Elmshorn. Querung zwischen Oststadt und Königstraße soll keine Rolle mehr für Kraftverkehr spielen. Dafür scheint die Ost-West-Brücke gerettet.
Die Bedeutung der letzten Elmshorner Ausschusssitzung vor Beginn der Sommerpause war offenkundig. Die Sitzreihen für Gäste waren gut gefüllt. Angesichts des Tagesordnungspunkts „Geschwister-Scholl-Tunnel“ im Ausschuss für Stadtumbau waren auch die Firmenleitungen von Holz Junge sowie Elektro-Kelting als Anlieger der Bahnunterquerung zwischen Oststadt und Königstraße vor Ort. Entsprechend ließ Ausschussleiter Andreas Hahn (CDU) diesen Punkt in der Agenda eine Nummer nach vorn rücken.
Insbesondere das Gewerbe hatte lautstark gegen die publik gemachten Pläne der Stadt opponiert, die fast 140 Jahre alte Verkehrsader für den Kraftverkehr teils oder ganz zu schließen. Ein „Ausbluten der Oststadt“ und die „Gefährdung des Gewerbes sowie der angestrebten Klimaneutralität durch Verkehrsverlagerung“ hatte zum Beispiel Carsten Junge vorgebracht. Dass letztlich auch der Geschäftsführer von Holz Junge mit dem nach acht Ja-Stimmen bei drei Enthaltungen eben so gefassten Beschluss mehr oder weniger gut leben kann, ist vielen Erläuterungen und dem Sitzungsverlauf geschuldet.
Geschwister-Scholl-Tunnel: Stadt gibt Kosten und Entscheidung an die Bahn ab
Als Sitzungsergebnis wird der Deutschen Bahn – als dann alleinigem Kostenträger – die Entscheidungsgewalt überlassen. Das hieße nur noch hypothetisch, dass ein neu zu bauender Tunnel mit Kraftverkehr an dieser Stelle bleiben könne, da die Stadt „kein Verlangen in diesem Sinne“ äußern werde.
Praktisch bliebe dann entweder ein umgebauter alter Tunnel künftig exklusiv Fahrradverkehr und Fußgängern vorbehalten oder aber, die Unterquerung der Bahngleise könne ganz verschwinden. In dem Falle würde der existierende Fußgängertunnel zwischen König- und Mühlenstraße nach Abstimmung mit der Stadt für den Fahrradverkehr erweitert.
Verhandlungen mit der Bahn: Verwaltung klärt umfassend über Gründe für schnelle Entscheidung auf
Ist das nicht doch der befürchtete Super-GAU für die Argumentation der Bedenkenträger? Nicht ganz, denn an diesem Abend wurden nicht alle Türen zugeschlagen, genaugenommen eine sogar wieder geöffnet. Aber der Reihe nach. Denn wieso soll an dieser Stelle kein Tunnelneubau nach Elmshorner Vorstellungen den bestehenden Verkehr erhalten und durch ein dann deutlich vergrößertes Bauwerk erleichtern?
Auftritt Jule Gehring. Die Sachgebietsleiterin des Teams Bahnprojekte legte in einem beeindruckend eloquenten wie auch fundierten Beitrag alle Aspekte zum Erhalt oder Umbau der Unterführung dar. Die Quintessenz: Letztlich habe die Stadt gar keine andere Wahl, als sich vom Kraftverkehr durch den Geschwister-Scholl-Tunnel zu trennen. Und eine Entscheidung musste jetzt her, um überhaupt eine Chance auf Mitwirkung im Gespräch mit der Bahn zu haben. „Für mich sind hier keinerlei Fragen mehr offen geblieben“, urteilte FDP-Ausschussmitglied Lennard Schilling zum Sitzungsende.
Kosten-Nutzen-Rechnung rechtfertigt an dieser Stelle keinen Tunnelneubau für Kraftverkehr
„In dem Moment, in dem wir Anforderungen an eine Bauausführung dieser Querung unter Regie der Bahn stellen, wären wir auch bei den Kosten im Boot“, legte Gehring dar. „Wir sprechen dabei von 27,3 Millionen Euro plus X.“ Und das für zurzeit um die 5000 KFZ täglich, die den Tunnel nutzen und von denen laut Verkehrszählung lediglich 330 über den Tag verteilt den Weg Richtung Süden und damit zu Teilen auch zu Holz Junge einschlügen. Die ebenfalls in die Diskussion geratene Ost-West-Brücke bewältige täglich das vierfache an Fahrzeugen.
