Kreis Pinneberg. 2023 haben so viele Menschen wie noch nie im Kreis Pinneberg die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. Diese Hürden mussten sie nehmen.

Für Sabine Kählert ist das Heimathaus im Ortsteil Esingen ein Lieblingsort. Die Tornescher Bürgermeisterin genießt gern den Bauerngarten, das rote Backsteingebäude mit dem gemütlichen Reetdach und seiner fast 250 Jahre alten Geschichte. Deshalb war es für die Verwaltungschefin genau der richtige Platz im Kreis Pinneberg, um mit den Menschen zu feiern, für die Deutschland eine zweite Heimat werden soll.

836 Frauen, Männer und Kinder sind im vorigen Jahr eingebürgert worden – so viele, wie noch nie im Kreis Pinneberg. Für viele von ihnen ist die Einbürgerung ein besonderer Moment in ihrer Biografie. Um dies zu feiern, lädt der Kreis Pinneberg einmal im Jahr zur zentralen Einbürgerungsfeier, dieses Mal nach Tornesch.

Kreispräsident: „Sie sind uns willkommen“

„Diese Feier ist wichtig für uns“, sagte Kreispräsident Helmuth Ahrens während der Feierstunde vor dem geschichtsträchtigen Gebäude. „Mit dieser Feier möchten wir zeigen, dass wir uns darüber freuen, dass Sie da sind, dass Sie sich für Ihren Ort im Kreis Pinneberg entschieden haben. Sie sind uns willkommen!“

Jung und Alt vereint: Bürgervorsteher Andreas Hahn (v. l.) und die Landtagsabgeordnete Birte Glissmann beschenkten die eingebürgerten Elmshorner.
Jung und Alt vereint: Bürgervorsteher Andreas Hahn (v. l.) und die Landtagsabgeordnete Birte Glissmann beschenkten die eingebürgerten Elmshorner. © Michael Rahn | Michael Rahn

Willkommen fühlen sich auch die meisten. Viele wissen, dass sie dafür auch selbst etwas tun müssen. „Ich wollte Teil dieser Gesellschaft sein“, erzählt Mustafa Almuseitef (42). Er war vor etwa acht Jahren aus Syrien geflüchtet. „Ich wusste von Anfang an, wenn ich was erreichen will, muss ich den Schlüssel umdrehen und die Sprache lernen, arbeiten und mein Brot selbst verdienen.“

Agrar-Ingenieur aus Syrien darf endlich Europa wählen

Mustafa Almuseitef lernte und lernte. Der 42-Jährige beherrscht jetzt ausgezeichnet die deutsche Sprache und kann in seinem Beruf arbeiten. Der Agrar-Ingenieur ist für die Landwirtschaftskammer in der Abteilung Pflanzenschutz tätig. Er berät Landwirte und begleitet Versuche in der Agrarwirtschaft. Und er wird zum ersten Mal als deutscher Staatsbürger ein Recht wahrnehmen und mitmachen bei der Wahl der Abgeordneten zum Europaparlament.

Bürgermeisterin und Gastgeberin Sabine Kählert (hinten rechts) freut sich über die neuen Staatsbürgerinnen und -bürger in ihrer Stadt Tornesch. Sie mahnt: „Populismus, Rassismus und Fremdenhass dürfen hier keine Chance haben.“
Bürgermeisterin und Gastgeberin Sabine Kählert (hinten rechts) freut sich über die neuen Staatsbürgerinnen und -bürger in ihrer Stadt Tornesch. Sie mahnt: „Populismus, Rassismus und Fremdenhass dürfen hier keine Chance haben.“ © Michael Rahn | Michael Rahn

Alle Redner baten die rund 150 Gäste von ihrem demokratischen Recht, wählen zu gehen, reichlich Gebrauch zu machen und sich selbst zu engagieren. Bürgermeisterin und Gastgeberin Sabine Kählert erinnerte daran, dass Deutschland mit dem Grundgesetz einen „kostbaren Schatz“ besitzt, „der die Menschen schützt“. Und sie mahnte: „Populismus, Rassismus und Fremdenhass dürfen hier keine Chance haben.“

Landesbeauftragte Kratz-Hinrichsen: „Ich freue mich über jede Einbürgerung“

Als Gastrednerin war Doris Kratz-Hinrichsen eingeladen. Sie ist die Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen in Schleswig-Holstein. Sie erklärte: „Ich freue mich über jede Einbürgerung.“

Die Landesbeauftragte erinnerte daran, dass sich mit der Einführung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts am 27. Juni die Zahl der Einbürgerungen weiter erhöhen wird. „Denn zum Teil werden die Hürden geringer, und auch die Möglichkeiten der doppelten Staatsangehörigkeit sind gegeben. Dies ist zeitgemäß und entspricht den Bedürfnissen vieler Menschen, die bisher gezögert haben, sich einbürgern zu lassen.“

