Moorrege. Zwei Landwirte stellen Firma 27 Hektar für eine Freiflächen-Photovoltaikanlage zur Verfügung. Kreis sieht Projekt kritisch.
Die Gemeinde Moorrege schickt sich an, den größten Solarpark im Kreis Pinneberg zu errichten. Sie ist sich bereits einig mit zwei Moorreger Landwirten, die einem erfahrenen Investor aus Bayern dafür 27 Hektar ihres Landes im Außenbereich verpachten möchten.
Das zur Solea AG in Plattling bei Bayreuth gehörende Unternehmen Energy Heroes GmbH würde dort für rund 20 Millionen Euro eine 25-Megawatt-Photovoltaikanlage mit rund 40.000 Solarmodulen aufstellen, die rund 27 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen soll. Das könnte den Bedarf für etwa 6500 Haushalte decken, also etwa dreimal so viele, wie die 4500 Einwohner in Moorrege zurzeit selbst im Jahr verbrauchen. 15.500 Tonnen weniger CO2 würden jährlich ausgestoßen.
Kreis Pinneberg: Energiewende – Moorrege plant größten Solarpark der Region
„Alle reden von der Energiewende – wir wollen sie umsetzen“, erklärt Moorreges Bürgermeister Wolfgang Balasus diese Initiative. Darum habe er die beiden Landwirte Ernst-Heinrich Stahl und Stefan Kleinwort sofort mit offenen Armen empfangen, als die ihm von ihrem Vorhaben berichteten, auf ihren Feldern einen Solarstrompark zu installieren.
Zurzeit werden diese Wiesen noch mit etwa 150 Rindern und Milchkühen in intensiver Landwirtschaft bearbeitet. „Mein Ziel ist es, nur noch extensive Landwirtschaft mit viel weniger Rindern dort zu betreiben“, erklärt Landwirt Kleinwort, dem in dritter Familiengeneration etwa die Hälfte der für den Solarpark benötigten Fläche gehören.
Kreis Pinneberg: 1000 Euro Zuschuss für Moorreger Bürger
Für Bürgermeister Balasus wäre dieser Einstieg in das großflächige Solarstrom-Geschäft nur die konsequente Weiterentwicklung bestehender Aktivitäten seiner Gemeinde für den Klimaschutz. So erhalten alle Bürgerinnen und Bürger, die auf ihrem Dach eine PV-Anlage errichten, jeweils 1000 Euro Zuschuss von der Gemeinde. „Von dieser Förderung haben bereits 40 Eigentümer Gebrauch gemacht“, sagt Balasus. „Wir müssen jedes Jahr den Fördertopf vergrößern.“
Und am Rewe-Markt betreibe die Gemeinde zwei öffentliche Stromtankstellen. „Darum begrüße ich dieses Projekt uneingeschränkt und gehe davon aus, dass der Solarstrompark auf dieser Freifläche in Kombination mit landwirtschaftlicher Nutzung auf große Zustimmung der Gemeinde stoßen wird.“
Erstes Projekt der bayerischen Firma im Norden
Denn die insgesamt 41.592 jeweils 3,5 Zentimeter dicken Solarmodule in der Größe von 2,13 mal 1,30 Meter sollen in Moorrege nicht direkt am Boden installiert werden, erklärt Michael Draxler von Energy Heroes. Vielmehr würden die Solarpanels in einer Höhe von bis zu 3,50 Metern und in einem Abstand von fünf bis sechs Metern errichtet werden, sodass darunter und dazwischen noch Beweidung und Landwirtschaft möglich sei.
Das Unternehmen Solea AG habe inzwischen europaweit Solarparks mit 450 Megawatt Stromleistung errichtet, erklärt Draxler. „In diesem Jahr sollen Anlagen mit 240 Megawatt hinzukommen.“ Der geplante Solarpark „Heidgraben“ in Moorrege wäre der erste, den die 2020 gegründete Tochterfirma Energy Heroes in Norddeutschland planen und errichten möchte, sagt Geschäftsführer Draxler.
Kreis Pinneberg: Bürger können sich am Solarpark beteiligen
Die Investition und den Betrieb würde sein Unternehmen gerne mit lokalen Partnern vor Ort stemmen, kündigt er an. So könnten sich wie beim benachbarten Windpark in Uetersen Bürgerinnen und Bürger mit bis zu 49 Prozent daran beteiligen. Und für die Vermarktung der Stromerzeugung wünsche er sich die Partnerschaft mit einem regionalen Energieversorger, am liebsten Stadtwerke aus dem Kreis Pinneberg.
Denn mit der Installation der Solarmodule sei es nicht getan. Es müsse eine neue Stromleitung zum sieben Kilometer entfernten Umspannwerk in Holm gelegt werden, erläutert der Investor sein Vorhaben. Draxler geht zudem davon aus, dass es wohl zwei bis drei Jahre dauern könnte, bis die behördlichen Genehmigungen vorliegen.
