vor nach vielen, weiteren Arbeitsstunden für die Renovierung aus.
Bisher 23 angemeldete Schulkinder der Klassenstufen 1 bis 5, also im Alter zwischen 6 und 11 Jahren, sollen von Anfang September an durch den gut 950 Quadratmeter großen Gebäudekomplex und den weitläufigen Garten wirbeln können.
Der Plan ist, mit 29 Kindern zu starten. Das Schulgeld beträgt 210 Euro monatlich pro Kind, plus Materialkosten. Die Kinder der Yola-Eltern wohnen beispielsweise in Hamburg, Pinneberg oder Henstedt-Ulzburg. Einige Familien hätten zudem eigens wegen der Yola-Schule ihren Wohnort von Leipzig, Halle oder dem nordrhein-westfälischen Raum komplett in den Norden verlegt.
An der Yola-Schule wird auch die Vorbereitung auf den ESA (Erster allgemeinbildender Schulabschluss) nach dem 9. Schuljahr und den MSA (Mittlerer Schulabschluss), nach dem 10. Schuljahr, möglich sein. Die Prüfungen selbst erfolgen dann extern.
Freie, demokratische Schule in Appen – insgesamt zehn „Lernbegleiter“ tätig
Das Team um die als „Lernbegleiter“ bezeichneten Lehrer umfasst zehn Personen, die einzigen beiden Vollzeitkräfte sind Mrozek und Adebahr. Teilzeitkräfte unterstützen tageweise, auch Honorarkräfte unterstützen die Kinder. Bewerbungen von Bundesfreiwilligendienstleistenden (Bufdi) seien gern gesehen.
Die Fußbodenheizung ist verlegt, das eingelagerte Mobiliar wird auf den jetzt gut 320 Quadratmeter genutzten Räumlichkeiten aufgestellt, sobald der Fußbodenbelag überall verlegt ist. Noch sind alle Räumlichkeiten kahl. Es gibt eine Bauleitung. Handwerker, Elektriker und weitere helfende Hände packen an, um rechtzeitig fertig zu werden.
Startkapital von gut 100.000 Euro für die Privatschule Yola
Zunächst werden laut Schulgründerinnen erst ein Teil der Räume hergerichtet, dafür stehe die Finanzierung mit einem Startkapital von gut 100.000 Euro, neben Spenden und Schenkungsgemeinschaften auch über einen Kredit der GLS-Bank gestemmt.
Weitere Räume kämen dann in der Zukunft sukzessive dazu. In den ersten beiden Jahren ihres Bestehens sind freie Schulen von Fördertöpfen für die Bildung in Schleswig-Holstein ausgeschlossen. Erst danach können sie vom Land unterstützt werden.
Räume fürs Lernen, Ruhe, Musik, Kunst und Bewegungen werden eingerichtet
„Es werden jetzt Interessensräume, ein Ruheraum, sowie ein Musik- und ein Bewegungsraum eingerichtet. Es gibt an der Yola-Schule keinen klassischen Unterricht. Die Kinder sollen interessengeleitet aus Eigenantrieb nach ihrem eigenen Lernwillen begleitet werden. Die Kinder entscheiden selbst, was sie lernen möchten“, sagt die Sozialpädagogin Mrozek, deren beiden eigenen Kinder gerade am Abitur feilen.
Lernmaterial für das Lesen, Schreiben, Rechnen und die englische Sprache liegen bereit. Die Motivation zum Lernen soll aber aus den Kindern selbst heraus entstehen. Schulnoten werden auch nicht vergeben. „Die Kinder erkennen, dass sie Dinge lernen sollten, um sich dadurch die Welt auch besser erschließen zu können. Sie möchten ja auch früher oder später Teil der Gesellschaft sein“, erklärt die zweifache Mutter Adebahr. Beispielsweise sei das Rechnen für den Umgang mit Geld wichtig.
Ihre beiden Kinder, Jasper (8) und Frida (5), gehen nach den Sommerferien ebenfalls auf die Yola-Schule. Hauptberuflich war Adebahr zuvor 17 Jahre in Wedel bei Medac als Bürokauffrau tätig war.
Yola-Projekte mit Schnecken, Solar-Autos oder einen Fahrrad-Aufzug sind geplant
„Die Kinder haben schon jetzt tolle Ideen für Projekte. Im Garten gibt es viele Weinbergschnecken. Also wird es definitiv ein Schnecken-Projekt geben. Ein anderes Kind möchte eine Achterbahn auf dem Dach bauen. Das könnte schwierig werden. Aber dafür ist der Bau eines großen Solar-Autos angedacht oder es soll ein mit dem Fahrrad betriebener Aufzug für ein Baumhaus konstruiert werden“, so die 54-jährige Mrozek.
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Das pädagogische Konzept ist vom Bildungsministerium des Landes Schleswig-Holstein abgesegnet worden, der Erbpachtvertrag für das Grundstück mit dem Besitzer, der evangelischen Kirche, läuft. Bis zur Eröffnung sollen auch die letzten amtlichen Genehmigungen, etwa zum Thema Brandschutz, für den erlaubten Schulbetrieb vorliegen.
Zwei Monate Zeit bis zum Schulstart – Appener Yola-Schule hat viel vor
Der Baufortschritt werde ohnehin regelmäßig amtlich geprüft. Im großen Bewegungsraum, der in seiner Form an ein Stoppschild erinnert, sei es etwa noch viel zu hallig, berichtet der Vorstand während des Rundgangs. Eine geräuschärmere Akkustik mit neuer Deckenverkleidung werde noch in Angriff genommen. Auch die Toiletten und Wasserleitungen mussten beispielsweise saniert werden.
Perspektivisch soll in der Yola-Schule auch in einem Raum ein „Kulturportal“ entstehen, mit einer Partnerschule auf demselben geografischen Längengrad wie Appen. Mit Videoschalten, die im Partnerland gesprochene Sprache könnten die Schüler so leichter lernen und es könnten gemeinsam Projekte initiiert werden, sprudelt es aus Adebahr und Mrozek heraus. Auch ein PC-Raum für die „medienoffene Schule“, die halbtags praktiziert, soll noch kommen.
Co-Working-Space in Appener Yola-Schule geplant
Dazu eine Küche, ein schöner Ankunfts- und Aufenthaltsbereich für die Eltern, oder auch eine Gelegenheit für sie, einen Raum als Co-Working-Space nutzen können. Dann könnten sie arbeiten, während sie auf die Kinder warten – oder für die Eingewöhnung vor Ort bleiben.
Zudem sollen sich auch Projekte über das angrenzende Gemeindehaus in Appen ergeben – oder auch mit dem Naturschutzbund Nabu. Die ersten losen Gespräche laufen bereits. Der Garten mit Obstbäumen und Kastanien grenzt schließlich direkt an ein Naturschutzgebiet.
Weitere Informationen: https://www.yola.schule