Hamburg/Kreis Pinneberg . Bahn von Hamburg nach Kaltenkirchen: Wie aufwendig der 270 Millionen Euro teure Umbau wird, zeigt sich jetzt auf der Strecke.

In genau sieben Wochen wird die AKN-Bahnstrecke der Linie A1 zwischen Ellerau, Quickborn,  Hasloh und Bönningstedt ein Jahr lang komplett gesperrt sein. Die 12.000 Fahrgäste, die hier täglich mit der Bahn zur Schule oder Arbeit nach Hamburg pendeln, müssen von Montag, 2. September, an bis Burgwedel in den Ersatzbus umsteigen. Vom ZOB in Quickborn gibt es zusätzlich – wie berichtet - jede Stunde einen Expressbus über die A7 bis zum U-Bahnhof Niendorf-Markt, der nur noch am Bahnhof Ellerau einmal hält.

Grund für diese abermalige Vollsperrung der Bahnstrecke bis voraussichtlich Ende August nächsten Jahres sind die Arbeiten für  die Elektrifizierung. Denn zum Fahrplanwechsel im Dezember 2028 soll die neue S-Bahnlinie 5 diese Strecke der AKN bis nach Kaltenkirchen befahren. Die Fahrgäste brauchen dann nicht mehr, wie bisher, in Eidelstedt in die S-Bahn umzusteigen, sondern können bequem von Kaltenkirchen, Henstedt-Ulzburg oder Quickborn aus bis zum Hamburger Hauptbahnhof sitzenbleiben.

AKN-Strecke: Kosten für die Elektrifizierung werden nun auf 270 Millionen Euro geschätzt

Die Elektrifizierung dieser etwa 30 Kilometer langen Bahnstrecke wird die beiden Länder Schleswig-Holstein und Hamburg nach derzeitigem Stand rund 270 Millionen Euro kosten. Vor fünf Jahren gingen die Planer noch von 120 Millionen Euro aus. Welche gewaltigen Bau- und Umbaumaßnahmen an Technik für die Stromleitungen und an allen 15 Bahnhöfen zwischen Eidelstedt und Kaltenkirchen dafür notwendig sind, zeigte AKN-Projektleiter Heiko Metzger jetzt am Bahnhof Schnelsen, der so gut wie fix und fertig umgebaut ist.

Die 15 Bahnsteige entlang der Strecke zwischen Hamburg-Eidelstedt und Kaltenkirchen sind alle 20 Zentimeter zu tief für die S-Sahn. Der Bahnsteig am Bahnhof Schnelsen ist bereits auf 96 Zentimeter erhöht worden, zeigt hier Projektleiter Heiko Metzger. So können hier künftig auch die Fahrgäste barrierefrei ein- und aussteigen.          
Die 15 Bahnsteige entlang der Strecke zwischen Hamburg-Eidelstedt und Kaltenkirchen sind alle 20 Zentimeter zu tief für die S-Sahn. Der Bahnsteig am Bahnhof Schnelsen ist bereits auf 96 Zentimeter erhöht worden, zeigt hier Projektleiter Heiko Metzger. So können hier künftig auch die Fahrgäste barrierefrei ein- und aussteigen.           © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Da sind zunächst die Bahnsteige. Sie sind zu kurz und zu tief. Die dieselbetriebenen Triebwagen der AKN sind nur etwa 100 bis 120 Meter lang, die S-Bahn-Züge dagegen genau 132 Meter lang. Darum würden nun alle 15 Bahnsteige entlang der Strecke bis Kaltenkirchen auf 138 Meter verlängert, damit die Lokführer noch etwas Spiel zum Halten haben.

Die Fahrgäste der höhergelegten S-Bahn würden aber an den bisherigen AKN-Haltestellen aus den Waggons stolpern oder gar fallen, weil die Bahnsteige der AKN nur 76 Zentimeter hoch sind, wie Projektleiter Metzger erklärt. „Wir müssen darum alle Bahnsteige um 20 Zentimeter auf das S-Bahn-Niveau erhöhen.“ Zusätzliche Rampen auf beiden Seiten der Bahnsteige sorgen für einen barrierefreien Zugang.

Alle 15 Bahnsteige entlang der Strecke müssen um 20 Zentimeter erhöht werden

Das bedeutete für den Bahnhof Schnelsen nun, zusätzlich eine 20 Zentimeter hohe Sandschicht mit Pflasterung auf den 720 Quadratmeter großen Bahnsteig aufzufüllen, etwa 144 Kubikmeter Sand und Steine. Genau dies wird nun ab September auch auf den ersten fünf Bahnsteigen auf Schleswig-Holsteinischem Boden hinter der Landesgrenze von Hamburg geschehen, erklärt Metzger. Zudem wird an den Kanten der Bahnsteige ein reliefartiges Leitsystem für sehbehinderte Menschen in die Pflasterung eingefräst, damit diese Personen wissen, wo der Zug hält.

Auch die Beleuchtung wird auf allen Bahnhöfen durch neue, energiesparende LED- und Glasfasertechnik ersetzt. Am Bahnhof Schnelsen sind so nun 21 neue Laternenmasten aufgestellt worden. Zudem müsse die Strecke auf Teilstücken in Eidelstedt, zwischen Quickborn und Ellerau sowie in Ulzburg-Süd und Kaltenkirchen noch zweigleisig ausgebaut werden.

Ab September werden die nächsten 395 Strommasten bis Ellerau errichtet

Die wichtigste Umbaumaßnahme betrifft natürlich die Stromverbindung für die S-Bahnzüge. Anders als in Hamburg, wo dies wegen der vielen Tunnel mit einer Stromschiene bewerkstelligt wird, baut die AKN zwischen Kaltenkirchen und Eidelstedt nun 984 Strommasten, die zwölf bis 14 Meter hoch sind und sich meist links und rechts der Schienengleise gegenüber stehen. Die Gründung dieser Stahlmasten, die es je nach benötigter Traglast in zweifacher Ausführung gibt, sei recht aufwendig.

