Pinneberg. Expertin stellt großes Einzelhandelsgutachten zur Pinneberger City vor. 400 befragte Kunden benennen klar, wo Potenzial schlummert.
In den acht Jahren, seit Pinneberg ein Einzelhandelsgutachten in Auftrag gegeben hatte, hat sich viel verändert in der Innenstadt und drum herum. Wichtige Läden wie Leder Homann oder Schuh Kay sind geschlossen, andere wie das Opposti oder Fopa Fashion mit junger Mode eröffnet.
Geschäftsleute haben an der digitalen Präsenz ihrer Angebote gearbeitet, Gastronomen haben mit persönlichem Lieferservice und Kreativität dem Corona-Lockdown die Stirn geboten. Jetzt liegt ein neues Gutachten vor, mit dessen Hilfe negative Entwicklungen gestoppt werden sollen.
Ziel: die Innenstadt lebendig und attraktiv zu erhalten. 120 Seiten stark ist das Werk, mit dem sich jetzt der Ausschuss für Stadtentwicklung beschäftigt hat.
Einzelhandel in Pinneberg: Viel ungenutztes Potenzial
Da geht noch was, da ist noch Luft nach oben: So salopp könnte das Fazit des Gutachtens lauten, wäre es nicht so gründlich, komplex und umfassend, und enthielte es nicht viele weitere Aspekte, was die Nahversorgung der Bürger und den Umgang mit den Defiziten in der Innenstadt angeht. Die Beratungsfirma Cima aus Lübeck hat es erstellt, präsentiert worden ist es von Projektleiterin Julia Lemke.
Die Fraktionen haben keine Entscheidung getroffen, da sie darüber noch beraten wollen. Ein politischer Beschluss sei eine Abwägungsgrundlage, was die Ansiedlung neuer Einzelhändler angehe: „Er ist aber erst verbindlich, wenn er in die Bebauungspläne aufgenommen wird“, sagt Julia Lemke.
Einzelhandelsgutachten erfasst fast 200 Betriebe
Um die Innenstadt kompakt zu halten, wurde das Areal verkleinert. 2013 waren noch die Moltkestraße, die Bismarckstraße und die Schauenburger Straße dabei. Überdies beschäftigt es sich ausschließlich mit dem großflächigen Einzelhandel mit einer Ladenfläche ab 800 Quadratmeter. „Hier geht es um Steuerung. Ein Einzelhandelskonzept ist kein Allheilmittel und verbessert nichts aus sich heraus“, das schickt die Expertin ihrem Vortrag voraus.
197 Betriebe wurden dafür erfasst, davon 40 Prozent in der City. „Es geht darum, die Innenstadt als lebendiges Zentrum zu sichern, zu stärken und eine Entzerrung zu verhindern“, so Julia Lemke. Was die Nahversorgung angehe, so ergibt die Studie, dass Pinneberg im Großen und Ganzen genügend Supermärkte hat. Nur der Weg von der Parkstadt Eggerstedt zum Einkaufen sei etwas weiter als für die meisten anderen.
Bürger zu Qualität des Einzelhandels in Pinneberg befragt
Lemke nennt lediglich zwei Bereiche, in denen Modernisierungen oder verträgliche Erweiterungen möglich seien: die Flensburger Straße und das Rosenfeld. Interessant ist außerdem, dass mehr Menschen in Pinneberg Arbeit finden als noch im Jahr 2016. Die Zahl derer, die hier wohnen, aber anderswo arbeiten, bleibt dagegen konstant.
Dem Gutachten ging eine Befragung von 400 Bürgerinnen und Bürgern aus der Stadt und dem Umland voraus. Darin sind die Jugendlichen stark unterrepräsentiert. Wichtige Information: Ein Viertel kauft Bekleidung und Wäsche im Internet, 40 Prozent der Pinneberger aber immerhin in der eigenen Stadt.
Bei Büchern und Schreibwaren lag die Zahl sogar bei 73 Prozent. Dabei kaufen Menschen aus dem Umland weit weniger in Pinneberg ein als die Pinneberger selbst. Trotz des relativ breiten Angebotes hat die Stadt ein negatives Image. Sie gilt als unattraktiv, was an der Gestaltung und an der Parkplatzsituation liege.
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Angebote in der Innenstadt könnten besser sein
Moniert wird überdies die Ladengestaltung der Geschäfte, die könne laut Umfrage besser sein. Auch die Qualität der Angebote liege unter dem Mittelfeld, weil es zu viele Billigmärkte und Filialisten gebe. Vermisst werden nach der Schließung von Leder Homann und Schuh Kay ein Lederwarenfachgeschäft und weitere Angebote im Bereich Elektrowaren und Unterhaltungselektronik. Mehr Qualität wird bei Glas und Porzellan gewünscht. Durchweg positiv kommen im Pinneberger Einzelhandel Beratung und Kundenservice weg.
In der Beliebtheit der Gastronomie belegt Meusels Landdrostei den ersten Platz, gefolgt vom Opposti und dem Café Cero, die alle den ganzen Lockdown über offen hatten. Da es wenig Freizeitangebote gibt, liegt die Drostei auch dort auf Platz eins, den zweiten Rang nimmt das Weinfest ein, und als drittes wurde das Summerjazz-Festival genannt. Die beliebten Läden sind der Bücherwurm (Platz eins), Glindmeyer, Edeka Meyer, der Wochenmarkt und Kunstmann.
Einzelhandel in Pinneberg: Schlechtes Zeugnis für Rathauspassage
Abgewatscht werden die Rathauspassage („in die Jahre gekommen“), die östliche Dingstätte und der Fahltskamp, („Sorgenkinder“). Helfen würden bei den dortigen Missständen Investitionen in die Gewerbeimmobilien, worauf die Stadt, weil diese in Privatbesitz sind, wenig Einfluss hat. Dennoch regt die Cima „Absprache und Kooperation mit den Immobilieneigentümern“ an. Die Ebert-Passage wird als Potenzialfläche gesehen, wobei der Umgang mit Stellplätzen für Anwohner und die Wegerechte eine wichtige Rolle spielten.
Auch städtebaulich entdeckt die Cima noch Luft nach oben. Die Drostei sei zwar das kulturelle Zentrum der Stadt, werde aber wegen der Gestaltung „als Fremdkörper in der Innenstadt wahrgenommen“. Für die östliche Dingstätte stellen die Fachleute zwar „ein positives städtebauliches Erscheinungsbild“ fest, regen aber die Erweiterung des Quartiers um die westliche Dingstätte an, weil dort neben Kunstmann „sehr spezialisierte Facheinzelhändler“ wie Ma Vino, das Keksbackstübchen oder Papier & Stift seien. Ein Zusammenhang zwischen der westlichen und der östlichen Dingstätte sei „heute nicht erlebbar“. Auch schlägt die Cima die Neugestaltung des hässlichen Flachbaus vor, in dem der Bücherwurm untergebracht ist.
Der Vorteil der Innenstadt mit ihren vielfältigen Angeboten und Funktionen könne in Pinneberg nicht optimal genutzt werden. Deshalb seien Synergien zwischen Kultur, Handel, Dienstleistung und Gastronomie zu verbessern. Sinnvoll findet die Cima-Expertin, dass die Stadt Wirtschaftsförderung betreibt, jedoch führe die Tatsache, dass es das Stadtmarketing und die Wirtschaftsgemeinschaft gebe, zu Überschneidungen in den Aufgaben. Da sei aktive, frühzeitige Abstimmung unumgänglich.