Kreis Pinneberg. Immer mehr Geflüchtete drängen in den Kreis Pinneberg. Das Amt sei überlastet. Darum fordert die Verwaltung dringend mehr Personal.
Die Zuwanderungsbehörde, in die die Ausländerbehörde des Kreises Pinneberg inzwischen umbenannt ist, pfeift personell aus dem letzten Loch. Insbesondere durch die 4000 Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine in den Kreis Pinneberg geflüchtet sind, könnten in der Behörde nicht mehr alle Aufgaben erledigt werden.
Es bestehe dringender Handlungsbedarf, schreibt Fachdienstleiter Uwe Koltzau in einer dramatisch anmutenden Beschlussvorlage an die Kreispolitik. Er fordert mindestens acht zusätzliche Stellen.
Zahl der Kundinnen hat sich seit 2019 um ein Drittel erhöht
Wörtlich heißt es darin: „Leider hat sich nunmehr herausgestellt, dass mit dem aktuellen Personalbestand die Funktionsfähigkeit der Zuwanderungsbehörde nicht mehr gesichert werden und der Fürsorgepflicht gegenüber den Kollegen*innen nicht mehr genügt werden kann.“
Die Zahl der Kundinnen und Kunden habe sich innerhalb eines Jahres durch die vielen hier jetzt lebenden Geflüchteten um fast 20 Prozent von 41.100 auf 48.700 Menschen sprunghaft erhöht. Im Vergleich zum Januar 2019 sind das sogar 12.000 mehr Migranten-Kunden.
Die sechs zusätzlich bewilligten Stellen reichten längst nicht mehr aus
Darum sei die Personalbemessung von Anfang 2022 – vor Beginn des Ukraine-Krieges – längst überholt. Seinerzeit im Januar 2022 hatte die Zuwanderungsbehörde bereits geklagt, dass die 26 vorhandenen Vollzeitstellen nicht mehr ausreichten, um alle Aufgaben erledigen zu können. Schon da fehlten in der Kreisbehörde 15 zusätzliche Stellen, warnte die Verwaltung. Woraufhin der Kreistag ihr sechs weitere Stellen bewilligte.
Doch nun hätte sich der Arbeitsaufwand noch mal erheblich gesteigert, beschreibt Fachdienstleiter Koltzau die Aufgabenfülle seiner Kollegen: Aufenthaltsrechte seien zu klären, Arbeitserlaubnisse zu erteilen, Einbürgerungen vorzubereiten, vom Land zugewiesene Geflüchtete auf die Kommunen zu verteilen und Familienzusammenführungen zu ermöglichen.
Aber auch Passüberträge, monatliche Duldungen, Gebietsbeschränkungen bei Duldungen, regelmäßige Abschiebeankündigungen, Erlasse von Grund-Visas, Sanktionierung von Integrationskursen sowie Buß- und Zwangsgeldverfahren bei Passverweigerern stünden auf dem Stundenplan der Kollegen.
Neuer Schwerpunkt der Arbeit, Betriebe für ausländische Fachkräfte zu beraten
„Zudem steht neben der immer weiter in den Fokus rückenden Integrationsförderung der hier lebenden Ausländer*innen die zunehmende Beratungs- und Servicefunktion.“ Das gelte für alle Bereiche des Aufenthalts- und Zuwanderungsrechts.
Gerade diese Beratungs- und Servicefunktionen dienten dabei neben den eigentlichen Kundinnen und Kunden auch den hiesigen Arbeitgebern, die ausländische Mitarbeitende für ihre Betriebe gewinnen möchten und müssen, um dem zunehmenden Fachkräftemangel zu begegnen, erläutert Koltzau. „Das geht weit über die Baumschulwirtschaft und den Pflegebereich hinaus und umfasst oft Spezialisten, zum Beispiel von japanischen Firmen.“
Studie besagt, dass ein Viertel der Geflüchteten länger hierbleiben will
Dieser enorme Arbeitsaufwand werde noch einige Jahre andauern – selbst wenn sich die Flüchtlingskrisen erholen sollten, warnt Koltzau. So habe eine Studie des „Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ ergeben, dass 37 Prozent der Geflüchteten dauerhaft oder zumindest für ein paar Jahre in Deutschland bleiben möchten, zitiert der Behördenleiter.
Bei weiteren 27 Prozent der Befragten ist das noch ungewiss, sie seien unentschlossen. Lediglich 36 Prozent wollten Deutschland bis Kriegsende oder innerhalb eines Jahres wieder verlassen, heißt es in der Studie.
