Kreis Pinneberg/Kiel. Geldmangel zwinge Schleswig-Holstein zu etlichen Abbestellungen. Die Streichliste betrifft vor allem das Umland von Hamburg.
Nachdem die Proteste aus dem Kreis Pinneberg und anderen Landesteilen Schleswig-Holsteins wegen der durchgesickerten Ausdünnungspläne im Nahverkehr seit Monaten groß waren, hat sich das verantwortliche Verkehrsministerium in Kiel nun endgültig zu seinen Kürzungsabsichten bekannt und eine „finale Streichliste“ für diverse Verbindungen im ÖPNV veröffentlicht. Das Haus von Minister Claus Ruhe Madsen kündigte aber auch an, dass sich die Lage noch ändern könne.
Bekanntlich sollen im Hamburger Umland sowohl die AKN als auch die S-Bahn deutlich weniger fahren, im ganzen Land werden überdies Zugverbindungen gekappt. Dagegen liefen etwa im Kreis Pinneberg Bürgermeister und Gemeinden öffentlich Sturm.
HVV: Kürzungen bei S-Bahn, AKN und Regionalzügen - die Streichpläne des Landes
Nachdem das Land schon im Juni angesichts ausbleibender Bundesmittel geplante Einsparungen im Bahnverkehr vorgestellt hatte, stünden nun die „finalen Abbestellungen“ zum Fahrplanwechsel im Dezember fest. Wie Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen in Kiel sagte, hätten sich geringfügige Änderungen ergeben, weil manche der angedachten Ausdünnungen technisch und betrieblich nicht umsetzbar seien.
Die Einsparung von ursprünglich knapp sechs Millionen Euro pro Jahr reduziere sich damit auf 4,6 Millionen Euro. „Die Abbestellungen – auch wenn es nur Randzeiten und weniger als 1,5 Prozent aller Verbindungen im Land betrifft – bleiben schmerzhaft und sind sicher nicht das Signal, das wir senden wollen. Aber da der Bund uns hier weiter allein lässt und nun auch noch eine deutliche Erhöhung der Trassenpreise anstrebt, haben wir leider keine andere Wahl“, sagte Madsen.
Im Überblick: Abbestellungen im Regionalverkehr
S-Bahn
S 3 – Elbgaustraße-Pinneberg: Reduzierung von einem 10-Minuten-Takt auf einen 20-Minuten-Takt in der Nebenverkehrszeit (Samstag 15 bis 22 Uhr und Sonntag 8 bis 20 Uhr). Außerdem war bereits eine Rücknahme der 2022 hinzu bestellten Taktverdichtung Montag bis Freitag zwischen 20 bis 23 Uhr angekündigt. Aufgrund unzureichender Wendekapazitäten kann dies zum Fahrplanwechsel im Dezember nicht umgesetzt werden. Im Ergebnis entfällt Montag bis Freitag kurz nach 22 Uhr ein Zug je Richtung. Damit bleibt der 10-Minuten-Takt Montag bis Freitag bis 22 Uhr bestehen.
AKN
A 1 – Eidelstedt-Ulzburg-Süd: Montag bis Freitag ab ca. 22 Uhr besteht künftig ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes. Samstag wird ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes gefahren.
A 2 – Norderstedt Mitte-Kaltenkirchen: Montag bis Freitag ab ca. 22 Uhr wird ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes gefahren. Samstag besteht künftig ein 30-Minuten-Takt anstatt eines 20-Minuten-Taktes.
A 2 – Kaltenkirchen-Dodenhof:
Entfall der zusätzlichen Fahrten am Samstag zwischen Kaltenkirchen und dodenhof. Es verbleibt ein stündliches Angebot.
