Pinneberg/Halle. Fans und Spieler attackieren Schiedsrichter Fabian Stegner. Darauf folgt rechte Hetze im Netz. Vater will sich zur Wehr setzen.

Dieser Fall schlägt Wellen im Netz – und sie reichen bis in den Kreis Pinneberg: Bei einem Amateurfußballspiel der Stadtoberliga in Halle (8. Liga) ist am Sonntag Fabian Stegner von mehreren Spielern und Fans attackiert und geschlagen worden. Dabei ist der 32 Jahre alte Sohn des SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner leicht verletzt worden. Der Sohn des Pinneberger Bundestagsmitglieds hatte das Spiel als Amateurschiedsrichter geleitet.

Es sollen sich nach Augenzeugenangaben tumultartige Szenen abgespielt haben. Das Spiel ist dann schließlich nach mehreren Platzverweisen abgebrochen worden. Der Verein hat sofort Konsequenzen gezogen und drei beteiligte Spieler aus dem Verein geworfen.

Spielabbruch: Sohn von SPD-Vize Ralf Stegner wird als Schiri beim Fußball verprügelt

Stegner Senior verurteilt den tätlichen Angriff auf seinen Sohn, der in Halle studiert: „Gewalt hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen, nirgends, schon gar nicht im Sport“, sagte er am Mittwoch dem Hamburger Abendblatt. Er selbst habe früher auch 15 Jahre lang Fußballspiele als Schiedsrichter geleitet und könne sich ein wenig in die Situation seines Sohnes Fabian hineinversetzen.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Pinneberg: Ralf Stegner, hier an der Elbe in Wedel, verurteilt den Angriff auf seinen Sohn und die darauffolgende rechte Hetze im Netz.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Pinneberg: Ralf Stegner, hier an der Elbe in Wedel, verurteilt den Angriff auf seinen Sohn und die darauffolgende rechte Hetze im Netz. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Aber, und auch das betont Stegner, so krass sei es bei ihm nie gewesen. „Die Zeiten sind wohl schwieriger geworden“, wie die häufiger auftretenden Angriffe auf Schiedsrichter gerade auch in Hamburg und Schleswig-Holstein zeigten. In Sachsen-Anhalt soll es aber der erste Vorfall dieser heftigeren Art gewesen sein.

Verhalten der beteiligten Mannschaft sei für den Verein „ein Schlag ins Gesicht“

Das bestätigt auch Jörg Bihlmeyer, Vizepräsident des Fußballverbandes Sachsen-Anhalt und zuständig für den Spielbetrieb. „In dieser Aggressivität war es der erste Fall bei uns.“ Er kenne den Verein und seine Verantwortlichen sehr gut. Für die sei das Verhalten der Fans und Spieler „ein Schlag ins Gesicht“.

Fans und Spieler würden den erst 2016 gegründeten Verein Kine em, dessen 100 Mitglieder überwiegend aus Kurden bestehen, am Leben halten, für Sponsoren sorgen und sich für die Integration im Sport einsetzen. „Es ist erschreckend, was da passiert ist“, sagt Vizepräsident Bihlmeyer. Auf der Präsidiumssitzung in der kommenden Woche werde darüber beraten werden, welche weiteren Konsequenzen gezogen werden sollten und wie der Verband dem Verein helfen könnte.

Attacke gegen Schiri: Verband verurteilt jede Gewalt auf dem Platz

Verbandssprecher Robert Kegler teilt dazu noch mit: „Der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) verurteilt jede Form der Gewalt auf und neben den Fußballplätzen! Der Vorfall in Halle wird nun durch die zuständigen Instanzen des Stadtfachverbandes Halle aufgearbeitet und vor dem Sportgericht behandelt.“

Es war am Sonntag schon die Nachspielzeit im Spiel zwischen Kine em Halle und dem Reideburger SV angebrochen, als ein Elfmeterpfiff des Schiedsrichters Fabian Stegner den Tumult ausgelöst habe, wie Augenzeugen berichten. Mit dem Elfmeter ging Reideburg 2:1 in Führung und schien das Spiel gewonnen zu haben. Einige Spieler und Fans von Kine em schienen das nicht akzeptieren zu wollen, stürmten den Platz und gingen auf den Schiedsrichter los.