2024 müssen die Aufenthaltstitel der Ukrainer verlängert werden
Daraus schließt Koltzau: „Weil zum einen das Kriegsende völlig ungewiss und zum anderen ohnehin ein großer Teil dauerhaft verbleiben wird, ist von einer kurzfristigen Änderung der Lage nicht auszugehen.“ Bislang habe es hierfür keinerlei zusätzliches Personal gegeben.
Es seien lediglich einige Zeitarbeitskräfte befristet beschäftigt worden. Im Frühjahr 2024 stehe aber bei den Ukrainer*innen die Verlängerung der Aufenthaltstitel an, so Koltzau. „Das ist allein zahlenmäßig eine riesige Herausforderung, auf die wir uns einstellen müssen.“
Der Landkreistag habe zwar schon einen eindringlichen Appell an die zuständige Ministerin gerichtet, dafür praktikable Lösungen zu finden, so der Fachdienstleiter. „Egal wie die aussieht, müssen dann wieder 4000 Kunden in kürzester Zeit neben dem Alltagsgeschäft bewältigen.“
Monatlich 80 neue Asylsuchende und 50 ukrainische Flüchtlinge
Seine Prognose lässt wenig Spielraum für eine entspanntere Situation für die Behördenmitarbeitenden in der Zukunft zu erwarten. Dabei seien die 80 Asylbewerber und 50 ukrainischen Flüchtlinge, die den Kreis Pinneberg zurzeit monatlich erreichten mit steigender Tendenz, aus seiner Sicht das Hauptproblem. Dies seien vor allem die für den Arbeitsmarkt benötigten Fachkräfte.
Denn nach einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom Ende 2021 bleibe nur mit einer jährlichen Nettozuwanderung von 400.000 Menschen das Arbeitskräfteangebot hierzulande langfristig konstant. Da Deutschland durch den demografischen Wandel bis 2035 sieben Millionen Arbeitskräfte und damit rund ein Siebtel des heutigen Arbeitsmarkts verlieren würde.
Kreis Pinneberg benötige rund 1500 ausländische Fachkräfte im Jahr
Für Schleswig-Holstein bedeute dies einen Zuwanderungsbedarf von 13.360 Fachkräften pro Jahr. Die Bundesagentur für Arbeit gehe sogar von 14.800 benötigten Fachkräften aus, die pro Jahr dieses Fachkräfteloch füllen müssten. Auf den Kreis Pinneberg heruntergebrochen, würde dies einer Nettozuwanderung von 1500 Fachkräften im Jahr entsprechen.
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Eine Zahl, die sich durch die Nähe zur Hansestadt Hamburg in der Metropolregion, mit Sicherheit noch höher ausfallen dürfte, mutmaßt Koltzau und appelliert an die Kreispolitik: „Um diesen den Zugang zum Arbeitsmarkt zeitgerecht zu ermöglichen, wird eine leistungsfähige Zuwanderungsverwaltung benötigt.“
Neue Gesetzesänderungen der Ampel-Koalition stellten zudem die Ausländerbehörden vor weitere Herausforderungen. So soll das Einbürgerungsrecht reformiert werden und ein Chancenaufenthaltsrecht sei geschaffen worden, dass Geduldeten eine längeren Aufenthalt ermöglichen soll, wofür Koltzau allein für den Kreis Pinneberg 500 Anträge erwartet. „Dafür wird dann also zusätzlich noch einmal eine erhebliche Anzahl von zusätzlichen Planstellen beantragt werden müssen.“ Der Kreis Stormarn, der deutlich weniger Fallzahlen zu bearbeiten habe, melde allein für die Einbürgerungsthematik 13 neue Planstellen an.
Mindestens acht zusätzliche Stellen seien in der Kreisbehörde erforderlich
In einem ersten Schritt würden nun aber für den Kreis Pinneberg acht zusätzliche Personalstellen benötigt, schreibt Koltzau. Eigentlich müssten es sogar elf Vollzeitstellen sein. Aber acht ließen sich zunächst leichter einarbeiten. Das sei aber nur der Anfang, so Koltzau. „Im Rahmen der Haushaltsdebatte für den folgenden Doppelhaushalt 2025/2026 ist es dann zwingend notwendig, in eine politische Debatte um die weitere Aufstockung der Personalkapazität aufgrund der anstehenden gesetzlichen Änderungen einzusteigen.“
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Fachdienstleiter Uwe Koltzau: Wir brauchen dringend acht zusätzliche Personalstellen in der Zuwanderungsbehörde. Foto: Fuchs