Pinneberg. Alexandra Bimschas holt zwei Jahre nach einem schweren Unglück die Landesmeisterschaft. Warum sie über Nacht eine Kür zaubern muss.

Dass Alexandra Bimschas die Landesmeisterschaft gewinnt, hat nicht nur Kenner der Pferdeszene überrascht, sondern wohl besonders sie selbst. Grund: Die Voraussetzungen für den Sieg in der Dressur waren alles andere als gut. Die 52-Jährige vom Pinneberger Anakenenhof hatte sich beim Training vor zwei Jahren mit einem jungen Pferd überschlagen und das Becken gebrochen.

Pferdesport Comeback: Nach zwölf Stunden OP dauert die Zwangspause ein Jahr

„Die Operation dauerte zwölf Stunden, die Zwangspause ein ganzes Jahr“, sagt Bimschas. Und dann erkrankte auch noch ihr Dressur-As Bon Amour, der Wallach brauchte ebenfalls rund zwölf Monate, um wieder fit zu werden. „Mir fehlen also zwei Jahre“, sagt Bimschas.

Damit nicht genug: Zunächst hatte die Amazone lediglich drei ihrer Schüler angemeldet. Spontan entschloss sie sich dann aber, mit Bon Amour in der Dressurprüfung der Klasse*** der Großen Tour an den Start zu gehen.

Und auch da ritt sie nicht auf Sieg. „Es war für Bon Amour eigentlich ein Stresstest.“ Einen besseren Ort für ein Trainingsturnier mit Musik, Siegerehrungen, Publikum, kläffenden Hunden, spielenden Kindern und Rummel gibt es in dieser Form mit Dressur- und Springreitern kaum. Und auf dem See am Pagelplatz lief parallel auch noch Wassersport. Für die Vierbeiner ist das Turniergeschehen mit all dem Trubel Ablenkung pur. Es geht hier um die Konzentration, darum, dem Reiter zu folgen.

An den drei Prüfungstagen steigert sich das Duo kontinuierlich

In den drei Prüfungstagen steigerte sich das Duo von Prüfung zu Prüfung in der schweren Klasse. Es ist erst Bon Amours dritter Grand Prix und seine erste Kür. Als klar war, die Reise geht in das Finale, fehlten zunächst die Kürmusik und ein Plan, welche Lektionen auf den Dunkelfuchs passen könnten. Woher mal eben alles nehmen? In dieser Klasse des Turniersports gibt es klare Anforderungen und 21 Kriterien im Deutschen Turniersport, die abgearbeitet werden müssen.

Die Punktrichter bewerten etwa die Harmonie zwischen Pferd und Reiter. Die Choreographie, die eine klare Linienführung mit ideenreichen Inhalt bieten soll, der Schwierigkeitsgrad bekommt ebenfalls eine Sondernote, und der musikalische Gesamteindruck zählt.

Alexandra Bimschas attestiert ihrem Wallach einen Mix aus Genie und Wahnsinn

„Zum Glück konnte ich aus meiner alten Zeit über Nacht flott mit dem Instrumentalmix von La Camisa Negra alles hervorzaubern“, sagt Bimschas. Und der Weg war mit Bon Amour nicht immer einfach. „Dieses Pferd hat seinen eigenen Kopf, ich habe an Bon Amour immer geglaubt. Es ging oft einen Schritt voran und zwei zurück“, sagt Bimschas. „Es ist ein ganz schmaler Grat zwischen Genie und Wahnsinn.“

Jeden Morgen ist Bimschas die Erste im Stall und sattelt in Ruhe ihren Vierbeiner. „Dann haben wir die Halle für uns und ich kann sein Nervenkostüm fühlen, beziehungsweise lesen. Er ist manchmal hektisch wie ein Duracell-Männchen, hat einen Tunnelblick. Weniger ist manchmal einfach mehr“, sagt die Profireiterin.

Der Überraschungstitel ist nun die Kirsche auf der Sahnetorte. Kollegen haben oft an Bon Amour gezweifelt, Bimschas hat an ihren Zielen stoisch festgehalten und sich nicht beirren lassen. Ein neuer Grand-Prix-Prüfungsabschnitt wird am Freitag, 29. September bis zum Sonntag, 1. Oktober, beim Schenefelder Dressurfestival im Reitstall Klövensteen eingeläutet.

Paula de Boer startet als einzige Teilnehmerin in Dressur und Springreiten

Zwischen den großen Bad Segeberger Prüfungsplätzen im Spring- und Dressursport war die gebürtige Pinnebergerin Paula de Boer eine Ausnahme. Denn die 30-Jährige war die einzige, die bei der Landesmeisterschaft sowohl in der Dressur als auch im Springen startete.

Springreit-Vizelandesmeisterin Paula de Boer plant als nächste Station ein Turnier in Belgien.
Springreit-Vizelandesmeisterin Paula de Boer plant als nächste Station ein Turnier in Belgien. © Melanie Mallon | Melanie Mallon

Sie sattelte ihre beiden Dressurpferde Herakles und Ludowig sowie Springpferd My Miss Marpel. Die Startzeiten müssen da exakt abgestimmt sein, für die Vorbereitungen auf die komplett unterschiedlichen Prüfungen braucht es viele fleißige Helfer. „Das Pensum ist ansonsten nicht zu schaffen“, sagt die erfahrene Reiterin.

Die Landestitelkämpfe sind ein fester Termin im Kalender von Paula de Boer

Auf dem Landesplatz in Bad Segeberg kennt die junge Mutter jeden Baum. „Ich bin hier groß geworden, die Landesmeisterschaft ist für mich ein feststehender Termin“, sagt die erfolgreiche Pferdefachfrau.

Im Springsport ging es auf der neun Jahre alten My Miss Marpel mit 15 weiteren Finalisten an den Start. Mit ihr blieb noch Christian Hess aus Heidmühlen (Kreis Segeberg) fehlerfrei. Im Stechen zog der internationale Springreiter ganz knapp an Paula de Boer vorbei. „Den Sieg hätte ich gerne gehabt, Vize-Landesmeisterin ist aber auch in Ordnung“, sagte Paula de Boer.

Ihr Terminplan dreht sich gewaltig nach vorn, am Freitag, 22. September, geht es mit vier jungen Nachwuchspferden zum Preis der Besten im 500 Kilometer entfernten Lanaken/Belgien. Die Eintrittskarte dafür hat sich Paula de Boer mit ihren vier Talenten in Warendorf beim Bundeschampionat Anfang September erarbeitet. „Ich freue mich und bin gespannt, wie meine Pferde reagieren.“