Wedel. Digitalisierungstempo in Deutschland ist mäßig. 78 Online-Dienste in Wedels Verwaltung verfügbar – Tendenz steigend. Das ist geplant.

Deutschland plant die Digitalisierung der Verwaltungen. Doch bis die Behördengänge durch digitale Anträge wirklich endgültig der Vergangenheit angehören, ist es noch ein langer Weg. Trotz jahrelanger, vollmundiger Ankündigungen der Bundesregierung ist noch viel Luft nach oben. Nach wie vor ist es nicht möglich, einen Personalausweis oder Reisepass im Internet zu beantragen – ohne das Amt doch aufsuchen zu müssen.

Dabei bemühen sich der Kreis Pinneberg und auch die Gemeinden um eine Verbesserung ihrer jeweiligen digitalen Angebote für die Bürger. In der Kreisverwaltung wird Künstliche Intelligenz eingesetzt – in einigen Orten wie zum Beispiel Quickborn, Schenefeld oder Halstenbek ist die Meldung des Wohnsitzes online möglich.

Stadtverwaltung Wedel weitet digitale Angebote aus

Das ist nun ebenfalls in Wedel möglich. Seit wenigen Tagen ist der Online-Anmeldung freigeschaltet worden. Wie genau das funktioniert, wird auf www.wohnsitzanmeldung.de erklärt – auch per Video. „Um den Online-Dienst zu nutzen, müssen sich die Bürgerinnen und Bürger einmalig ein dort angebotenes Nutzerkonto z.B. die BundID (https://id.bund.de/de) anlegen und mit der Online-Ausweisfunktion authentifizieren“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt Wedel. Eingegeben wird unter anderem die zukünftige Anschrift und das Einzugsdatum sowie bei einem Mietverhältnis den Wohnungsgeber.

Anschließend wird die Wohnungsgeberbestätigung hochgeladen – und eine digitale Meldebestätigung im Online-Dienst bereitgestellt. Auch ein Aufkleber für die Aktualisierung der Personalausweis kann über die AusweisApp beantragt werden. Er wird postalisch zugestellt. Ein Termin im Wedeler Einwohnermeldeamt ist nicht mehr nötig.

Ohnehin weitet Wedel sein Online-Angebot weiter aus. „Die Stadt Wedel kommt bei der Bereitstellung von online zu erledigenden Dienstleistungen gut voran. Ein Besuch im Rathaus ist schon heute in vielen Lebenslagen nicht mehr notwendig“, heißt es in einer städtischen Mitteilung.

Wedel: Mehr Online-Anträge sind jetzt möglich – der Gang ins Rathaus fällt dabei weg. 
Wedel: Mehr Online-Anträge sind jetzt möglich – der Gang ins Rathaus fällt dabei weg.  © Stadt Wedel / Sven Kamin | Stadt Wedel / Sven Kamin

Viele Service-Leistungen könnten künftig bequem digital von zu Hause oder von unterwegs unter www.wedel.de oder im Bürgerportal der Stadt unter www.wedel.digital wahrgenommen werden. Zu den neuen Möglichkeiten, sich den Weg ins Wedeler Rathaus zu sparen, zählt etwa eine Vielzahl an Gewerbe-Angelegenheiten wie zum Beispiel die An- oder Ummeldung oder auch Vorgänge, die den Betrieb einer Gaststätte betreffen.

Wedel: Gewerbeanmeldungen, „Hundebeißvorfall“, Auskunftssperre – jetzt auch online

Auch kleinere Anliegen wie zum Beispiel eine Auskunftssperre im Melderegister oder ein „Hunde(beiß)vorfall“ kann online beantragt werden. Wer eine Nebenwohnung an- oder abmelden möchte oder einen Wohnberechtigungsschein beantragen möchte, kann dies ebenfalls im Internet auf der städtischen Homepage erledigen. Viele weitere Genehmigungen, etwa für Plakatierungen, Veranstaltungen, private Feuerwerke oder das Aufstellen von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit können ebenfalls per Online-Antrag getätigt werden.

Die Zahl der digitalen Leistungen werde stetig ausgebaut. Im Bürgerportal können Wedeler zudem „zusätzliche Informationen zu verschiedenen Lebenslagen“ finden. Aktuell gebe es 438 digitale Leistungen in kommunaler Zuständigkeit, erklärt Stadtsprecher Sven Kamin. Nicht alle davon bedürften eines Antrags.

