Neuendeich. Ehepaar sucht Nachfolger für über die Region hinaus bekanntes Lokal. Schlimme Gerüchte machten die Runde. Doch was ist eigentlich dran?
Es war ein wenig wie Spießrutenlaufen für die Eheleute Marianne und Knuth Behr. Nachdem sie ihr Restaurant Aal-Kate zum Preis von 2,9 Millionen Euro auf einem Immobilienportal freigeschaltet hatten, kochten die Gerüchte über. Die einen erzählten von einer drohenden Pleite, die nächsten von einer Ehescheidung, und die Dritten wussten genau, dass der Ehemann schwer erkrankt sei. Nichts davon stimmt.
„Wir wollen verkaufen und warten darauf, dass der Richtige kommt“, sagt Koch und Küchenmeister Knuth Behr. Zeit- oder Gelddruck gebe es nicht. Die Freude an dem Beruf strahlen beide Eheleute weiterhin aus. Aber nach 30 Jahren sei es an der Zeit, Jüngere ranzulassen.
Aal-Kate an der Pinnau: Vater ermutigte schon beim Kauf, die „geht immer“
So hatte es auch vor jetzt fast genau 30 Jahren funktioniert. Eine junge Restaurant-Fachfrau und ihr Mann, beide um die 30 und auf dem Weg, eine große Familie zu gründen, entdeckten eine Chiffre-Anzeige „30 Kilometer vor Hamburg – schönes Restaurant zu verkaufen“.
Das junge Paar erkundete vorsichtig das neue Terrain, fragte nach und erhielt wenig später die Adresse: Aal-Kate, Kuhlworth 21 in Neuendeich. Das war nur wenige Kilometer von dem Ort, in dem Marianne Behr aufgewachsen war, vom Sommerland bei Elmshorn entfernt. Mariannes Vater gab die Richtung optimistisch vor: „Aal-Kate geht immer.“
Familie traut sich, 1994 den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen
Also ran an die neue Aufgabe. Wenig später ging es zum Probe-Essen in die Aal-Kate. Der gebratene Aal schmeckte zwar längst nicht so lecker, wie ihn die gebürtige Elmshornerin von zu Hause kannte. Doch mehr und besser geht immer, denn Marianne Behr wusste genau, was der leidenschaftliche Profi-Koch an ihrer Seite in der Küche zaubern kann.
Nach kurzem Überlegen wagten die jungen Eheleute den Sprung in die Selbstständigkeit. „Wir wussten nicht, was passiert“, erinnert sich Knuth Behr. „Das erste Vierteljahr sind wir nur hektisch herumgelaufen.“ Dann hatten sie es im Griff: die Kalkulation der Mengen, den Einkauf, das Team, die Abstimmung zwischen Küche und Service – und mittendrin wuchsen zwei Söhne und eine Tochter auf.
Fisch in allen Formen: Hervorragende Adresse für Liebhaber von Aal, Zander, Scholle und Co.
Seitdem läuft es in der Aal-Kate. Vor allem bei Fisch-Liebhabern ist das Restaurant eine hervorragende Adresse. Aal, geräuchert und gebraten, steht weiterhin ganz oben auf der Speisekarte. Zu den norddeutsch geprägten Fischspezialitäten zählt auch in Neuendeich der Hamburger Pannfisch.
Knuth Behr zelebriert ebenso gern leichte, neue Fisch-Kreationen. Zu den kulinarischen Genüssen aus Knuth Behrs Küche gehört seit Langem gebratenes Zanderfilet mit glasierten Apfelspalten auf Curryschaum, dazu wird Dominoreis gereicht.
Jetzt ist natürlich Matjeszeit. Stint wird dann serviert, wenn er gefangen wird, also von Februar bis April. Der Tag ist nicht nur in dieser Zeit lang: Knuth Behr fährt zweimal die Woche morgens um 5 Uhr zum Fisch-Markt, um die beste Ware auszusuchen. Gäste lieben neben dem Fisch natürlich auch die Aussicht über den nahen Fluss, und so mancher Gast legt unten am Anleger der Aal-Kate an.
