Haseldorf. Claudius Veit aus Haselau fährt alle zwölf Stunden auf den Strom. Er weiß alles über die Fischbestände – und macht sich Sorgen.
Dieser Mann ist kernig und wissbegierig. Neben seinem Hauptberuf als Landmaschinenmechaniker hat Claudius Veit noch eine Lehre gemacht: als Fischer, und das im Alter von 44 Jahren. Seither treibt ihn mindestens eine zweite große Leidenschaft an. Sie bringt ihn jedenfalls dazu, alle zwölf Stunden auf die Elbe hinauszufahren.
Die Familie hat ihn auf diesem Weg zum Fluss nicht geprägt. Und trotzdem zog der Junge von seinem Elternhaus am Altendeich, wann immer sich die Gelegenheit bot, an die Pinnau oder die Elbe zum Angeln. Und irgendwann bekam er vier Reusen geschenkt und Ärger von der Fischereiaufsicht, als er sie benutzte.
Letzter Elbfischer im Kreis Pinneberg: Junger, rauer Geselle lehrte ihn das Fischerei-Handwerk
Also wurde ein kleiner Erlaubnisschein beschafft, doch als die Reusen mehr wurden, war klar: Das dürfen nur Berufsfischer. Also begann Claudius Veit zu lernen und startete eine zweite Ausbildung über den Seiteneinstieg in die Fischerei. Die Familie musste erheblich zurückstecken, denn der Hohenhorster musste dreieinhalb Jahre lang seinen Jahresurlaub für den Blockunterricht in der Fischereischule in Rendsburg opfern.
„Das war schon eine tolle Zeit mit den jungen Naturburschen dort. Fischer sind raue Gesellen“, erinnert sich Veit an das Leben unter einem Dach mit vielen jungen Fischerei-Lehrlingen. Doch es wurden auch viele schöne Kontakte geknüpft, die bis heute andauern. Der Haselauer stand die harte und entbehrungsreiche Lehre durch, knapste sich zudem immer wieder Tage und Stunden ab, um auf verschiedenen Fangschiffen und Krabbenkuttern von Kollmar, Büsum und anderswo abzulegen.
Claudius Veit baut und knüpft die Stellnetze und Reusen selbst
Seit der Ausbildung ist Claudius Veit fit, um sich selbst bei den meisten Problemen zu helfen. Er entwirft und baut viel seines Fanggeschirrs selbst, flickt die Netze wie ein alter erfahrener Fischer und hat sich sein Boot so umgebaut, dass er von dort als Einzelkämpfer gut hantieren kann.
Wie die Fische wandern, wo sie sich am liebsten aufhalten. Das alles kennt Veit schon lange. Er beobachtet genau, wie sich die Tiere auf dem großen Fluss und in seinen Seitenarmen verhalten, was die Tide bewirkt und wie die anderen Schiffe und Menschen auf der Elbe ticken.
Mindestens alle zwölf Stunden müssen die Netze kontrolliert werden
Alle zwölf Stunden muss Claudius Veit aufs Wasser, wenn er in der Saison die Netze stellt. Dann bestimmt die Tide den Tagesablauf, damit der Fischer vom Haseldorfer Hafen bis auf die andere Elbseite alles erreichen kann und auf dem Heimweg nicht im Elbschlick stecken bleibt.
Gern stellt der Hohenhorster seine Netze und Reusen auch auf der niedersächsischen Seite der Elbe auf. Von dort beobachtet er mit Skepsis das neue Schiff am nahen Industriehafen Stade, das Flüssiggas (LNG) in die Lager an Land pumpt. Denn ins Brunsbüttel und Wilhelmshaven werden die Gasleitungen dieser LNG-Schiffe mit einem Chlorgemisch gereinigt, das in die Elbe und Nordsee geleitet werden darf.
