Pinneberg/Elmshorn. Das Abendblatt setzt in loser Folge die Serie „Das Spiel meines Lebens“ fort. Diesmal der Verbandsliga-Aufstieg von Raspo Elmshorn.

Gattin Monika, die er vor 46 Jahren heiratete, hat keine Einwände: Manfred Kirsch darf eine zweite Ehe führen. Die Liebe zum VfL Pinneberg und die Sorge um das Team hatten den Thesdorfer (67) im Oktober 2022 auf den Fußballplatz zurück gezogen. Bei seinem Einstand als inoffizieller Ligamanager gab es ein 5:3 der Kreisstädter über den Heidgrabener SV – es war die Wende im Bezirksliga-Abstiegskampf nach zuvor fünf Niederlagen am Stück. Der VfL beendete die Saison auf dem achten Rang. „Manni war und ist für uns ein Glücksfall“, sagt Co-Trainer Marvin Kiesewetter, der nach mehreren Knieoperationen vor seinem Comeback als Torhüter steht.

Fußball Persönlichkeit: Den 25. Mai 1986 wird Manfred Kirsch nie vergessen

In Kirschs Partykeller hängt noch ein zweiter Wimpel. Die feine Stick-Arbeit in Grün und Weiß erinnert ihn an seine Trainerzeit bei Rasensport Elmshorn von 1984 bis 1988 – und speziell einen ganz besonderen Tag. Zahlreiche Erfolge und schöne Erlebnisse pflasterten seinen Werdegang als Fußball-Lehrer, der schon in jungen Jahren die A- und B-Lizenz erwarb. Doch diesen 25. Mai 1986, ein Sonntag, den wird er immer ehren. Dank des 1:0 auswärts über die FSV Harburg feierten die Elmshorner den Titelgewinn in der Landesliga (Hammonia-Staffel) und erstmals den Aufstieg in die höchste Hamburger Spielklasse (Verbandsliga).

So kennt man Manfred Kirsch jetzt am Spielfeldrand des VfL Pinneberg.
So kennt man Manfred Kirsch jetzt am Spielfeldrand des VfL Pinneberg. © Meincke Kalle | Meincke Kalle

Fix und fertig mit den Nerven war Kirsch von der Trainerbank zur Weitsprunggrube „getigert“, es gab noch keine Coaching-Zonen. Lautstark soll sich das Temperamentsbündel über schlappe 35 Sekunden Nachspielzeit beschwert haben und nach dem Abpfiff wie weggetreten zu Boden gesunken sein. Auf der von vielen Topfpflanzen geschmückten Terrasse seines Eigenheims in unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem älteren Bruder Dieter (72) und VfL-Fußballvorstand Heinz Sellmann spricht er an diesem sonnigen Nachmittag immer noch mit funkelnden Augen vom „Spiel meines Lebens“.

Ausgerechnet vor dem wichtigsten Spiel reisen acht Akteure nach Ibiza

Das hatte eine Vorgeschichte, die einem Getriebenen wie ihm großen Kummer bereitete. Niemand rechnete ernsthaft mit diesem großen sportlichen Erfolg, so dass acht Spieler frühzeitig einen gemeinsamen Urlaub auf Ibiza gebucht hatten. Am 17. Mai ging es von Billund (Dänemark) aus los. Immerhin hatten es die Elmshorner geschafft, das Heimspiel gegen den TSV Uetersen (4:1) auf den Donnerstag, 14. Mai, vorzuverlegen. Damit lagen sie weiterhin mit einem Punkt mehr auf dem Konto vor Konkurrent ETSV Altona.

Dann die Nacht vor dem entscheidenden Gastspiel auf dem Grandplatz „Außenmühle“. Kirsch wälzte sich hin und her. Um 4.30 Uhr morgens schlossen ihm die Wirtschafter Lisa und Harald Clausen das Clubheim an der Wilhelmstraße auf. Eine halbe Stunde später trudelten die übermüdeten Ibiza-Urlauber ein. Prüfende Blicke beim gemeinsamen Frühstück, dann stand es für Kirsch fest. Die Spieler hatten zwar kräftig gefeiert, es aber nicht übertrieben. Um 13 Uhr setzten sich schließlich drei Busse mit nicht ganz ausgeschlafenen Kickern und Fans in Bewegung.

Nach 19 Minuten fällt das Tor des Tages – es bedeutet den Aufstieg

Dann das Match. 19 Minuten waren absolviert, da schoss Rainer Liedtke insgesamt 350 Raspo-Freunde vor Ort ins Glück. Die vom früheren HSV-Profi „Ditschi“ Ripp trainierten Harburger standen zwar als Absteiger fest, hatten aber putzmunter mitgemischt und den Elmshornern nichts geschenkt, bis diese ihren Sieg über die Zeit brachten.