Elfmeter, Rote Karten: So eskalierte die Situation im Fall Stegner

Dabei soll auch ein Spieler von Reideburg geschlagen worden sein. Durch mehrere Rote Karten soll die Situation weiter eskaliert sein. Ordner bekamen die Situation schließlich wieder in den Griff, bevor die Polizei anrückte. Die Beamten ermitteln nun wegen Tätlichkeit und Körperverletzung.

Ein ehemaliger Funktionär des Vereins, der namentlich nicht genannt werden möchte, ist bestürzt über den Vorfall. Erst 2017 habe der Verein Kine em Halle die Deutsche Meisterschaft im Fairplay gewonnen. „Wir agieren an den Schulen und bringen den Kindern bei, gewaltfrei und ohne Rassismus Fußball zu spielen“, sagt der Mann über den Verein, der zwei Herrenmannschaften im Spielbetrieb habe.

Betroffener Verein gewann sogar Fair-Play-Wertung

Der Verein engagiere sich auch im Social Street Soccer und rufe zu Projekten gegen Gewalt und Rassismus auf. „Wir sind kein gewalttätiger Fußballverein. Dem Verein tut dieser Vorfall wahnsinnig leid. Wir wollen sowas nicht bei uns haben.“ Er hoffe, dass auch Fabian Stegner weiter sein Hobby als Fußballschiedsrichter ausüben möchte und könne.


Das würde er gerne tun, sagte der angegriffene Student am Mittwochnachmittag dem Abendblatt. „Mir geht es physisch
und psychisch gut.“ Er werde sich davon nicht unterkriegen lassen und habe sogar am Nationalfeiertag schon wieder ein Punktspiel als Schiedsrichter geleitet, sagt Fabian Stegner, der seit 15 Jahren Schiedsrichter ist und 60 bis 90 Spiele im Jahr als Schiedsrichter absolviere.

„Das ist ein wunderschönes Hobby, das mir sehr viel Spaß macht. Ich liebe diesen Sport. So etwas ist mir
bisher noch nie passiert. Aber ich werde weiterpfeifen“, sagt Fabian Stegner bestimmt. Das zuständige Sportgericht
befasst sich natürlich auch mit dem Vorfall.

Fußballverband setzte als erste Reaktion alle Spiele von Kine em für das Wochenende ab

Dass nun rechtsextreme Internetforen den Vorfall nutzten, um Häme und Hetze gegen ihn und seinen Sohn zu verbreiten, hält der Bundestagsabgeordnete und SPD-Vize Ralf Stegner für geradezu „widerlich“. So heißt es auf dem Portal eines angeblich „deutschen Schriftstellers und Journalisten“, dass dieser tätliche Angriff eines „Migrantenvereins“ direkte Folge der „ungebremsten Massenzuwanderung“ sei, die Ralf Stegner zu verantworten habe.

Vater Ralf Stegner sei als „linksradikaler Hetzer“ mitverantwortlich für diese Ausschreitungen gegenüber seinem Sohn von „randalierenden Fußballsyrern“. „Schreibtischtäter erster Güte“ und sogar „Täter“, heißt es da wörtlich.

Diese Häme und Angriffe von rechten Gruppierungen träfen seine Familie nicht das erste Mal, bedauert Stegner. Vor einigen Jahren habe es sogar Morddrohungen gegen ihn und seinen Sohn in Halle gegeben, bedauert Ralf Stegner. Seinerzeit habe es in Halle kurzzeitig eine Neonazi-Gruppierung gegeben, die mit vereintem zivilen Widerstand erfolgreich bekämpft werden konnte. Dass nun rechtsextreme Gruppen den Vorfall auf dem Fußballplatz nutzten, um gegen seinen Vater zu polemisieren, sei „nur widerwärtige Hetze“, die nichts damit zu tun hat.

So unschön der Vorfall gegen seinen Sohn auf dem Fußballplatz auch gewesen sei – gegen diese pauschalen Diffamierungen von rechtsextremen Hetzern müsse er sich entschieden zur Wehr setzen, sagt auch Stegner Senior.