Wedeler Rathaus: 78 kommunale Online-Dienstleistungen werden geboten

Es handele sich auch um Leistungen, „in denen die Stadt Wedel zum Beispiel einer Informationspflicht nachkommt“. Etwa im Bereich Tourismus, Ehrenamt oder den Bike-and-Ride-Parkplätzen. „Aktuell bietet die Stadt Wedel bei 78 kommunalen Leistungen einen Online-Dienst und somit die Möglichkeit einer Online-Beantragung an“, sagt Kamin. Beschwerden von Bürgern, weshalb einige Dienste noch immer nicht digital abgewickelt werden könnten, seien der Verwaltung nicht bekannt.

Wedels Stadtsprecher ist Sven Kamin. 
Wedels Stadtsprecher ist Sven Kamin.  © Stadt Wedel /Roeler | Stadt Wedel /Roeler

Wann plant die Stadt Wedel sämtliche Leistungen, also auch die Beantragung von Personalausweis und Co online anbieten zu können? „Die Erweiterung des digitalen Angebots bei der Stadt Wedel ist ein laufender Prozess. In regelmäßigen Abständen kommt ein neues Leistungsangebot hinzu. Über das neue Angebot werden die Bürgerinnen und Bürger unter anderem über die städtische Internetseite www.wedel.de informiert“, lautet die Antwort.

Online-Zugangsgesetz – Stadt rechnet mit Online-Anmeldung seiner Bürger

Da die Erweiterung des städtischen Online-Angebots in Form von Online-Anträgen auch von vielen Faktoren abhängig sei, „auf die die Stadt Wedel keine Einflüsse hat, kann kein endgültiger Zeitpunkt genannt werden“. Denn: „Viele Online-Leistungen werden derzeit über das einheitliche Bürgerportal S-H angeboten und mit diesem verknüpft.“

Und das werde sich in absehbarer Zeit ändern, nachdem der Bundesrat das sogenannte Onlinezugangsgesetz 2.0 am 14. Juni verabschiedet hat. „Infolge des Inkrafttretens des OZG 2.0 wird aber nun auf ein einheitliches Bundes-Bürgerkonto abgestellt, über welches alle Online-Leistungen erreichbar sein sollen. Dieser Wechsel bindet auf allen föderalen Ebenen Kapazitäten, sodass die weitere Entwicklung und Anbindung neuer Online-Leistungen sicherlich kurzzeitig stagnieren wird“, so der Stadtsprecher.

Die Verwaltung rechnet derzeit aber damit, dass „beispielsweise die Online-Anmeldung noch im September 2024 angeboten werden kann“.

Bundes- und Landesgesetze sorgen für Umstellung von Verfahrens und Formvorschriften

Generell sei aus Sicht der Wedeler Verwaltung in Deutschland bei vielen Verwaltungsleistungen bereits ein reines Online-Antragsverfahren möglich. „Die Voraussetzungen hierfür werden unter anderem durch stetige Gesetzesanpassungen immer mehr geebnet“, sagt Kamin. Der Bundes- und der Landesgesetzgeber müssen durch Gesetzesanpassungen zumeist Verfahrens- oder Formvorschriften umstellen, was derzeit nach und nach passiert.

Wie viele Wedeler bisher Online-Anträge an die Rathaus-Mitarbeiter gestellt haben, ist noch unklar: „Eine quantitative Auswertung aller Online-Antragsnutzungen ist bisher nicht erfolgt. Dies erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ein ausreichend großer Beobachtungszeitraum zur Verfügung steht.“ Die Rückmeldungen seien positiv, obwohl derzeit seitens der Stadt Wedel noch keine aktive Werbekampagne bezüglich der digital angebotenen Leistungen gestartet worden sei.

„Online-Offensive“ im Wedeler Rathaus seit 2019 gestartet

Als Startschuss für eine sogenannte Online-Offensive in der Wedeler Verwaltung könne laut Sven Kamin das Jahr 2019 angesehen werden: „In dem Jahr wurde eine Stelle im Rathaus geschaffen und besetzt, die sich neben der Einführung der elektronischen Schriftgutverwaltung auch um die Themen Online-Zugangsgesetz und E-Rechnung kümmern sollte.“

Bereits zuvor habe es eine Vielzahl kleinerer Online-Leistungen, zum Beispiel die Online-Anmeldung zu Veranstaltungen der Wirtschaftsförderung, der damalige Mängelmelder „Wedel will‘s wissen“ oder auch die Anmeldung zu Ferienbetreuungsangeboten auf Initiative der Fachabteilungen gegeben.