Regionalverkehr
RB 61 – Pinneberg-Itzehoe: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden (Pinneberg Abfahrt 03:06 Uhr, Itzehoe Abfahrt 02:11 Uhr)
RB 81 – Ahrensburg-Bad Oldesloe: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden im Abschnitt Ahrensburg – Bad Oldesloe
(Bad Oldesloe Abfahrt 03:35 Uhr, Ahrensburg Abfahrt 03:04 Uhr)
RE 7 – Hamburg-Kiel: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden (Kiel Abfahrt 03:05 Uhr, Hamburg Abfahrt 04:36 Uhr)
RE 60 – Hamburg-Niebüll: Von den zwei zusätzlich zum stündlichen Grundtakt verkehrenden Sprinterzügen am Wochenende in der Saison entfällt ein Zug je Richtung zwischen Hamburg und Niebüll
(Frühlings- und Herbstfahrplan Samstag und Sonntag Hamburg-Altona Abfahrt 08:30 Uhr;
Frühlings- und Herbstfahrplan Samstag Niebüll Abfahrt 18:31 Uhr; Sommerfahrplan Freitag bis Sonntag Niebüll Abfahrt 10:34 Uhr; Sommerfahrplan Freitag bis Sonntag Hamburg Hbf Abfahrt 14:02 Uhr)
RB 85 – Lübeck-Neustadt: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden. (Lübeck Abfahrt 03:12 Uhr, Neustadt Abfahrt 04:15 Uhr)
RE 8 – Hamburg-Lübeck: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden. (Lübeck Abfahrt 03:09 Uhr, Hamburg Abfahrt 04:06 Uhr)
RE 86 – Lübeck-Lübeck-Travemünde-Strand: Streichung von je drei Zügen pro Richtung Montag bis Freitag, die bisher den Stundentakt zum Halbstundentakt ergänzen, aber nicht alle Stationen bedienen können. Der Halbstundentakt an Wochenenden in der Saison bleibt unverändert bestehen (Lübeck Abfahrt 06:37, 17:37, 18:37 Uhr,
Lübeck-Travemünde Strand Abfahrt 07:03, 18:03, 19:03 Uhr)
RB 64 – Husum-Bad St. Peter-Ording: Streichung der beiden letzten Zugverbindungen pro Richtung am Abend (Husum Abfahrt 23:43 Uhr und Abfahrt 0:49 Uhr; Bad St. Peter-Ording Abfahrt 00:40 Uhr und Abfahrt 01:44 Uhr).
Bei den Verbindungen um 23:43 Uhr ab Husum und 00:40 Uhr ab Bad St. Peter-Ording wird noch eine Umstellung auf einen Kleinbus geprüft.
RB 75 – Kiel-Rendsburg: Streichung von je einem Zug pro Richtung im Nachtverkehr an Wochenenden (Kiel Abfahrt 00:25 Uhr, Rendsburg Abfahrt 01:53 Uhr)
RB 82 – Neumünster-Bad Oldesloe: Streichung von drei Zügen am Tagesrand
(Neumünster täglich Abfahrt 00:37 Uhr, Bad Oldesloe täglich Abfahrt 01:37 Uhr
Neumünster Montag bis Freitag Abfahrt 03:39 Uhr, Samstag Abfahrt 04:37 Uhr, Sonntag Abfahrt 05:37 Uhr) Entfall eines Zuges im Abschnitt Bad Oldesloe – Bad Segeberg
(Bad Oldesloe Montag bis Freitag Abfahrt 04:37 Uhr, Samstag Abfahrt 05:37 Uhr, Sonntag Abfahrt 06:37 Uhr)
RB 63 – Neumünster-Hohenwestedt: Streichung letztes Zugpaar Montag bis Freitag (Neumünster Abfahrt 0:35 Uhr, Hohenwestedt Abfahrt 1:02 Uhr)
RB 63 – Heide-Büsum: Streichung von je einem Zug pro Richtung (Heide Abfahrt 00:18 Uhr, Büsum Abfahrt 00:48 Uhr)
RB 65 Niebüll - Dagebüll: Streichung von je einem Zug pro Richtung am Montagmorgen
(Niebüll Abfahrt 5:40 Uhr, Dagebüll Mole Abfahrt 6:05 Uhr) Streichung von je einem Zug pro Richtung ohne Fähranschluss (Sommerfahrplan Montag bis Freitag und im Winterfahrplan am 26.12 Niebüll Abfahrt 20:10 Uhr, Dagebüll Mole Abfahrt 20:35 Uhr)
Mit seinen Länder-Kolleginnen und –kollegen werde er weiterhin alles dafür tun, „dass der Bund sich an seine Verantwortung erinnert.“ Sollten die Regionalisierungsmittel des Bundes im erforderlichen Umfang steigen oder sich andere Spielräume in der Finanzierung des Nahverkehrs ergeben, würde das Land die Abbestellungen schnellstmöglich zurücknehmen.
