Wedel. Auf der Jensen Werft wird die Liebe fürs Handwerk gelebt. Vor allem beim Baustoff Holz. Nun wird die Werkshalle sogar zum Konzertsaal.

Wer nach dem Idealbild eines waschechten Hamburger „Seebären“ an der Elbe sucht, wird auf der Jensen Werft am Hamburger Yachthafen in Wedel fündig. Inhaber Thorsten Jensen (63) ist traditionsbewusster Hamburger. Ein Original mit Ecken und Kanten – auf den ersten Blick vielleicht etwas grimmig bis knorrig – aber immer mit dem speziell norddeutschen Schalk im Nacken.

Seine Familie stammt aus dem „echten“ Blankenese, dem „Seefahrer-Ort“ in dem einst noch pures Handwerk und die Schifffahrt im Vordergrund standen. Das Boot als Beruf und Hobby ist bei den Jensens generationenübergreifend und voller Leidenschaft verankert.

Jensen-Werft an der Elbe: Familie ist seit Jahrzehnten im Bootsbau zu Hause

Der Großvater war zum Beispiel bei Blohm & Voss beschäftigt. Angefangen hat der gelernte Bootsbauer Thorsten Jensen einst als Schiffszimmermann und Arbeitsmann auf der anderen Elbseite auf Finkenwerder. Nach dem Abitur 1983 seien die Berufe im Bootsbau sehr überlaufen gewesen.

Tuckerboot
Eines der beliebten Tuckerboote am Schlengel der Jensen Werft im Hamburger Yachthafen an der Elbe. © Frederik Büll | Frederik Büll

„Man musste damals schon gut sein, um eine Gesellenanstellung zu bekommen“, sagt er. Aufgehört mit dem Job, der irgendwie auch schon immer Hobby war, hat er nach wie vor nicht. Heute lebt Jensen in Rissen – und leitet an seinem Arbeitsplatz am Yachthafen ein zehnköpfiges Team an.

Werft am Hamburger Yachthafen – Reparatur von Motorbooten und Segelyachten

Auf der Werft machen die Mitarbeiter nahezu alle Schiffsarten, sogar Zwei- und Drei-Master, wieder flott. Technik, Segel, Takelage und mehr. Meist geht es um Motorboote oder Segelyachten. Angestellt sind Bootsbauer, Maler und eine Sekretärin. Die Firma gibt es seit 1997, seit 2014 ist die Jensen Werft nun an der Deichstraße 29 in Wedel zu Hause.

Vor allem, wenn es um alte Boote aus Holz geht, leuchten Jensens Augen. „Kürzlich hatten wir eine 16 Meter lange Motoryacht von 1938 hier, bei der wir insgesamt 470 Meter Mahagoni-Planken getauscht haben“, erzählt der Chef. Generell ließe sich jedes historische Boot wieder instand setzen – die Maßnahmen seien nur begrenzt durch den zur Verfügung stehenden Geldbeutel des Kunden.

Prominente? Namen der Kunden kennt der Werft-Besitzer oft gar nicht

Über die Namen seiner Kunden, möglicherweise sind auch Prominente darunter, möchte Thorsten Jensen nicht so gern sprechen. Nur so viel: Der Preis lag in dem Fall der Motoryacht im sechsstelligen Bereich. Der größte Auftrag seiner Werft, an den er sich aus dem Stegreif erinnert, lag bei stolzen 450.000 Euro.

Oft würden bei großen Mega-Yachten der Milliardäre, etwa aus den USA oder Saudi-Arabien, ohnehin auch Subunternehmen zwischengeschaltet sein und die echten Besitzer seien ihm ohnehin nicht bekannt. Und: Es ist ihm auch völlig schnuppe. Jensen liebt einfach das traditionelle Handwerk.

Wedel: Werft-Inhaber von der Elbe – „Boot aus der Tube“

„Neubauten haben wir hier selten, es geht meist um Reparatur und Restauration von Booten. Gern aus Holz, aber wir bearbeiten natürlich auch Boote aus Faserverbundwerkstoffen“, sagt der Werft-Inhaber, der eng mit der benachbarten Yachtlackierung Peter Wrede zusammenarbeitet. Wenn der 63-Jährige aber von einem „Boot aus der Tube“ spricht, dürfte klar sein, dass er persönlich Holz viel lieber als Kunststoff mag.

Jensen Werft
Thorsten Jensen mit einem prüfenden Blick. An einem Holzboot wird der gesamte Kiel erneuert. © Frederik Büll | Frederik Büll

Sein Lieblingsholz für den Bootsbau sei nach wie vor die Eiche, vor allem die deutsche Eiche hat es ihm angetan. „So wurde ich früher bei der Arbeit auch genannt“, lacht der Rissener. Genutzt werden beispielsweise auch die Baumarten Lärche, etwa die Berglärche aus Oberbayern oder Österreich, Mahagoni oder auch Kambala aus West- und Zentral-Afrika. Das einst bevorzugte Teak-Holz werde generell nach dem EU-Importverbot nur noch selten im Bootsbau verwendet.

Die Kunden kommen meist aus der Region – oder halten ihm trotz Abwanderung an Ost- oder Nordsee noch die Treue. Oder sie kehren nach einem kurzen Fremdflirt doch wieder für Reparaturen zur alten Liebe an den Hamburger Yachthafen zurück.

