Elmshorn. Pop-up-Formate, konsumfreie Räume, Kultur: Wie Norderstedt und Elmshorn Menschen noch in die City locken wollen.
Kaufhäuser schließen, Kinos und Großmärkte wandern an den Stadtrand ab, die Größe der Parkplätze und die Lage der Supermarktkomplexe bestimmen das Einkaufsverhalten der Menschen. Zudem hat der Online-Versandhandel infolge geschlossener Läden während der langen Lockdown-Zeiten einen zusätzlichen kräftigen Schub erhalten.
Die Zahl der Imbiss-Lieferdienste hat auch in Elmshorn noch einmal an Menge und Umfang zugenommen. Wozu also in die Innenstadt gehen, radeln oder mit dem Bus fahren?
Was macht Innenstädte attraktiv und interessant?
Diese Frage hat die SPD in Elmshorn am in einer öffentlichen Online-Runde diskutiert. Zu Gast waren unter anderem Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder, der Bundestagskandidat für den Kreis Pinneberg, Ralf Stegner, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dörte Köhne-Seiffert aus Elmshorn und die Elmshorner Stadtmarketingchefin Manuela Kase.
Anders als Elmshorn hat Norderstedt, zusammengewachsen aus vier Dörfern und mit am Reißbrett entworfener Mitte, gleich fünf Zentren zu bespielen. „Wir müssen Verödung vermeiden, denn das Zentrum ist immer auch das Gesicht einer Stadt“, sagt Oberbürgermeisterin Roeder. Schwierig, wenn Einkaufsmagneten wie Karstadt im Herold-Center im Stadtteil Garstedt schließen. „Wir haben aber mit einer großen schwedischen Handelskette einen neuen Mieter gefunden.“ Das werde Garstedt gut tun, ist sie überzeugt.
Die Stadt baue in Garstedt zudem bis 2023 ein Bildungshaus, das Stadtbücherei, Volkshochschule und Stadtarchiv unter einem Dach vereint. Weitere Projekte, die Norderstedt attraktiver machen sollen: eine autofreie Rathausallee. Im Ortsteil Glashütte wird der Busbahnhof umgestaltet, und ein neuer, zentraler Spielplatz wurde geschaffen. „Es ist kommunale Aufgabe, die Innenstadt so zu gestalten, dass sich Menschen dort gern aufhalten“, sagt Roeder. Ein Indiz, dass es nicht mehr gut laufe, seien die Ansiedlung von Billigläden und Ein-Euro-Shops.
Pop-Up-Stores und kreative Lösungen gegen Leerstand
Als Glück empfindet Roeder den Norderstedt-Mitte-Pact mit Einzelhändlern und Gastronomen, die zum Beispiel den Weihnachtsmarkt gestalten. Auf einen solchen Pact kann sich auch Elmshorn stützen. Hier sorgen Händler und Gastronomen entlang der Königstraße für Begrünung und Weihnachtsbeleuchtung. Eine Idee, die in der Diskussion aufkam: den Pact auch auf die Rückseite der Geschäfte auszuweiten, die teilweise ein Schattendasein führten.
„Wenn wir aus der Corona-Krise etwas Positives ziehen können, dann Kreativität und Experimentiermut“, sagt Elmshorns Stadtmarketingchefin Kase. Diese Philosophie wolle sie beibehalten. Sie setzt unter anderem auf Pop-up-Formate, um Leerstand zu vermeiden. „Unser eigenes Pop-up Huus mit hochwertigen Produkten aus der Region hat in zwei Jahren mehr als 100 Mieter gehabt“, sagt sie. Nun laufe das erfolgreiche Konzept aus, denn es habe sich eine dauerhafte Mieterin gefunden, die mit Poesie und Arts außergewöhnliche Schreibwaren anbiete. Im August ging das Team des Pop-up Huus’ mit ehemaligen Mietern in einem umgebauten Lkw-Auflieger auf Tour durch Elmshorn.
Konsumfreie Räume in den Innenstädten schaffen
Elmshorn und Norderstedt setzen zudem auf konsumfreie Räume, denn nicht jeder könne es sich leisten, regelmäßig in Cafés zu verweilen. Eine solche Fläche, die zu Begegnungen und zum Verweilen einlädt, verspricht die Umgestaltung des Buttermarktes. „Postopia“ soll aktuell einen Vorgeschmack auf das neue Lebensgefühl im Herzen der Stadt geben.