Manfred Kirsch (l.) und sein damaliger „Finanzchef“ Hans Jürgen Stammer.
Manfred Kirsch (l.) und sein damaliger „Finanzchef“ Hans Jürgen Stammer. © Privat | Privat

Zurück an der Wilhelmstraße bildeten die Fans ein Spalier. Am Tresen lag Kirsch dann vor allem seinem Assistenten Max Kröger in den Armen, der ihm so viel Arbeit abgenommen hatte. Die Namen der Protagonisten von einst rattert er herunter, als sei das Spiel gestern gewesen. Dennis Rathjen, Lars Ravn, Walter Krause, Frank Reimann, Klaus-Peter Ulber, Stefan von Appen, Peter Levetzow, Frank Ahlers, Andreas und Rainer Liedtke, Rainer Wilkens, Thorsten Schlicht. Und natürlich Herbert Liedtke, reaktivierter Ex-Profi des FC St. Pauli, nicht verwandt mit den Liedtke-Brüdern Andreas und Rainer.

Viele wichtige Männer im Hintergrund wurden für Kirsch zu Freunden fürs Leben

Die im Hintergrund für den Erfolg verantwortlichen Personen waren Ligaobmann Karl-Hermann „Kuddel“ Mumm, bis heute sein inniger Freund, der für die Finanzen zuständige Hans Jürgen Stammer, mittlerweile seit vielen Jahren Vorsitzender der SV Halstenbek-Rellingen, sowie Uwe Voss und Jürgen Pawalowski aus dem Fußball-Vorstand.

Einige sehen sich immer in der Vor­weihnachtszeit wieder und schwelgen in Erinnerungen. Treffpunkt ist dann das Clubheim der SV Lieth, nachdem Raspo-Nachfolger FC Elmshorn das Gelände an der Wilhelmstraße aufgeben musste.

Nach vier Jahren verabschiedet sich Kirsch von Raspo Elmshorn

Mit dem gebürtigen Pinneberger Kirsch an der Seitenlinie behauptete sich Raspo zwei Jahre in der höheren Etage. Raspo-Grandseigneur Wilhelm Liedtke, Vater von Herbert, bot ihm vergeblich die Vertragsverlängerung an. Vier Jahre waren Kirschs Ansicht nach genug.

Zu seinem Abschiedsspiel 1988 erschien auch Goldjunge Rainer Liedtke, der nach Meinungsverschiedenheiten mit dem Trainer 1986 zum FC Süderelbe gewechselt war. „Es harmonierte nicht mehr, so etwas passiert. Aber Rainer war ein überragender Mittelstürmer, der mir den schönsten Tag im Sport beschert hat.“

Glücklich war Kirsch zunächst auch als Coach der SV Halstenbek-Rellingen, die er 1989 zur Bezirksliga-Meisterschaft führte. Als er 1990 zum Liga-Obmann umsattelte und bemerkte, dass wichtige Entscheidungen ohne ihn getroffen wurden, folgte er 1993 einem Angebot des VfL Pinneberg, dort die Trainerbank in der Oberliga neu zu besetzen.

Bei keinem Abschied hinterlässt Kirsch verbrannte Erde

Wichtig ist ihm die Feststellung, dass er nirgends verbrannte Erde hinterließ. In Elmshorn holte er den versierten Kuno Böge vom Nachbarschaftsrivalen Holsatia als seinen Nachfolger, in Halstenbek installierte er Roland Lange und Klaus Fock als Trainer.

Beruflich immer wieder stark gefordert zog er sich 1997 für ein halbes Jahr zum SuS Waldenau in die Bezirksliga zurück. Sein größter Clou als Schadenregulierer eines Versicherungsmaklers: Nach einem enormen Wasserschaden in Köln setzte er für den Versicherungsnehmer eine Entschädigung in Höhe von 20 Millionen Mark durch. Welchen Schaden er selbst verursachte, als er in Diensten des VfL und des SuS Waldenau wutentbrannt Kabinentüren beim Heider SV und der SV Lieth eintrat, kann er gar nicht sagen. „Ich weiß nur, dass ich nichts zahlen musste.“

Eine interessante Summe aber kommt noch auf den Tisch. Der frühere Kapitän der Hamburger Schülerauswahl hatte Andreas Julius 1976 als Trainer der A-Junioren des FC St. Pauli beerbt. Ein gewisser Holger Hieronymus bat um eine Empfehlung, ob er sich für monatlich 1200 D-Mark St. Paulis Herren anschießen sollte. Kirsch riet zu. 1979 meldete sich der HSV. Hieronymus wurde Nationalspieler.

Nicht ganz so große Leistungen erwartet Kirsch von den VfL-Kickern, die er mit vielen Einzelgesprächen und „Tiroler Abenden“ wieder auf Kurs gebracht hat. Nach schweren Jahren sieht der Ligamanager aber wieder Licht am Horizont. „Unsere Trainer, allen voran Martin Düsing, leisten genauso wie Vorgänger Marc Zippel, ohne den alles zusammengebrochen wäre, hervorragende Arbeit. Mit unseren Rückkehrern Berat Alija und Dominik Füßmann sollten wir in der Lage sein, im oberen Bereich zu landen.“