Die ersten 160 Strommasten für die Oberleitungen stehen bereits. Für den Streckenabschnitt zwischen Burgwedel und Ellerau werden demnächst die nächsten 395 Masten errichtet. Insgesamt werden es fast 1000 Strommasten sein.
Die ersten 160 Strommasten für die Oberleitungen stehen bereits. Für den Streckenabschnitt zwischen Burgwedel und Ellerau werden demnächst die nächsten 395 Masten errichtet. Insgesamt werden es fast 1000 Strommasten sein. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Die ersten 160 Strommasten für die künftigen Oberleitungen stehen bereits. Für die etwa zwölf Kilometer lange Strecke zwischen Burgwedel und Ellerau würden ab September weitere 395 Strommasten errichtet, erklärt Projektleiter Metzger. Dafür mussten nun entlang der Gleise komplett neue Leitungen verlegt werden, die noch dazu induktionssicher sein müssten und die Oberleitungen mit dem nötigen Strom für die S-Bahnzüge versorgen sollen.

Projektleiter: Eine Stromschiene wäre an den Bahnübergängen zu gefährlich

Da es entlang der Strecke bis Kaltenkirchen etwa 30 mit Halbschranken ausgestattete Bahnübergänge für die Fahrzeuge gibt, seien die Oberleitungen auch aus Sicherheitsgründen statt einer Stromschiene gewählt worden, erklärt Metzger. „Das hätte sonst ein viel zu hohes Gefahrenpotenzial bedeutet“, sagt Metzger. „Nicht auszudenken, wenn jemand dort einen elektrischen Schlag von 1200 Volt durch eine Stromschiene erhalten würde.“

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Die Oberleitungen reichten dann bis zum Bahnhof Kaltenkirchen. Eine Verlängerung weiter in Richtung Norden bis Bad Bramstedt oder darüber hinaus wäre mit den Oberleitungen nicht möglich, erklärt Metzger. Dafür sei der Bahnhof in Kaltenkirchen zu niedrig und er könnte auch nicht tiefer gelegt werden, weil sich direkt darunter ein Regenrückhaltebecken befinde.

Die Stellwerk-Technik muss auch komplett erneuert werden

Gesteuert wird die Bahnstecke über die vollautomatischen Stellwerke in Bönningstedt, Quickborn und Ulzburg-Süd, die wiederum von der Leitstelle der AKN in Kaltenkirchen überwacht würden. Diese Stellwerke seien zwar erst etwa 20 Jahre alt. Aber die Firma Siemens, die die Technik dafür geliefert hat, habe diese aus dem Programm genommen. Somit musste die AKN für die Elektrifizierung auch eine komplett neue Stellwerktechnik von Siemens anschaffen, was ein zusätzlicher Kostenfaktor bei diesem Projekt sei, so Metzger.

Auch das Bahnhofsschild vom AKN-Bahnhof Schnelsen an der Pinneberger Straße muss noch erneuert werden.
Auch das Bahnhofsschild vom AKN-Bahnhof Schnelsen an der Pinneberger Straße muss noch erneuert werden. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Geplant ist, dass die S-Bahn von Ende 2028 an überwiegend im 20-Minuten-Takt zwischen Kaltenkirchen und dem Hamburger Hauptbahnhof verkehrt. In der Hauptverkehrszeit fahren die Züge zwischen Quickborn, Eidelstedt und der Hamburger Innenstadt und zurück auch alle zehn Minuten. „Das wird so bleiben“, ist Metzger überzeugt. Die S-Bahn werde, weil sie je Waggon über zwei zusätzliche Türen verfüge, auch die Fahrgäste schneller ein-und aussteigen lassen können.

Die Bahntrasse wird weiterhin der AKN gehören, die sie an die S-Bahn vermietet

Ein Kuriosum bringt die Elektrifizierung dieser Bahnstrecke ebenfalls mit sich. Sie wird weiterhin der AKN-Bahngesellschaft gehören, an der die beiden Länder Hamburg und Schleswig-Holstein beteiligt sind und die die elektrifizierte Bahntrasse an die S-Bahn vermieten wird. Metzger: „Dies wird die erste Strecke der Hamburger S-Bahn sein, deren Gleise nicht der Deutschen Bahn gehören.“ Zudem werde die S-Bahn etwa 16 zusätzliche Züge für diese Strecke einsetzen, wofür sie bestimmt einen Großteil der 90 Lokführer der AKN gut gebrauchen könnte.

Die Fahrgartenautomaten sind fast das einzige, was auf den Bahnsteigen nicht ausgetauscht werden muss. AKN-Sprecherin Maren Brandt auf dem Bahnsteig Schnelsen, der ab dem 2. September wieder in Betrieb gehen wird.
Die Fahrgartenautomaten sind fast das einzige, was auf den Bahnsteigen nicht ausgetauscht werden muss. AKN-Sprecherin Maren Brandt auf dem Bahnsteig Schnelsen, der ab dem 2. September wieder in Betrieb gehen wird. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Denn auch bei den Bahnunternehmen sei der Fachkräftemangel zu spüren, erklärt AKN-Sprecherin Maren Brandt. „Wir bilden zurzeit 25 neue Lokführer aus“, sagt sie. „Der Markt ist dicht. Ohne Lokführer fahren die Bahnen nun einmal nicht.“ Die Ausbildung dauere ein Jahr. Bislang führen fünf Frauen die AKN-Triebwagen.