Kreis Pinneberg. Starker Anstieg in zehn Jahren: Integration funktioniere auch mit digitalen Lösungen. Doch bei der Abweisung soll nun Kiel helfen.
Der Kreis Pinneberg steht vor der Herausforderung, eine stetig wachsende Zahl von geflüchteten Menschen und Migranten zu integrieren. In einer Zeit, in der Migration ein Dauerthema in der öffentlichen Diskussion ist, setzt der Kreis einerseits auf eine Willkommenskultur, die das Ankommen erleichtern soll. Zumal diese Politik nach Aussagen der Verantwortlichen auch Erfolge zeigt. Andererseits bleibt die Abschiebeproblematik für Menschen ohne Bleibeperspektive vor dem Hintergrund überlasteter Ämter. Deshalb will Landrätin Elfi Heesch mit ihren Landratskollegen das Abschieben zur Ländersache machen.
Kreispräsident Helmuth Ahrens betont aber zunächst die ausgeprägte Willkommenskultur im Kreis: „Das Gefühl, willkommen zu sein, verschafft Sicherheit, macht offen und ist sozusagen die Eintrittskarte in eine Gemeinschaft.“ Er unterstreicht, dass diese Herangehensweise die Grundvoraussetzung für erfolgreiche Zuwanderung und Integration sei.
Integration von Migranten: Rund 64.000 Menschen im Kreis haben eine Einwanderungsgeschichte
Migration, führt Ahrens aus, sei eine Realität, die den Kreis Pinneberg seit langem präge. „Menschen kommen zu uns. Viele von ihnen bleiben bei uns.“ Rund 64.000 Menschen im Kreis haben eine Einwanderungsgeschichte, was etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Mehr als 50.000 Einwohner des Kreises besitzen einen ausländischen Pass – eine Zahl, die sich seit 2014 (26.000) fast verdoppelt hat.
Neben klassischen Asylbewerbern ist die Zahl der Geflüchteten auch durch den Ukraine-Krieg angestiegen. Seit Frühjahr 2022 haben rund 4200 Menschen aus der Ukraine im Kreis Pinneberg Zuflucht gesucht, was die Kommunen vor Herausforderungen stellt. Robert Schwerin, Fachbereichsleiter für Bevölkerungsschutz, Zuwanderung und Gesundheit im Kreis: „Es geht um fehlenden Wohnraum, zu wenige Sprachlernangebote, Plätze in Integrationskursen, in Kitas oder auch um Integration in den Arbeitsmarkt.“
Integration im Kreis Pinneberg: 836 Einbürgerungen in 2023 sprechen für eine Erfolgsgeschichte
Trotz dieser Schwierigkeiten hebt Schwerin auch die positiven Seiten hervor: „Mir ist wichtig, dass wir Integration als Erfolgsgeschichte erzählen.“ Er verweist darauf, dass Integration in den meisten Fällen gelinge – nicht zuletzt dank der Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure. Ein Beispiel für den Erfolg der Integrationsarbeit im Kreis Pinneberg sei die steigende Zahl an Einbürgerungen.
Im Jahr 2022 erhielten 655 Menschen im Kreis die deutsche Staatsbürgerschaft, 2023 waren es bereits 836. Diese Entwicklung wurde durch das reformierte Staatsangehörigkeitsgesetz begünstigt, das Einbürgerungskriterien erleichtert hat. So wurden unter anderem die erforderliche Aufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre verkürzt und die Möglichkeit zur Mehrstaatigkeit eingeführt.
Integrationshilfe: Kreis Pinneberg arbeitet mit der neuen App „Integreat“
Der Weg zur Einbürgerung ist eng mit Integration verknüpft. „Angebote zur Integration gibt es viele, oft sind diese aber nicht bekannt“, betont Robert Schwerin. Um Abhilfe zu schaffen, setze der Kreis Pinneberg verstärkt auf digitale Lösungen. Eine neu entwickelte App namens „Integreat“ soll in verschiedenen Herkunftssprachen den Zugang zu Informationen erleichtern.
Auch die Digitalisierung der Verwaltung schreitet voran. So können im Kreis Pinneberg mittlerweile verschiedene Aufenthaltstitel und auch die Einbürgerung online beantragt werden. Ein besonderes Feature des Einbürgerungsantrags ist der „Quick-Check“, bei dem Interessierte vorab prüfen können, ob sie die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen.
Abschiebungspolitik: Kreise sehen sich in den Ausländerbehörden überlastet
Doch trotz aller Erfolge in der Integrationsarbeit bleibt ein zentrales Problem bestehen: die Abschiebung von Personen ohne Bleibeperspektive. Hierzu gibt es eine Diskussion auf Landesebene, ob die Zuständigkeit für Abschiebungen von den Kreisen auf das Land Schleswig-Holstein übertragen werden solle.
Der schleswig-holsteinische Landkreistag hat nun einen entsprechenden Vorstoß unternommen. Die Ausländerbehörden in den Kreisen seien überlastet, so die einhellige Meinung der Landräte. „Wir müssen eingestehen, dass die Ausländerbehörden der Kreise auch in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein werden, Abschiebungszahlen signifikant zu erhöhen“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Landrätin zum Abschiebeprozess: „Das Land hat ganz andere Möglichkeiten“
Elfi Heesch, Landrätin des Kreises Pinneberg, betont in dem Zusammenhang, dass das Land deutlich mehr Möglichkeiten habe, Abschiebungen effizient umzusetzen: „Das beginnt bei der Fachkräftegewinnung, dem Zugriff auf die Landespolizei, der Hoheit über Erstaufnahmeeinrichtungen und der Verteilungspraxis oder der Möglichkeit, auf rechtliche Rahmenbedingungen Einfluss zu nehmen.“
Aus Sicht der Kreise sei auch wichtig, dass Personen ohne Bleibeperspektive gar nicht erst auf Kommunen verteilt würden. Stattdessen sollten Rückführungen zentral organisiert und umgesetzt werden. Dies würde den Druck auf die Kreise erheblich reduzieren und die Ausländerbehörden entlasten, sodass diese sich auf die Aufgaben der Integration und Einbürgerung konzentrieren könnten.
Kreis Pinneberg: „Integration ist weiterhin gesetzlicher Auftrag und funktioniert überwiegend“
Für den Kreis Pinneberg stellt die Diskussion um die Zuständigkeiten bei Abschiebungen nur einen Teil der Herausforderungen im Umgang mit Zuwanderung dar. Trotz bestehender Schwierigkeiten wird die Willkommenspolitik im Kreis als wichtiger Erfolgsfaktor gesehen, um sozialen Zusammenhalt zu stärken und Zugewanderten eine langfristige Perspektive zu bieten.
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Wie Robert Schwerin betont: „Integration ist weiterhin gesetzlicher Auftrag und funktioniert überwiegend – auch weil alle am Prozess Beteiligten ihren Teil dazu beitragen.“
Weitere Informationen rund um Zuwanderung und Integration gibt es auf der Website des Kreises unter www.kreis-pinneberg.de/Ausländerbehörde.html