Kreis Pinneberg. Der Kreis könnte die Neubaupläne, die zur Schließung der Krankenhäuser in Elmshorn und Pinneberg führen würde, noch verhindern.
Der geplante Neubau einer Großklinik inmitten des Kreises Pinneberg, für den die beiden Krankenhäuser in Elmshorn und Pinneberg bis 2030 geschlossen werden sollen, beschäftigt weiter die Kreispolitik und auch die beiden Standort-Kommunen.
Auf einer Sondersitzung beriet sich der Hauptausschuss des Kreistages erstmals über das Vorhaben, das ihm drei Wochen zuvor von der Klinikleitung überraschend vorgestellt worden ist. Dabei hat das Sozialministerium bereits im vorigen Jahr ein 101 Seiten starkes Gutachten mit genau dieser Fragestellung und einer Analyse des möglichen neuen Klinikstandortes in Auftrag gegeben, wie das Abendblatt exklusiv berichtet hat.
Kreis Pinneberg: Gutachten zum Klinikneubau weitgehend unbekannt
Dieses Gutachten liege der Kreisverwaltung seit Anfang Juli vor, sagte Landrätin Elfi Heesch, demnach also zweieinhalb Monate, bevor die Kreispolitik darüber informiert wurde. Aber auch der Sozialausschuss des Landtages kenne es nicht, sagte sie. „Insofern haben Sie einen Wissensvorsprung.“ Nach diesem Gutachten sollte der künftige Klinikstandort nahe der A23-Abfahrt Pinneberg-Nord an der Westumgehung sein oder sich entlang der Autobahn bis Elmshorn befinden, etwa in Prisdorf.
Für Ausschussvorsitzende Heike Beukelmann geht es jetzt zunächst um die Frage, „ob wir als Kreis Pinneberg diesen Prozess begleiten wollen. Dazu müssen wir jetzt erst einmal alle Informationen sammeln“. Eine Entscheidung sollte der Kreistag noch in diesem Jahr fällen, so die CDU-Politikerin. „Wir müssen zu Potte kommen.“
Kreistag könnte Neubaupläne mit Veto verhindern
Zunächst wurde ein Arbeitskreis gebildet, dem ein Vertreter jeder Fraktion angehören soll. In dem Gremium sollten „auf Augenhöhe“ die Vor- und Nachteile beraten und diskutiert werden, so Beukelmann. Auch ein Vertreter aus dem Sozialministerium werde eingeladen, um das Gutachten zu erläutern. Die Entscheidung des Kreises müsse so transparent wie möglich erfolgen, „damit wir die Bevölkerung mitnehmen und sie nicht den Eindruck bekommt, dass dies im Geheimen geschieht“, betont Beukelmann. „Das darf nicht passieren.“
Ihr Fraktionskollege Andreas Stief hat sich entschieden: „Mit großer Fantasie und Vertrauen zu unserem Partner sollten wir diesen Prozess starten.“
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Ohne eine positive Entscheidung des Kreistages können die Regio Kliniken die Neubaupläne nicht weiter verfolgen. Das machte der Rechtsbeistand des Kreises dem Hauptausschuss in nichtöffentlicher Beratung deutlich. Nach Informationen des Abendblatts besitzt demnach der Kreis, der 25,1 Prozent der Gesellschaftsanteile an den Regio Kliniken hält, ein eindeutiges Mitsprache- und Vetorecht.
Pinneberg und Elmshorn wollen Kliniken erhalten
Der Mitgesellschafter Sana, der vor zwölf Jahren 74,9 Prozent der ehemaligen Kreiskliniken erwarb, brauche 75 Prozent der Stimmen, um eines oder beide Krankenhäuser schließen zu können, führte der Jurist aus. Der geplante Neubau sei auch keine reine Verlagerung einer Betriebsstätte, sondern Schließung und Verlagerung zugleich und bedürfe deshalb unbedingt der Zustimmung des Kreises. Gleiches gelte auch für den Fall, dass sich der Klinik-Konzern Sana zurückziehen wolle, falls der Kreis den Plänen nicht zustimmt. Ein Verkauf der Anteile an Dritte sei laut dem 2009 geschlossenen Vertrag nicht möglich, der bis 2029 Gültigkeit habe.
Dieses Mitspracherecht kennen auch die Verantwortlichen der betroffenen Krankenhaus-Städte. Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg appellierte über Videostream an die Kreispolitik, dass Pinneberg seit 1868 Klinikstandort sei und dieser „unverzichtbar“ für die Kreisstadt wäre. Elmshorns Stadtrat Dirk Moritz bat darum, die Krückaustadt in alle weiteren Schritte einzubinden.
Sanierung der bestehenden Kliniken kommt nicht in Frage
Das ist auch im Interesse der Klinikleitung. „Unser Ziel ist es, gemeinsam diesen Klinikneubau anzustreben, um in Zukunft eine gute Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung im Kreis Pinneberg zu schaffen“, sagte Klinikchefin Regina Hein. Darum sollte dieser Prozess möglichst offen und transparent gestaltet werden. Außer den beiden betroffenen Städten und der Kreispolitik habe sie mehrere Seniorenräte über das Vorhaben informiert, das für eine neue 700 Betten-Klinik rund 400 Millionen Euro Investitionen des Landes bedeuten würde.
Eine Sanierung der beiden vorhandenen Krankenhäuser käme nicht mehr in Frage, betonte Klinik-Mitgeschäftsführer Gundolf Thurm. Das sei zwar nicht gutachterlich untersucht, aber grob ins Auge gefasst worden. Demnach würde es Umbauarbeiten an beiden Kliniken von zehn bis 15 Jahren bedeuten und ebenfalls einige Hundertmillionen Euro kosten. „Das können wir weder den Patienten noch den Mitarbeitern zumuten. Die jetzige Struktur ist nicht zukunftsfähig.“
Auch die Rettungsdienst-Kooperation (RKiSH) hat sich zum Klinikneubau geäußert. So teilte deren Vize-Geschäftsführer Jan Osnabrügge dem Kreis mit, dass ein zentraler Standort die Verlegung von Patienten zwischen Pinneberg und Elmshorn überflüssig mache. 2019 seien insgesamt 1194 Patienten und 2020 sogar 2016 Patienten von einem Haus ins andere transportiert worden. Was laut Klinikchef Thurm den Regio Kliniken je Fahrt 100 Euro gekostet habe.