Sorge wegen der LNG-Schiffe, deren Leitungen mit Chlor gereinigt werden
Allein in Wilhelmshaven sind 32 Tonnen pro Jahr genehmigt. Claudius Veit hofft, dass diese Einleitgenehmigung vor Stade nicht erteilt wird. Wie sein Vorgänger am Haseldorfer Hafen, Hermann Holtorf, und alle Elbfischer weiß Veit um die Sensibilität des Flusses, seiner Pflanzen und Bewohner.
Klar, dass auch der Haseldorfer aufpasst, die Bestände zu stärken, statt sie zu schwächen. Zu kleine Fische kommen sofort wieder ins Gewässer. Im vorigen Jahr sorgten Fischer, Angler und andere Förderer, dazu flossen auch Bundes- und EU-Mittel, dafür, dass mehr als 700.000 junge Aale, die sogenannten Glasaale, in den Gewässern zwischen Flensburger Förde und Elbe ausgesetzt wurden. Mehr als zehn Kilo allein vor Wedel und nahe der Krückaumündung.
Hervorragender Ausgleich für den Job am Schreibtisch
Claudius Veit liebt seine Arbeit an und auf der Elbe. Oft ist er morgens der Erste und abends der Letzte, der vom Haseldorfer Hafen ab- beziehungsweise dort anlegt. Gerne fährt er auch bei Wind und Regen, wenn nur wenige Touristen und Freizeitkapitäne unterwegs sind. Dann ist man eins mit der Natur und dem Fluss. Und er muss nicht im Ölzeug schwitzen oder sich hemdsärmelig von den Mücken und Jipers stechen lassen, die bei Wärme in Scharen ihren Blutdurst stillen.
„Für mich ist das ein hervorragender Ausgleich für meine Berufstätigkeit, bei der ich hauptsächlich im Büro sitze“, erzählt der 59-Jährige. Denn an Bord seines kleinen, selbst umgebauten Fischerboots, hockt Veit nur beim Fahren zwischen den ausgelegten Netzen auf dem Hosenboden.
Zu kleine Fische werden sorgsam wieder ins Wasser gesetzt
Beim Ziehen der Netze und Reusen ist immer schwere Handarbeit angesagt. Alles muss raus aus dem Wasser, geleert, gereinigt, und zum anschließenden Setzen wieder sorgfältig neu gelegt werden. Die Fische werden je nach Größe aussortiert und die Kleinen wieder sorgsam ins Wasser geleitet.
Heute hat Claudius Veit Glück. Im Stellnetz zappelt eine große Meerforelle. Ihr folgen später an den Reusen einige Aale zum Räuchern und zum Braten. „Ich fische ausschließlich für unseren privaten Bedarf und für Freunde“, erzählt der Hohenhorster.
Claudius Veit: „Aale sind Feinschmecker, mögen gern Garnelen“
Am liebsten sind ihm die Aale, auch wenn in den letzten Jahren viel mehr kleine als große ins Netz gehen. „Sehr viele der noch nicht fangfähigen Aale sind der Erfolg und Verdienst der privat organisierten und durch Spenden finanzierten Besatzmaßnahmen“, da ist Veit sich ganz sicher. „Nur durch die Symbiose von Naturschutz und Naturnutzung werden Fische und Fischer weiter bestehen können.“
„Die Aale sind Feinschmecker“, erzählt Veit und weist dabei das in der Blechtrommel von Günter Grass verbreitete Bild eines Pferdekopfes, in dem sich Schlangenfische suhlen, weit von sich. Viel mehr könnten Aale beispielsweise gut mit frischen Garnelen angelockt werden. „Sie haben einen feinen Geruchssinn und nehmen frisch bestückte Futterreusen auch in kilometerweiter Entfernung wahr“, erzählt der Elbfischer.
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Doch Mengen zu fischen, will Claudius Veit ohnehin nicht. Gern hilft er hingegen, wenn Not am Fisch ist. Vor Kurzem hatte Familie Hamster zwei Storchenküken per Hand zu füttern. Das gelang dank großzügiger Fischspenden von Elbfischer Claudius Veit. Für ihn keine große Sache, eher eine Selbstverständlichkeit. An und auf dem Fluss hilft man sich. Ehrensache.