Elmshorn. Kapazität am Limit: Wie der Tierschutzverein das Gelände an der Justus-von-Liebig-Straße erweitert, und wer an die Vereinsspitze rückt.

Amalie sprüht trotz ihres fortgeschrittenen Alters vor Energie. Als die American Staffordshire-Mischlingsdame dem hohen Besuch vorgestellt wird, möchte sie sofort jeden Gast kennenlernen, also beschnüffeln. Und es ist viel los an diesem Tag im Elmshorner Tierheim in der Justus-von-Liebig-Straße. Thomas Schröder, der Präsident des Deutschen Tierschutzbunds, ist während seiner Schleswig-Holstein-Tour durch die Tierheime des Landes nun auch an der Krückau vorstellig geworden – und erfuhr dort zwei wichtige Neuigkeiten: Das Tierheim wird größer, und es gibt einen Wachwechsel.

Die Geschichte der freundlichen Vierbeinerin Amalie ist dabei eine typische, stellvertretend für einen großen Anteil an Hunden, Katzen und anderen Tieren, die hier in Obhut genommen werden. „Amalie stammt aus einer Sicherstellung wegen Verstoßes gegen ein Tierhaltungsverbot“, erklärt Brigitte Maeder, die in den vergangenen 16 Jahren den Vorsitz im Tierschutzverein Elmshorn und Umgebung e.V. innehatte.

Elmshorn: Mischlingshündin Amalie wird ihr Leben wohl im Tierheim beenden

„Leider wird Amalies Geschichte wohl auch hier bei uns enden“, fährt Brigitte Maeder fort. „Natürlich würden wir sie gern noch an ein neues Zuhause vermitteln, aber sie ist mit geschätzt zwölf bis 14 Jahren schon sehr alt und hat wohl nur noch ein Jahr zu leben.“ Sie wird wahrscheinlich dann auch in die Statistik der „Langsitzer“ eingehen, die nach – in Einzelfällen bis zu zehn – Jahren liebevoller Pflege in Elmshorn ihre letzte Reise antreten, ohne vorher ein Zuhause gefunden zu haben.

Tierheimmitarbeiterin Lydia Brauer stellt den Besuchern die schüchterne Mischlingsdame Gigi vor.
Tierheimmitarbeiterin Lydia Brauer stellt den Besuchern die schüchterne Mischlingsdame Gigi vor. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Da sieht es mit der schüchternen „Gigi“ vermutlich besser aus, die in Begleitung von Tierheimmitarbeiterin Lydia Brauer in die Runde geführt wird. Die eineinhalb Jahre alte, schwarz-graue Mischlingshündin hat wie Amalie gerade erst ihren Quarantäne-Monat im Heim absolviert und stammt aus derselben Sicherstellung. Die Chancen stehen gut, dass ihre Verweildauer in der Justus-von-Liebig-Straße schon vor Ablauf der durchschnittlich drei Monate pro Hund enden wird.

Sicherstellung von Tieren: Tierhalteverbote werden oft ignoriert.

Leider wird auch bei erfolgreicher Vermittlung Gigi schnell eine Nachfolgerin für ihren Pflegeplatz finden. Ihre Herkunftsgeschichte und die von Amalie sind typisch für das Tagesgeschäft der Elmshorner Tierschützerinnen und -schützer. „Wir haben zwar einige Leute mit Tierhalteverbot im Kreis, aber darunter sind auch unsere ‚Pappenheimer‘, die das ignorieren, sich immer wieder neue Tiere holen, sie aber nicht versorgen können“, berichtet Lydia Brauer. „Von der Frau, von der wir Gigi und Amalie geholt haben, sind seit Ende März zehn Hunde und fünf Katzen zu uns gekommen.“

