Pinneberg/Neumünster. Wedelerin Juliane Brunkhorst muss mit Spitzenpferd passen. Andere reisten entnervt ab. Wie das Turnier dennoch ein Happy End bekam.

Es hätte alles so richtig gut laufen können für Juliane Brunkhorst und ihren Wallach Aperol bei den VR Classics in Neumünster. Die 40-Jährige aus Wedel hatte hart trainiert, ihr Dressurpferd war in Topform, beide hatten sich mit Siegen und Platzierungen für die World-Cup-Tour in den Holstenhallen qualifiziert, gehörten mit zu den Besten im Starterfeld.

Doch dann das: Eine neue Regel des Internationalen Reiter-Dachverbandes FEI schreibt vor, dass bei allen Pferden unmittelbar vor dem Start die Temperatur gemessen werden muss. Die Diagnose: Aperol hatte Fieber. Geschwächt wirkte er keineswegs wegen der leicht erhöhten Temperatur, doch aus Sicht der FEI ist Fieber nun mal Fieber. Damit konnte Aperol eine potenzielle Gefahr für andere Pferde in dem international besetzten Turnier darstellen. Der 13-Jährige musste in eine Isolationsbox. Das Aus für Juliane Brunkhorst und Aperol.

Nach Aperols Ausfall hat Juliane Brunkhorst noch zwei Asse im Ärmel

Die Berufsreiterin trug es mit Fassung, immerhin hatte sie mit Fürst Enno und Diamante Negro zwei Trümpfe für weitere Prüfungen mitgebracht. „Dumm gelaufen und sehr schade, aber das Tierwohl geht immer vor.“ Es sollte nicht der einzige Fall aus der Abteilung Pleiten, Pech und Pannen bei den VR Classics gewesen sein, bei denen es mit 613 Startplätzen in 25 Prüfungen um insgesamt 280.000 Euro Preisgeld ging.

Holger Wulschner (61), Springreiter aus Passin bei Güstrow, legte im Vorfinale richtig los. Sein Hengst Diamant de Plaisir ließ sich im bunten Parcours ablenken, kam ins Stocken. Wulschner fiel von dem bildschönen braunen Hengst und verließ zu Fuß mit Diamant de Plaisir am Zügel achselzuckend die Halle. Er war über diesen Fehler so genervt, dass er seine Sachen packte, seinen Turnierschrank zum Transporter schob, sich abmeldete und zurück in seinen Stall fuhr.

Janne Friederike Meyer-Zimmermann hat mit High Level Anlaufschwierigkeiten

Im Finale hatte dann auch die international erfolgreiche Janne Friederike Meyer-Zimmermann aus Waldenau mit ihrer sprunggewaltigen Fuchsstute High Level ein Erlebnis der unerwünschten Art. Der Druck war hoch, die Bundestrainer Otto Becker (Springsport) sowie Monica Theodorescu und Jonny Helberath (Dressur) schauten sehr genau hin, wer bei den nächsten Championaten in Aachen im März, in Hagen bei Horses & Dream im April und auf dem Pfingstturnier in Wiesbaden im Mai antreten darf.

Der anspruchsvolle Parcours mit 15 Hindernissen, bis zu 1,55 Meter hoch gebaut, war für die 40 Finalisten eine echte Herausforderung. Bei Janne Friederike Meyer-Zimmermann passte es bei der dreifachen Kombination nicht mit den Galoppsprüngen, der erneute Anlauf kostete Zeit und Strafpunkte. Auch die 43-Jährige war genervt, packte ihre Sachen.       

Paula de Boer-Schwarz erweist sich als Alleskönnerin

Ganz anders lief es bei Paula de Boer-Schwarz. Die Pinnebergerin ist eine Alleskönnerin, startete als Einzige in allen drei Disziplinen. „Springen, Dressur und Vielseitigkeit sind mein Ding.“ Sie war mit sechs Pferden nach Neumünster gereist, zeigte in fünf Touren und zwölf Starts kontinuierlich gute Leistungen.

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Paula de Boer-Schwarz ist mit ihrer Stute My Miss Marpel erstmals in der World-Cup Tour unterwegs. © Melanie Mallon | Melanie Mallon

Bei der internationalen Weltranglisten-Springprüfung mit 1,55 Meter hohen Hindernissen etwa belegte die 31-Jährige mit My Miss Marpel den fünften Platz und kassiert 1974 Euro. „Ich bin ultra stolz auf meine Pferde. Besonders die Runde mit My Miss Marpel fühlte sich so leicht und unbeschwert an. Es war sehr rhythmisch und harmonisch“, schwärmt Paula de Boer-Schwarz immer noch. „Ich fühle mich gebauchpinselt und bin unheimlich dankbar, dass ich so tolle Pferde reiten kann. Das ist auch für die Zukunft sehr wichtig.“

Mit Ingrid Klimke hält Olympiaflair Einzug in die Holstenhallen

In der Vielseitigkeit und der Dressur startete neben Paula de Boer-Schwarz auch Ingrid Klimke. Die Münsteranerin hat eine außergewöhnliche Expertise. Sie nahm fünfmal in Folge an den Olympischen Spielen teil, gewann dabei 2008 und 2016 Gold. Zweimal Team-Gold gab es bei den Weltmeisterschaften 2006 und 2014 sowie bei den Europameisterschaften 2011, 2013, 2015 und 2019.

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Ihr Können und ihre Erfahrung zahlten sich auch in Neumünster aus. In der Zwei-Phasen-Springprüfung über Naturhindernisse kam die 55-Jährige mit ihrer Stute Cascamara auf den zweiten Platz. Ebenfalls Platz zwei belegte sie in der Nationalen Dressurprüfung mit dem Hengst Freudentänzer. Bei der Auftaktprüfung zu dieser Disziplin schaffte es Freudentänzer sogar auf Platz eins.

Die Goldmedaillengewinnerin macht die VR Classics zum eigenen Familienfest

„Neumünster ist für mich nicht nur der Auftakt in die neue Saison, sondern auch ein Familienfest“, sagte Klimke. „Ich bin mit meiner Mutter, meiner Tante, meiner Tochter und Freunden hierhergekommen. In der Pflichtprüfung hätte Freudentänzer mehr Pepp zeigen können, das haben wir dann in der Kür wieder wettgemacht.“ Die VR Classics dienen auch als Training für das ganz große sportliche Ereignis. „Im Juli trete ich mit Freudentänzers Vater Franziskus bei den Olympischen Spielen in Paris an.“

Holtfreter
Nachwuchsreiterin Marie Holtfreter (18) ist mit ihrem Vierbeiner Amorio  bundesweit erfolgreich unterwegs. © Melanie Mallon | Melanie Mallon

Diese Fußstapfen sind für Marie Holtfreter noch ein paar Nummern zu groß. Die 18-Jährige aus Norderstedt war nicht für die VR Classics qualifiziert, hatte aber trotzdem einen großen Auftritt. Denn die BWL-Studentin hatte zuvor zehn Dressur-Siege auf S-Niveau errungen – und das auf fünf unterschiedlichen Turnierplätzen. Der Lohn kam vom Nationalen Reiter-Dachverband.

Außergewöhnlich: Marie Holtfreter erhält mit 18 Jahren bereits das Goldene Reitabzeichen

Marie Holtfreter wurde das Goldene Reitabzeichen ans Revers gesteckt. Es ist sehr selten, dass eine erst 18-Jährige diese hohe Auszeichnung bekommt. Die Reitstallkollegen feierten mit Spruchbändern, Luftballons und viel Applaus ihre zu Tränen gerührte „Goldmarie“.