Sylt: Besondere Rolle der Insel sei berücksichtigt worden
Wie Madsen weiter sagte, sei bei erneuter Überprüfung der möglichen Abbestellungen die besondere Lage der Insel Sylt noch einmal neu bewertet worden. So blieben nahezu alle Pendlerzüge zwischen Westerland und Niebüll enthalten. Lediglich bei Sprinterzügen an Wochenenden gebe es zwischen Hamburg und Niebüll einzelne Kürzungen.
Schon im Juli hatte Madsen den Schritt bedauert und erklärt: „Wir haben uns in der Landesregierung darauf verständigt, einen Teil des Fehlbetrags durch die Abbestellung von Verkehr abzufedern“, so Madsen. Ziel sei, die Lücke in den nächsten Jahren unter anderem durch die Nutzung des Sondervermögens MOIN.SH zu schließen. „Zudem wollen wir die Finanzplanung aktualisieren – unter anderem entsprechend der Verkehrsverträge“.
Madsen zur Ausdünnung im Nahverkehr: Das ist die „schmerzhafte Konzequenz“
Als „schmerzhafte erste Konsequenz“ aus dem fehlenden Aufwuchs der Regionalisierungsmittel, mit denen der Bund laut Grundgesetz den ÖPNV mitfinanzieren müsse, habe das Land bereits angekündigt, die Fahrpläne der S-Bahn S 3 im Kreis Pinneberg und zweier AKN-Linien in Randzeiten und am Wochenende auszudünnen.
„Um die Einsparziele vollständig zu erreichen, ist neben der Einsparung von Verwaltungskosten ab 2025 die Abbestellung von Verkehrsleistungen jährlich unumgänglich“, sagte Madsen damals weiter. Leitlinie bei der Zusammenstellung der umfangreichen Streich-Maßnahmen sei gewesen, die Auswirkungen auf Pendlerinnen und Pendler so gering wie möglich zu halten. „Das bedeutet landesweit kleinere Einschnitte, sodass im Ergebnis in jeder Region einige Züge wegfallen“, sagte Madsen.
Nah.SH-Chef: „Lasten und Härten sollen möglichst breit und gleichmäßig verteilt werden“
NAH.SH-Chef Arne Beck ergänzte im Juli, dass im Rahmen der schleswig-holsteinischen Verkehrsverträge fünf bis maximal zehn Prozent der bestellten Leistungen auch wieder abbestellt werden könnten. Bei der Auswahl der Einschnitte seien verschiedene Kriterien berücksichtigt worden, „um die Lasten und Härten möglichst breit und gleichmäßig zu verteilen“.
Ziel dabei sei, die Abbestellungen in Zeitfenstern zu organisieren, in denen die Nachfrage voraussichtlich ohnehin geringer sei. Die Vorschläge seien danach auf die betriebliche Umsetzbarkeit geprüft worden – parallel dazu habe die Einbindung der Stadt Hamburg und der betroffenen Kreise und kreisfreien Städte stattgefunden.
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Madsen appellierte schon im Juli an die Bundesregierung, die Regionalisierungsmittel für die Länder angesichts von massiven Kostensteigerungen aufzustocken. „Mit einem jährlichen Plus von 50 bis 60 Millionen Euro müssten wir nicht über Kürzungen im Fahrplanangebot nachdenken“, sagte er.
Die Länder fordern neben den 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zur Fortführung des Deutschlandtickets auch jährlich zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für den Ausbau und die Modernisierung des ÖPNV. In diesem Jahr bekommt das Land 371 Millionen Euro reguläre Regionalisierungsmittel sowie bis zu 52,4 Millionen Euro als Bundesanteil für das Deutschlandticket.