Aal-Kate Neuendeich: In der Corona-Pandemie schmolz das Team um die Hälfte
Der Zuspruch ist sehr gut. Gigantisch schloss das Jahr 2019 ab. Mit 25 Mitarbeitern feierten Marianne und Knuth Behr wunderschöne Weihnachten. Und wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören. Die ersten Pläne für den Ausstieg aus ihrem Traumjob in ihrem Lieblingsort an der Pinnau wurden damals geschmiedet – dann kam erst Corona und obendrauf die Energie-Krise.
Nach der Pandemie ging es zwar weiter, dank der Stammkunden war alles zu wuppen. Aber das Team schmolz um die Hälfte. Deshalb mussten die Küchen- und Öffnungszeiten eingeschränkt werden. „Wir nehmen das an, was wir schaffen“, erzählt Marianne Behr.
Marianne Behr: „Wir gönnen uns jetzt mehr Auszeiten“
Aber eins hat sich seitdem verändert. „Wir gönnen uns jetzt mehr Auszeiten“, sagt die 59-Jährige. In dieser Zeit wird im gesamten Team die Kraft getankt, um weiterzumachen. Denn der Job macht nach wie vor Spaß, im Gastraum wie in der Küche.
Am liebsten wäre der leidenschaftlichen Gastwirtin natürlich, wenn in ihrem Sinne das Geschäft fortgeführt wird. „Natürlich mit eigenen Noten. Die haben wir hier auch an vielen Ecken und Kanten eingebracht“, erinnert sich Marianne Behr, wie sie in den ersten Wochen im Restaurant viel Zinn einsammelte.
Hotelanbau steckt als Plan noch in der Schublade
Die Einrichtung ist seitdem sparsam mit maritimem Stil. „Die Menschen wollen hier auf die Pinnau gucken und nicht auf ein Sammelsurium“, sagt die Chefin. Wer genau hinschaut, entdeckt schon noch ein paar Schätze in der Deko, zum Beispiel Originale des Wedeler Malers Ole West. Die maritimen Motive passen natürlich sehr gut in ein Fischrestaurant.
Doch in der vor wenigen Jahren energetisch optimierten Aal-Kate steckt noch mehr. „Das Grundstück ist groß genug“, erzählt Küchenmeister Knuth Behr. „Wir haben vor zwölf Jahren mal einen Hotelanbau geplant. Die Pläne waren schon genehmigt, sind aber noch nicht umgesetzt.“
Online-Vertrieb des Räucherfisches könnte neues Geschäftsfeld öffnen
„Und wir sind natürlich noch ziemlich oldschool unterwegs“, gesteht Marianne Behr. Der Online-Vertrieb mit geräucherten Aalen, Lachs und Forelle könne ein weiteres Geschäftsfeld öffnen. Räumlichkeiten seien dafür vorhanden.
Doch bis es so weit ist und der Wunsch-Partner auftaucht, werden wohl noch viele Tiden auf der Pinnau am Restaurant vorbeiziehen. „Wir sind dabei ganz entspannt“, sagt Knuth Behr. „Wir haben uns kein Zeit-Limit gesetzt.“ Und was sagen die Gäste? „Hoffentlich findet Ihr niemanden. Wir sind so gern bei Euch!“
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Doch alles hat seine Zeit. Gegründet wurde die Aal-Kate vor fast genau 65 Jahren. Der vom Hamburger Fischmarkt bekannte Aal-Gast, ein Typ wie heute Aale-Dieter, baute eine alte Kate zu einem Restaurant um. Später übernahm Wolfgang Blahm. Jetzt führt Familie Behr die Regie. Und wer prägt in fünf Jahren die wunderbare Gaststätte mit dem einmaligen Blick über den Pinnau und die Marsch?