Yoga, Tanzkurse, Beachvolleyball und jede Menge Kultur – das Konzept für den temporären Beachclub auf dem Gelände der ehemaligen Post in der Berliner Straße 6 sieht ein vielfältiges Programm und Platz für Veranstaltungen vor. Kase setzt im Herbst auch mit dem „Film Night Ride“ auf Erlebnis- und Aufenthaltsqualität. „Mit dem Rad geht es an verborgene Orte, wo kurze Filme gezeigt werden“, sagt sie.
Die Lokalität und Regionalität werde durch Maßnahmen wie den City Online Guide, ein Übersichtsplan über Geschäfte und Lokale vor Ort sowie deren Online-Shops, gefördert. Erfolgreich sei auch der Stadtgutschein mit 150 Akzeptanzstellen. „An diesen Stellen können wir ansetzen, um die Innenstädte attraktiv zu gestalten“, sagt Kase.
Stegner: Lokale Gewerbetreibende stärken
Dass Kommunen keineswegs ohnmächtig dem Verfall der Innenstädte ausgeliefert sind, davon ist auch Elke Christina Roeder überzeugt. Bürgerbeteiligungen seien eine sinnvolle Maßnahme, um die Wünsche der Menschen aufzugreifen. So seien Co-Working-Spaces in Zeiten von Homeoffice stärker gefragt, bezahlbares Wohnen sowieso. „Norderstedt hat eine 50-Prozent-Quote für Sozialwohnungen beschlossen, was die Baubranche erst mal sehr aufgebracht hat“, sagt Roeder. Die Politik habe es aber durchgezogen, und es werde weiterhin gebaut.
Aus der Krise seien einige Einzelhändler auch gestärkt hervorgegangen und hätten gute Ideen hervorgebracht, sagt Roeder. Das habe sie in verschiedenen Gesprächen erfahren. „Viele Menschen schätzen die kompetente Beratung vor Ort. Einige Händler haben Produkte zur Ansicht nach Hause gegeben oder Handwerkerleistungen mitgeliefert“, sagt Roeder.
Auf politischer Ebene räumt SPD-Bundestagskandidat Ralf Stegner ein, dass die Städte manchmal etwas allein gelassen worden seien. Dabei profitiere auch das Umland von gesunden Ortskernen. „Ich bin nicht der Meinung, der Markt regele alles“, sagt Stegner. Lokale Gewerbetreibende müssten gestärkt werden. „Wir müssen auch Konzepte entwickeln, die sich vielleicht nicht gleich rechnen.“
Vorkaufsrecht für Flächen in den Innenstädten?
Problematisch seien Erbengemeinschaften, die sich auf kein gemeinsames Konzept einlassen, und Grundstücke, die Kapitalgesellschaften gehören, deren Eigentümer nicht vor Ort leben. „Rechtlich hat die Politik noch keine Möglichkeiten, bei Gewerbeflächen einzugreifen, zum Beispiel bei der Mietengestaltung“, sagt SPD-Landtagsabgeordnete Beate Raudies.
Um in solchen Fällen eine Hand auf die Stadtentwicklung zu haben, müsse man darüber nachdenken, Kommunen ein stärkeres Vorkaufsrecht zu ermöglichen und Erstbelegungsrechte für gewerbliche Flächen anstreben. Auch die Idee einer Landeswohnungsgesellschaft nach dem Vorbild der Saga in Hamburg sei erstrebenswert. „Wir sollten sie eventuell gleich als Immobiliengesellschaft weiterdenken.“
Dörte Köhne-Seiffert, Vorsitzende des Stadtumbauausschusses, brachte die Idee eines Eating-Points ein, da Gastronomen in der City wenige Möglichkeiten für Außengastronomie hätten. Den Knechtschen Hallen, die die SPD gern der Öffentlichkeit zugänglich machen will, würde eine Kulturetage gut tun. Eine politische Mehrheit gebe es für diesen Antrag bereits. „Die Politik hat dem Stadtmarketing-Verein auch freie Hand bei der Ausgestaltung einer Bewerbung um Fördermittel gelassen“, sagt die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Von dem Geld könnte ein Citymanager eingestellt oder E-Commerce für lokale Händler gefördert werden.