Das für die finanziell stark gebeutelte Stadt unschlagbare Argument: Ein Erhalt als Fahrrad-/Fußgängertunnel oder gar die Schließung der Unterquerung, dann mit Verlegung des Radverkehrs in die Unterführung Mühlenstraße, blieben Sache der Bahn. Elmshorn könne das Geld anderweitig verwenden als für eine in zehn Jahren benötigte Untertunnelung, für die künftige Verkehrsströme bei Fortsetzung der Mobilitätswende heute noch gar nicht absehbar seien.
Ost-West-Brücke: Ausschussleiter erteilt aus Sicht der Politik eine vorläufige Absage an Umbaupläne
Aber war da nicht der Konflikt mit gleichzeitig vorgebrachten Plänen zu besagter Ost-West-Brücke? Die sollte laut einem Planungspapier von vier auf zwei Spuren verschmälert und stattdessen mit zwei Fahrradstreifen ausgestattet werden.
„Da hat es wohl selten einen unglücklicheren Zeitpunkt für eine entsprechende Initiative gegeben als für diese“, machte Andreas Hahn auf Anfrage aus dem Publikum deutlich. „Es ist noch gar nichts entschieden; das ist jetzt noch wirklich nicht soweit. Und unter den Bedingungen, die jetzt beim Bahnhof und Geschwister-Scholl-Tunnel sein werden, kann ich mir schon vorstellen, dass die Entscheidung auch anders ausfallen wird, als sie einige vielleicht gerne möchten.“
Neuer ZOB: Künftiger Tunnelbau soll möglicherweise doch für Kraftverkehr geöffnet werden
Womit den Gewerbetreibenden der Oststadt schon mal eine Sorge um ihre Anbindung ans Zentrum genommen wäre. Und eine weitere Option scheint doch noch nicht vom Tisch. Ursprünglich hieß es, dass die künftige Bahnunterquerung zwischen Berliner Straße und neuem ZOB am Steindammpark nur dem ÖPNV sowie nicht-motorisiertem Verkehr vorbehalten bleiben solle. Gefährdung von Fördermitteln war das Argument.
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Gefährdet heißt aber nicht ausgeschlossen. Und so erteilte der Ausschuss der Stadt nach dem durch Lennard Schilling (FDP) eingebrachten und von der SPD mitgetragenen Antrag, bei nur zwei Enthaltungen den Prüfauftrag, die Möglichkeiten zur künftigen Nutzung der Querung ZOB-Berliner Straße für den Motorisierten Individualverkehr (MIV) zu erörtern. Dies könnte gegebenenfalls unter Ausschöpfung anderer Fördertöpfe als bislang geplant erfolgen.
Holz Junge: Geschäftsführer sieht größte Bedenken gegen Umbaupläne abgeschwächt
Carsten Junge zieht eine versöhnliche Bilanz: „Zum Thema Ost-West-Brücke würden wir auch meinen, dass Verwaltung und Politik erkannt haben, dass eine Verengung zu Gunsten von Radspuren über diese recht steile Brücke insbesondere im Zusammenhang mit der Tunnel-Schließung hinfällig und zumindest vorerst vom Tisch ist“, sagte der Geschäftsführer von Holz Junge.
Mit Blick auf die Tunnellösung gibt sich Junge gleichfalls einsichtig, stellt aber Anforderungen: „Die Schließung des alten Tunnels ist zweifelsohne wirtschaftlich betrachtet die einzig sinnvolle Entscheidung gewesen, sofern dann die alternative Querung durch den großzügigen neuen ZOB-Tunnel für den MIV gewährleistet ist“, sagt der Firmenchef und appelliert an die Politik: „Dies genau sollte das gemeinsame Ziel aller Parteien und der Verwaltung werden. Immerhin täglich 5000 PKW, die diese kürzeste Innenstadtverbindung nutzen, sollten Politik und Verwaltung im Interesse aller Elmshorner weiter verfolgen.“