Thorsten Jensen: „Boote sind bewitterte Bauwerke. Da ist kein Dach drüber.“

Die Auftragslage sei „okay“ momentan. Auf der Jensen Werft wird gewartet, gepflegt, repariert. Und auch ein Winterlager gibt es. „Boote und Schiffe sind eben bewitterte Bauwerke. Da ist kein Dach drüber. Das Aufgabenfeld für uns ist vielfältig. Beispielsweise können sich Pilze bei fehlender Durchlüftung bilden. Oder es gibt Risse im Kunststoff durch äußere Einflüsse oder eigene Dummheiten“, so Jensen.

Jensen Werft
Die Werft an der Elbe hat direkten Wasserzugang zum Hamburger Yachthafen in Wedel.  © Frederik Büll | Frederik Büll

Der Werft-Inhaber, der selbst nur noch „viel zu selten“ selbst aufs Wasser kommt, warnt: Durch die Elbvertiefungen sei der Fluss durch Strömungen, Wellenschlag und Verschlickungen an den Uferbereichen immer tückischer geworden. Im Vorjahr halfen Mitarbeiter der Werft einem gestrandeten Segler, der sich festgefahren hatte.

Blankenese: Bootsverleiher an Elbe haben ihr Geschäft beendet

Generell sei die Elbe aus Jensens Sicht immer weniger für den touristischen Verkehr geeignet. „Die kleinen Bootsverleiher in Blankenese, zum Beispiel für Kanus, gibt es schon gar nicht mehr. Weil man gar nicht mehr gegen die Strömung anpaddeln kann“, sagt der Werft-Inhaber.

Jensen Werft
Dort, wo sonst Boote repariert und restauriert werden, gibt es bald ein Konzert. Die Wedeler Musiktage machen Station in der Werkshalle. © Frederik Büll | Frederik Büll

Werften an der Ostsee hätten von den schweren Sturmfluten und den zu reparierenden Schäden ordentlich profitiert. „Uns geht es hier aber auch nicht nur ums Geld, sondern auch um Tradition“, sagt Jensen. Und während man durch die wohlriechend nach Holz duftenden Werkshalle schreitet, klingt es sehr wahr.

Auf Werft an Elbe: Früher sei der Ton deutlich rauer gewesen

Die Atmosphäre ist familiär, zwischendurch ist während der Arbeitszeit bei einem Schnack mit dem Chef auch das Privatleben ein Thema. Er habe gute Gesellen und Meister in seinem Team, lobt Jensen. Aber man müsse schon aufpassen, früher war der Ton auf einer Werft deutlich rauer, alle seien sensibler geworden, schmunzelt der Inhaber.

Jensen Werft
Bootswerft in Wedel: Maschinen für den Zuschnitt und die Bearbeitung von Holz in der Werkshalle der Wert. © Frederik Büll | Frederik Büll

Ob sein 24 Jahre alter Sohn, als Bootsbauer in Kopenhagen aktiv und davor in Finnland, den Laden irgendwann übernimmt, sei noch unklar. Jensen sagt: „Er soll erstmal noch ein bisschen über die Weide gehen.“ Generell sei es schwierig, guten Nachwuchs im Handwerk zu finden. Erstmalig hat Jensen in diesem Jahr keinen Lehrling eingestellt, weil es laut ihm einfach keinen passenden Bewerber oder Bewerberin gab.

Was braucht ein Bootsbauer? Vor allem „persönlichen Ehrgeiz und Zielstrebigkeit“

Was zeichnet einen guten Bootsbauer denn aus? „Persönlicher Ehrgeiz und Zielstrebigkeit. Und ein gewisses handwerkliches Talent ist auch von Vorteil. Wenn dann noch etwas Ahnung vom Segeln und der Bootsfahrt dazu kommt, stimmt alles“, sagt der 63-Jährige.

Jensen Werft
Wedeler Musiktage an der Elbe: Eine Werkshalle der Jensen Werft wird zum Konzertsaal umfunktioniert. © Frederik Büll | Frederik Büll

Stellt er auch Tischler ein? Jensen grinst: „Tischler brauchen ja immer einen rechten Winkel. Den gibt es im Bootsbau nicht. Da wo die Tischlerei aufhört, fängt die Bootsbauerei an!“ Tischler wird Thorsten Jensen bei einem bestimmten Termin nicht brauchen. Denn seine Werkshalle wird bei den laufenden Wedeler Musiktagen zum Konzertsaal.

Wedeler Musiktage direkt an der Elbe: Konzert von Tolga During & Ottomani

Dort, wo sonst geschmirgelt, gehämmert und gebohrt wird – wird zwischendurch musiziert. Noch reparieren und restaurieren die Mitarbeiter liebevoll eine Elb-H-Jolle und drei weitere Boote. Mitarbeiter erneuern derzeit beispielsweise einen kompletten Kiel – die quer stabilisierenden sogenannten Spanten müssen ersetzt werden.

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Am Sonnabend, 21. September, spielt in der Werkshalle stattdessen das Tolga During & Ottomani-Quartett auf (19.30 Uhr) und bietet Gipsy-Jazz kombiniert mit konventionellem Gewand. Im oberen Bereich gibt es für die Kultur-Freunde Stehplätze, unten Sitzplätze.

Leiter der Musiktage fragte den Werftbesitzer für die Konzertlocation an

Matthias Dworzack, Bootsbesitzer und künstlerischer Leiter der Musiktage, habe ihn vor langer Zeit angesprochen, ob dort nicht irgendwann mal ein Konzert der Wedeler Musiktage stattfinden könnte. Und dann war es final abgemacht.

Einer wie Thorsten Jensen war bestimmt sofort komplett euphorisiert? Da ist es wieder: dieses verschmitzte Grinsen. Jensen: „Naja, um das hier alles wegzuräumen, wird es schon einen Tag dauern. Es muss ja auch nochmal ordentlich durchgefegt werden.“