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, lässt sich im Beisein der Landesverbandsvorsitzenden Ellen Kloth und der neuen Elmshorner Vorsitzenden Susanne Kehrhahn-Eyrich von Brigitte Maeder die Baustelle erklären.
Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, lässt sich im Beisein der Landesverbandsvorsitzenden Ellen Kloth und der neuen Elmshorner Vorsitzenden Susanne Kehrhahn-Eyrich von Brigitte Maeder die Baustelle erklären. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Und es wird nicht weniger. Was Wunder, dass die Elmshorner Tierschützer nun eine gehörige Stange Geld in die Hand nehmen und in drei Bauabschnitten das Heim in der Justus-von-Liebig-Straße den Bedürfnissen entsprechend erweitern. „Der erste Bauabschnitt hat rund 200.000 Euro gekostet“, sagt Brigitte Maeder und blickt voraus auf die ähnlich kostspieligen Phasen, die jeweils im Dezember 2024 und 2025 abgeschlossen sein sollen. Alles finanziert aus Spenden und Zuschüssen.

Neue Chefin des Tierschutzvereins kennt sich mit Geld aus; sie war bislang Schatzmeisterin

Geld. Ein Thema, mit dem sich Susanne Kehrhahn-Eyrich bestens auskennt. Die Mitarbeiterin aus dem Presseteam des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie ist seit drei Jahren aktives Mitglied im Tierschutzverein Elmshorn und Umgebung e.V., zuletzt als Schatzmeisterin. Doch nun wächst die Verantwortung für die Frau aus Raa-Besenbek noch einmal an; sie hat das Amt der Vereinsvorsitzenden von Brigitte Maeder übernommen.

Das Tierheim Elmshorn in der Justus-von-Liebig-Straße steht seit 2024 unter neuer Leitung. Susanne Kehrhahn-Eyrich aus Raa-Besenbek (l.) hat von Brigitte Maeder nach 16 Jahren an der Spitze die Leitung übernommen.
Das Tierheim Elmshorn in der Justus-von-Liebig-Straße steht seit 2024 unter neuer Leitung. Susanne Kehrhahn-Eyrich aus Raa-Besenbek (l.) hat von Brigitte Maeder nach 16 Jahren an der Spitze die Leitung übernommen. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Und die bisherige Amtsinhaberin blickt auf eine sehr rege Zeit als Tierschützerin zurück. „In den 16 Jahren mit mir als Vorstandsmitglied und als Vorsitzender haben wir hier im Verein 15.600 Tiere versorgt“, sagt Brigitte Maeder mit gemischten Gefühlen. „Jedes dieser Tiere war eine eigene Geschichte und hat dies zu einer schönen Zeit gemacht.“

Misshandlung von Tieren hat eine erschreckende Bandbreite

Aber nicht ausschließlich. Die Arbeit im Tierschutz geht auch immer wieder an die Seele, weshalb 16 Jahre zusätzlich in Verantwortungsposition nun genug sein sollen. „Es hat einen auch immer wieder belastet. Es gibt einfach zu viele Menschen, die ihre Tiere anders behandeln, als man es sich vorstellt“, sagt Maeder und ist teilweise immer noch erschüttert. „Sie haben ihre Tiere misshandelt, diese sind sogar auch sexuell missbraucht worden.“

Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, verleiht zusammen mit der Landesverbandsvorsitzenden Ellen Kloth der scheidenden Elmshorner Vereinschefin Brigitte Maeder die Silberne Ehrennadel des Deutschen Tierschutzbundes.
Der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, verleiht zusammen mit der Landesverbandsvorsitzenden Ellen Kloth der scheidenden Elmshorner Vereinschefin Brigitte Maeder die Silberne Ehrennadel des Deutschen Tierschutzbundes. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Dass solche Begebenheiten aus oft problematischen Haushalten herrühren, haben die Tierschützer auch am eigenen Leib erfahren müssen. „Da sind verletzte oder völlig verfilzte Tiere zu uns gebracht worden, deren Halter ihnen keine medizinische Versorgung haben zukommen lassen; und diese Personen stehen dann bei uns auf der Türschwelle und fordern ihren Hund oder ihre Katze zurück“, berichtet Brigitte Maeder. „Es ist zwar schon viele Jahre her, aber wir sind einmal sogar mit der Pistole bedroht worden, um das Tier wieder herauszugeben.“