Im Wedeler Rathaus gibt es seit drei Jahren einen Digital-Projektmanager

2021 stellte die Verwaltung einen Projektmanager für den Bereich Digitalisierung, Online-Zugangsgesetz und Neuausrichtung der Prioritäten ein, der in einzelnen Sachgebieten des Rathauses „das Tempo zur Umsetzung der Online-Leistungen erhöht“, so der 45-Jährige.

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Seit Mai 2024 erhalte das Thema Digitalisierung und Online-Leistungen „nun nochmals Auftrieb infolge einer stärkeren Fokussierung der aktuellen Verwaltungsleitung auf diesen Themenbereich“. Aktuell steht Wedels nominell zweite stellvertretende Bürgermeisterin Julia Fisauli-Aalto (CDU) an der Verwaltungsspitze.

Rathaus Wedel: Digitale Transformation verändert Arbeit der Verwaltung massiv

Die digitale Transformation verändere die Arbeitswelt der Wedeler Verwaltung massiv. „Die Raumbedarfe für Aktenlagerflächen sind beispielsweise rückläufig. Andererseits müssen die Arbeitsplätze mit umfassender Technik und neuer Software ausgestattet werden, um die digitalen Daten medienbruchfrei verarbeiten und archivieren zu können“, erklärt Kamin. Auch erhöhten sich die Anforderungen an IT-Sicherheit und -Performance, da immer mehr Daten im digitalen Umfeld sicher verwahrt und jederzeit nutzbar sein müssen.

Die Mitarbeitende müssten inzwischen nicht nur das Fachwissen ihres jeweiligen Bereiches, wie beispielsweise Baurecht oder Kommunalrecht vorweisen können, sondern: „Sie müssen auch in den Bereichen IT-Anwendung, Datenschutz und Informationssicherheit deutlich mehr Knowhow aufbauen, als noch vor wenigen Jahren.“

Wedels Fachbereiche berichten „fast vollständig von positiven Erfahrungen“

Die Bereiche, die bereits Online-Leistungen anbieten können, berichten laut Stadtsprecher aber fast vollständig von positiven Erfahrungen. Denn: „Gerade im Zusammenspiel mit medienbruchfreier Bearbeitung, Dokumentation und Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern bietet sich eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, da eben nicht nur die Bürgerinnen und Bürger, sondern teilweise auch die Sachbearbeitungen unabhängig von den Öffnungszeiten agieren können.“

Bereits im Jahr 2017 hatte die damalige Bundesregierung in Berlin versprochen, dass schon bis Ende 2022 alle der knapp 600 Verwaltungsdienstleistungen bundesweit auch digital angeboten werden. Das hat bei Weitem nicht geklappt. „Dieses Ziel ist auch Anfang 2024 in weiter Ferne: Gut ein Jahr nach Verfehlen der Frist sind nur 153 Leistungen deutscher Behörden bundesweit online verfügbar – gerade einmal 48 mehr als Ende 2022“, heißt es in einem Gutachten vom Januar dieses Jahres von Klaus-Heiner Röhl auf der Homepage des Instituts für Deutsche Wirtschaft.

Onlinezugangsgesetz: Geschätzte neun Jahre dauert die Umsetzung bei diesem Tempo

Mit dem bisherigen Tempo dürfte es demnach noch knapp neun Jahre dauern, bis das Onlinezugangsgesetz endlich überall zwischen Flensburg und Sonthofen umgesetzt sein werde und der Gang zum Amt für Bürger und Unternehmen weitgehend der Vergangenheit angehöre.

Auch im EU-weiten Vergleich würde Deutschland laut Röhls Kurzstudie schlecht abschneiden. Der Digital Economy and Society Index (DESI), der Indikatoren für eine digitale Wirtschaft und Gesellschaft zusammenfasst, sieht Deutschland im Mittelfeld, bei den Online-Diensten für Unternehmen jedoch im hinteren Bereich der 27 Mitgliedsstaaten.