Doris Kratz-Hinrichsen, Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen in Schleswig-Holstein, freut sich über den Lavendel-Gruß aus der Hand von Kreispräsident Helmuth Ahrens.
Doris Kratz-Hinrichsen, Landesbeauftragte für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen in Schleswig-Holstein, freut sich über den Lavendel-Gruß aus der Hand von Kreispräsident Helmuth Ahrens. © Michael Rahn | Michael Rahn

Mit den 836 Einbürgerungen in 2023 waren es über 150 mehr als ein Jahr zuvor (655 Einbürgerungen). Zum Vergleich: Im Jahr 2013 sind 431 Menschen im Kreis Pinneberg eingebürgert worden. Damit haben seit 1901 insgesamt fast 20.000 Menschen im Kreis ihre Einbürgerungsurkunde bekommen – Tendenz steigend. Um diese Aufgabe in der Verwaltung zu erfüllen, werden die Stellen im Amt deutlich aufgestockt.

Tochter italienischer Gastarbeiterin erhält deutschen Pass und endlich den richtigen Vornamen

Die häufigsten Herkunftsländer von Eingebürgerten in Schleswig-Holstein und damit auch im Kreis Pinneberg sind Syrien, Türkei, Irak, Afghanistan, Ukraine, Polen, Iran, Jemen, Rumänien und Kosovo. Aber auch Menschen aus EU-Ländern haben manchmal gute Gründe, sich einbürgern zu lassen. Zum Beispiel Angelica Rose aus Halstenbek. Sie ist die Tochter italienischer Gastarbeiter, die Mitte der 60er-Jahre nach Hamburg zogen.

Angelica (gesprochen Anjeelika) Rose, gebürtige Eimsbüttlerin und Tochter italienischer Gastarbeiter, freut sich gemeinsam mit Halstenbeks Bürgervorsteherin Katrin Ahrens und Bürgermeister Jan Krohn über die Einbürgerung.
Angelica (gesprochen Anjeelika) Rose, gebürtige Eimsbüttlerin und Tochter italienischer Gastarbeiter, freut sich gemeinsam mit Halstenbeks Bürgervorsteherin Katrin Ahrens und Bürgermeister Jan Krohn über die Einbürgerung. © Michael Rahn | Michael Rahn

„Als mein Vater auf dem deutschen Standesamt meinen Namen in Italienisch eintragen lassen wollte, wurde ihm das verwehrt. Die Tochter müsse Angelika heißen“, berichtet die Wahl-Halstenbekerin. Im italienischen Pass wiederum stand Angelica, ausgesprochen Anjeelika. Bei Reisen kam es regelmäßig zu Nachfragen und Verwirrungen. Auf den Kreditkarten tauchten unterschiedliche Namen auf.

Das ist nun vorbei. Die Verwaltungsmitarbeiterin der Telefonseelsorge der Diakonie stand nach der aufwendigen Einbürgerung auch das nächste monatelange Verfahren um die Änderung des Namens im Standesamt durch. Nun heißt sie so, wie sich fühlt: „Anjeelika“, eine überzeugte Norddeutsche mit starken italienischen Wurzeln.

Tobias Kiwitt, stellvertretender Bürgermeister in Wedel, begrüßte die Wedeler Gruppe bei der Einbürgerungsfeier am heimathaus in Tornesch-Esingen.
Tobias Kiwitt, stellvertretender Bürgermeister in Wedel, begrüßte die Wedeler Gruppe bei der Einbürgerungsfeier am heimathaus in Tornesch-Esingen. © Michael Rahn | Michael Rahn

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Um eingebürgert werden zu können, müssen die Menschen verschiedene Bedingungen erfüllen. Dazu gehören etwa ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, Deutschkenntnisse, ein sauberes Strafregister, ein gesicherter Lebensunterhalt, das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung sowie ein rechtmäßiger Aufenthalt von mehreren Jahren in Deutschland. Bislang mussten dies acht Jahre sein.

Das Akkordeon-Ensemble der Musikschule Elmshorn begleitete die Einbürgerungsfeier musikalisch bis hin zum gemeinsamen Gesang der Nationalhymne.
Das Akkordeon-Ensemble der Musikschule Elmshorn begleitete die Einbürgerungsfeier musikalisch bis hin zum gemeinsamen Gesang der Nationalhymne. © Michael Rahn | Michael Rahn

Das reformierte Staatsangehörigkeitsgesetz hat die Aufenthaltsdauer auf fünf Jahre verkürzt. Auch der Besitz von mehreren Staatsangehörigkeiten wird jetzt akzeptiert. Zuvor war nur unter bestimmten Voraussetzungen die doppelte Staatsbürgerschaft möglich – der nächste Schritt zu einer weltoffenen, vielfältigen, freien und demokratischen Gesellschaft.