Kreis Pinneberg. Land gibt 101-seitige Expertise in Auftrag. Zu welchen Ergebnissen das umfangreiche Gutachten kommt.
Der Vorschlag der Regio Kliniken-Leitung, bis 2030 die beiden Krankenhäuser in Elmshorn und Pinneberg zugunsten des Baus eines neuen, zentral gelegenen Krankenhauses aufzugeben, hat Politik und Verwaltung im Kreis und in den Kommunen kalt erwischt. Doch so plötzlich, wie es scheint, ist das Vorhaben gar nicht zur Sprache gekommen. Im Gegenteil, es ist von langer Hand geplant worden, wie sich aus einem 101-seitigen Gutachten ergibt, das dem Abendblatt vorliegt.
Großklinik: Gutachten empfiehlt Zusammenlegung
Das Berliner Institut TakeCare hat im Auftrag der Landesregierung bereits im vorigen Jahr die Frage untersucht, „ob eine Zusammenlegung der drei Standorte der Regio Kliniken (Pinneberg, Elmshorn und Wedel) unter Versorgungsaspekten sinnvoll ist und welcher Standort hierfür infrage käme.“ Wobei das Krankenhaus Wedel schon während des Untersuchungszeitraumes Mitte 2020 geschlossen wurde.
Das Ergebnis, das dem Sozialministerium bereits im November 2020 präsentiert worden ist, fällt eindeutig aus: „Die Planung eines Zentralneubaus ist insbesondere wegen der sich vielfältig überschneidenden Leistungsangebote der beiden verbleibenden Sana-Kliniken des Kreises sachgerecht: Mit der Errichtung eines Zentralklinikums sind erhebliche Synergieeffekte zu erwarten; die existierende einheitliche Trägerstruktur im Kreis wird dabei als äußerst hilfreich bewertet.“
Grundlage sind die Patientenzahlen von 2018
Auch ein „optimaler“ Standort wird darin analysiert und mit den genauen Koordinaten genannt: 53°40’40.8“N 9°47’34.8“E. Er liegt direkt an der Westumgehung an der Stadtgrenze Pinnebergs zu Kummerfeld in Höhe Prisdorfs. In der Studie heißt es dazu: „Die Karte zeigt, dass diese ‚optimale‘ Position eines einzigen Klinik-Standortes im hier angewendeten Modell für den Kreis weniger als fünf Kilometer nördlich der Ortschaft Pinneberg in der Nähe der Autobahnausfahrt Pinneberg-Nord liegt.“
Die Autoren der Studie haben nach den Daten von 2018 die Patientenzahlen und die Auslastung der Regio-Kliniken in den einzelnen Abteilungen untersucht, deren Entwicklung für die Zukunft hochgerechnet, Wanderbewegungen nach Hamburg prognostiziert und die aktuellen Fahrtzeiten der Patienten mit denen eines künftigen Zentralkrankenhauses, das etwa 700 Betten groß sein soll, verglichen.
Viele Patienten lassen sich in Hamburg behandeln
So wurden 2018 von den Regio Kliniken 32.882 Patienten versorgt, die im Durchschnitt etwa sieben Tage stationär behandelt wurden. Das waren 5,6 Prozent aller Krankenhauspatienten in Schleswig-Holstein. 86,8 Prozent der Patienten kamen aus dem Kreis Pinneberg, die restlichen vorwiegend aus dem Kreis Steinburg (8,6 Prozent), aus Hamburg (2,4 Prozent) und aus dem Kreis Segeberg (2,3 Prozent).
Etwa genauso viele Patienten aus dem Kreis Pinneberg (31.871 Fälle) sind in Hamburger Kliniken behandelt worden. „Dies betrifft mit hohen Prozentanteilen die ‚kleinen‘ Fächer Augenheilkunde und HNO, die in Pinneberg nur als Belegabteilungen vorgehalten werden“, heißt es in der Studie. „Weiter betrifft es aber auch Spezialdisziplinen wie Herzchirurgie, Dermatologie, Neurochirurgie und Strahlenheilkunde, die im Kreis Pinneberg gar nicht vertreten sind.“
Regio Kliniken 2018 zu 92 Prozent ausgelastet
Durch die Schließung des Wedeler Krankenhauses werde der Hamburg-Anteil weiter ansteigen, heißt es in der Studie. Von den 3463 Patienten, die 2018 in Wedel behandelt wurden, „würden 981 Fälle an die Standorte in Pinneberg und Elmshorn wandern, also 28 Prozent der Fälle aus Wedel. 2520 Fälle, also 72 Prozent, würden sich zu anderen Versorgern hin orientieren; im Wesentlichen aufgrund der räumlichen Nähe zu Krankenhäusern in Hamburg und dort vor allem zum Asklepios Westklinikum Hamburg.
Die drei Regio-Krankenhäuser waren zusammen mit ihren 654 Planbetten (ohne Psychiatrie) zu 82 Prozent ausgelastet. An 21 von 365 Tagen war die Planbettenzahl überschritten. Die 46 Intensivbetten waren zu 66 Prozent ausgelastet. Alle 2982 Geburten waren im Klinikum Pinneberg. 81 Prozent der 839 Schlaganfallpatienten wurden in Pinneberg behandelt, Herzinfarkte, Notfälle und verletzte Personen etwa je zur Hälfte in Pinneberg und Elmshorn. Bei den von Bund und Krankenkassen vorgegebenen Mindestmengen „unterschreiten Wedel und Elmshorn die Vorgaben für Ösophagus (Speiseröhre), Pankreas- (Bauchspeicheldrüse) und Kniegelenks-Endoprothesen“, heißt es in der Studie.
Wo könnte eine Großklinik gebaut werden?
Die Fahrtzeiten ins Krankenhaus schwanken in Pinneberg und Elmshorn zwischen 6,2 und 59,5 Minuten, heißt es seitens das beauftragten Instituts. Bei dem geplanten Neubau wären es 2,9 bis 59,9 Minuten. Der Mittelwert liege für Pinneberg bei 17,7, für Elmshorn bei 19,3 und für den Neubau bei 23,3 Minuten. Außer dem bereits genannten „optimalen“ Standort gebe es auch „einen Korridor entlang der A 23, der von den Fahrzeiten her gut als Krankenhausstandort geeignet wäre. Somit wäre auch eine Lage auf halbem Wege zwischen Pinneberg und Elmshorn möglich. Eine Lage nahe der Autobahn würde eine gute Erreichbarkeit für die Bevölkerung der beiden Städte bieten. In Bezug auf den Rest des Kreises wäre dieser Standort zentral gelegen.“
Der Hauptausschuss des Kreistages wird sich auf seiner morgigen Sondersitzung ausschließlich mit diesem Thema befassen. Die Regio Kliniken haben dazu schon einmal vorab mitgeteilt: „Die Regio Kliniken stehen mit dem Sozialministerium in regelmäßigem Austausch zu investiven und krankenhausplanerischen Themen.“
Dazu gehörten „die Notwendigkeit der Bildung spezialisierter Zentren, die zunehmenden Qualitätsanforderungen und Auflagen durch den GBA (Gemeinsame Bundesausschuss) und die Herausforderungen aus dem massiven deutschlandweiten Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Sowohl ein erheblicher Investitionsbedarf in die gegebene Krankenhausstruktur im Kreis Pinneberg als auch der Gedanke eines Klinikneubaus wurde seitens der Regio Kliniken thematisiert.“