Moorrege: Keine Zustimmung von der Naturschutzbehörde
So muss die Gemeinde den Flächennutzungsplan für das Gebiet zwischen Werftweg und Pinnau entsprechend ändern, dem auch die Nachbarorte Uetersen, Groß Nordende, Heidgraben und Tornesch zustimmen müssen. Dies soll Ende März auf der Gemeinderatssitzung auf den Weg gebracht werden, kündigt Bürgermeister Balasus an.
Doch die größte Hürden dürften die behördlichen Einstufungen dieses Geländes als Grünzug im landesweiten Regionalplan und als Landschaftsschutzgebiet „Mittlere Pinnau“ im Kreis Pinneberg sein. Darum habe die Untere Naturschutzbehörde in einem Vorgespräch ihre Zustimmung zu diesem Projekt verweigert, sagt Balasus. „Aber wir werden die Flinte nicht gleich wieder ins Korn werfen.“ Auch bei seinem Vorhaben, alle Gemeindestraßen Moorreges in Tempo-30-Zonen zu verwandeln, hieß es anfangs, das gehe nicht. Heute, drei Jahre später, sei das gegen alle Widerstände erreicht worden.
Kreisverwaltung Pinneberg versteht sich als „Möglich-Macher“
Die Kreisverwaltung hält sich zum konkreten Projekt noch bedeckt, da ja kein regulärer Bauantrag vorliege. Gleichwohl verstehe sich der Kreis Pinneberg „in der Frage des Ausbaus von erneuerbaren Energien eindeutig als Möglich-Macher“, teilt Kreissprecherin Katja Wohlers dazu mit. Am Montag, 6. März, ist dazu im Kreishaus auch eine Informationsveranstaltung geplant, zu der alle Kommunen des Kreises sowie Stadt- und Gemeindewerke eingeladen seien.
„Es geht darum, Lösungen zu finden, wie wir vor Ort zu mehr erneuerbar erzeugter Energie kommen“, erklärt Katja Wohlers. Dabei müsse gelten, „dass der Schutz von Landschaft und Natur ebenfalls gelebter und wirkungsvoller Klimaschutz ist“.
Kreis Pinneberg ist sehr urban geprägt
Darum schließe sich der Kreis dem vom Land vorgegebenen Verfahren an, wie eine konzeptionelle Planung und Prüfung von PV-Anlagen zu erfolgen habe, so die Kreissprecherin. Hierzu gebe es seit September 2021 einen Erlass des Landes, der dies regelt. „Der Ausbau soll demnach möglichst ‚freiraumschonend sowie raum- und landschaftsverträglich‘ erfolgen.“ Das bedeute, dass Freiflächen-Solaranlagen auf geeignete Räume gelenkt werden sollten.
Für den mit 481 Einwohnern je Quadratkilometer sehr urban geprägten Kreis Pinneberg, womit er zu einem der 30 am dichtesten besiedelten Kreise in Deutschland gehöre, heiße das: „Es gibt hier vergleichsweise wenige potenzielle Flächen, die für erneuerbare Energien ausgewiesen sind – also Freiflächen zur Nutzung von Freiflächen-PV oder Onshore-Windenergieanlagen.“
Moorrege muss viel Überzeugungsarbeit leisten
Wegen der bereits großflächig versiegelten Siedlungs- und Gewerbeflächen müssten die noch vorhandenen Freiräume als Erholungsraum für die Menschen möglichst unbebaut bleiben. Wohlers: „Aus diesem Grund ist es für den Kreis Pinneberg sinnvoll, bereits genutzte – versiegelte – Flächen im bebauten Raum dafür zu nutzen, also vorwiegend Dächer, Fassaden und Parkplätze, die mit PV-Anlagen überdacht werden könnten.“
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Da werden die Gemeinde Moorrege und ihr Investor aus Bayern wohl noch reichlich Überzeugungsarbeit zu leisten haben. Aber Energy-Heroes-Chef Draxler hat sich einen erfahrenen Mann an die Seite geholt, der sich mit Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien in Schleswig-Holstein gut auskennt. Das ist Holger Schulz aus Wacken, der nach eigener Aussage bereits 400 Biogasanlagen projektiert hat. Jetzt will er im Norden auf Solarparks umsteigen.
Kreis Pinneberg: Politik will Moorreges Solarpark-Pläne unterstützen
Und Bürgermeister Balasus hat sich Unterstützung aus der eigenen Familie geholt. Sohn Martin, der im Kreis- und Landtag sitzt, soll helfen, die bürokratischen Hürden zu beseitigen. Der Abgeordnete kündigt an: „Die Regionalpläne werden ohnehin zurzeit überarbeitet.“ Da sollten Ausnahmegenehmigungen möglich sein. Denn das seit 2023 geltende Erneuerbare Energiegesetz besagt: „Die Flächenkulisse für Freiflächenanlagen wird maßvoll erweitert.“
Zu Konversionsflächen und verbreiterten Seitenrandstreifen neben Straßen und Bahngleisen kämen nun „neue Kategorien wie Agri-PV, Floating-PV und Moor-PV hinzu“, heißt es darin. Landwirtschaftliche und naturschutzverträgliche Aspekte würden dabei natürlich berücksichtigt werden.