Tierarztkosten haben sich in den letzten drei Jahren verdoppelt

Was die medizinische Versorgung angeht, ist dies ohnehin ein heikles Thema im Tierschutz. „Innerhalb der letzten drei Jahre sind die Kosten für tierärztliche Behandlung um rund 100 Prozent gestiegen“, weiß Verbandspräsident Thomas Schröder. „Dagegen will ich noch nicht einmal etwas sagen, denn Honorare für Tierärzte sind in den letzten 20 Jahren nicht nennenswert überarbeitet worden, aber ohne individuelle Vereinbarung wird dies extrem teuer.“

Die vollen Regale im Vorratsraum für Tierfutter täuschen darüber hinweg, dass jede Spende wichtig ist. Sehr viel Geld, rund 150.000 Euro im Jahr, geht allein für die medizinische Versorgung der Heimtiere drauf.
Die vollen Regale im Vorratsraum für Tierfutter täuschen darüber hinweg, dass jede Spende wichtig ist. Sehr viel Geld, rund 150.000 Euro im Jahr, geht allein für die medizinische Versorgung der Heimtiere drauf. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Wie teuer? „Pro Jahr müssen wir für Tierarztkosten rund 150.000 Euro aufwenden“, weiß Brigitte Maeder. „Aber wenn dann ein schönes Schicksal kommt, oder wir dann doch für Amalie zum Beispiel doch noch ein Heim finden sollten, dann ist es die ganze Anstrengung wert.“ 16 Jahre Einsatz, die nicht unbemerkt geblieben sind. Thomas Schröder hat sich auch aus anderem Grund das Elmshorner Tierheim auf seinen Reiseplan gesetzt. Gemeinsam mit Landesverbandschefin Ellen Kloth überreicht er Brigitte Maeder die Silberne Ehrennadel des Deutschen Tierschutzbunds.

Neue Vereinsvorsitzende kommt durch „Seelenhund“ zum Elmshorner Tierschutz

Eine hochverdiente Ehre, wie auch ihre Nachfolgerin Susanne Kehrhahn-Eyrich befindet. Die neue Vorsitzende fand ihren Weg zum Elmshorner Tierschutz wie so oft im Leben durch Zufall und lange vor ihrer aktiven Zeit hier. „Meine Kollegin Lydia Gottfried, die Öffentlichkeitsarbeit fürs Tierheim gemacht hat, meinte vor über zehn Jahren, sie hätte ‚den‘ Hund für mich“, erinnert sich Kehrhahn-Eyrich. „Und als sie mich dann hierhergeschleppt hatte, setzte sich so ein kleiner Welpe auf meinen Schoß. ‚Hexe‘ wurde dann mein Seelenhund.“

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Seit diesem Erlebnis ist Susanne Kehrhahn-Eyrich dem Elmshorner Tierheim tief verbunden. Beste Voraussetzungen für ihr verantwortungsvolles neues Amt, das man ja auch nicht von heute auf morgen übernimmt, richtig? „Ich bin gewissermaßen zu dieser Position hinentwickelt worden, aber ab einem Punkt hieß es dann auch nur noch ‚Augen zu und durch‘“, blickt die neue Vereinsvorsitzende mit einem Schmunzeln auf ihren Werdegang im Tierschutz zurück.

Die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt zur Erweiterung des Tierheims sind in vollem Gange. Ende 2025 soll alles fertig sein.
Die Arbeiten am zweiten Bauabschnitt zur Erweiterung des Tierheims sind in vollem Gange. Ende 2025 soll alles fertig sein. © Ulrich Stückler | Ulrich Stückler

Arbeit als Ehrenamtlerin, die ja nun auch noch zum eigentlichen Beruf obendrauf kommt. Und der ist als Redenschreiberin für den Präsidenten des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie auch recht fordernd. Bleibt da überhaupt noch Zeit für einen selbst? „Ich glaube, unsere Männer haben damit größere Probleme als wir selbst“, sagen scheidende und neue Vereinschefin wie aus einem Mund. Brigitte Maeder ergänzt mit einem Schmunzeln. „Wir werden hier auch nicht sagen, wie viel Stunden wir pro Woche für den Verein opfern; unsere Männer werden den Artikel doch auch lesen.“ Und ganz gewiss stolz auf ihre Frauen sein …