Kreis Pinneberg. Weil Häuser und Wohnungen in Hamburg kaum bezahlbar sind, wird der Kreis für Käufer attraktiver. Das ist der Spitzenreiter im Umland.
Steht der Immobilienmarkt im Kreis Pinneberg vor dem Kollaps? Die Corona-Pandemie konnte den bundesweiten Preisanstieg für Wohnraum jedenfalls nicht ausbremsen, ganz im Gegenteil. Immer mehr Menschen sehnen sich nach den eigenen vier Wänden, und die aktuell niedrigen Bauzinsen dürften sie darin noch bestärken.
Das Angebot bleibt allerdings knapp, und das heißt: Die Preise für Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser und Baugrundstücke schnellen weiter in die Höhe – in Hamburg und längst auch außerhalb der Metropole. Im Postbank Wohnatlas von 2021 bestätigt sich: Die Preishöhenflüge der Großstädte erfassen das Umland. Wächst hier also gerade eine Immobilienblase heran? Der Hamburger Ökonom Karl-Werner Hansmann hatte das unlängst vorausgesagt (das Abendblatt berichtete).
Preise für Immobilien in Hamburg stagnieren – und steigen in Pinneberg
„Eine Blase kann man das nicht nennen“, sagt Stefan Heesch von der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis Pinneberg auf Anfrage. Das Gremium wertet alle örtlichen Immobilienkaufverträge der letzten Jahre aus und ermittelt Vergleichswerte. Für die Stadt Hamburg erwarte man in Zukunft stagnierende Preise, so Heesch.
Diese Entwicklung sei aber im Kreis Pinneberg noch nicht angekommen, „weil wir den Hamburgern da ein bis zwei Jahre hinterherhängen“. Im Kreis steigen die Preise also erst einmal weiter an – innerhalb eines Jahres sind allein die Bestandsimmobilien außerhalb der Stadt um gut elf Prozent teurer geworden, zeigt der LBS-Immobilienmarktatlas von 2021.
„Eine Blase hätten wir nur dann, wenn wir zeitgleich Leerstände hätten“, bestätigt auch Dennis Borchert, Makler bei der Volksbank Immobilien GmbH in Pinneberg. Zur Erklärung: Eine Immobilienblase entsteht, wenn die Preise aufgrund hoher Nachfrage und weniger Angebote unverhältnismäßig stark ansteigen. Wird die Nachfrage dann plötzlich übersättigt, weil es mehr Wohnraum als Käufer gibt, dann fallen die aufgeblasenen Preise mit einem Mal in sich zusammen. Dem Preisballon geht die Luft aus.
Aktuell gibt es aber keinen Leerstand im Kreis Pinneberg, ganz im Gegenteil. Höchstens bei Gewerbeimmobilien sieht Borchert eine schwächelnde Nachfrage, weil während der Pandemie weniger Läden und Restaurants eröffnet werden. Ansonsten sei der Markt „dramatisch“.
Kunden aus Hamburg bereit, viel für Immobilien zu zahlen
Der Makler muss mittlerweile sogar die Werbung reduzieren, die er für seine Immobilien schaltet. Ansonsten kommen schnell mal 100 Bewerber für ein einzelnes Objekt zusammen. Der Druck auf die Käufer wächst - wer kaufen will, muss schnell sein und viel Geld in die Hand nehmen.
Wenn Borchert seine sachliche Einschätzung zum Wert einer Immobilie abgibt, dann merkt er immer häufiger, dass die Preisvorstellungen einiger Verkäufer viel höher liegen. Aber die Kunden aus der Stadt sind bereit, solche Preise zu zahlen, schließlich ist das Eigentum in Hamburg noch deutlich teurer. Und die verstärkte Homeoffice-Kultur vergrößere den Suchradius erneut, so Borchert.
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Auch Stefan Heesch vom Gutachterausschuss wurde von manchen Entwicklungen überrascht. Denn was früher für den Kaufpreis entscheidend war, spielt heute kaum noch eine Rolle. Die Verkehrsanbindung zum Beispiel sei unwichtig, erklärt der Experte. Für die meisten Käufer gelte: „Hauptsache Grundstück.“ Den Ausschlag gibt eigentlich nur noch die Nähe zur Stadt: Schenefeld, Halstenbek, das sind die teuren Adressen.
Je weiter das Grundstück von der Kernstadt entfernt liegt, desto billiger wird es, heißt es auch im LBS-Immobilienmarktatlas. Die Preisspanne für Wohnbaugrundstücke im schleswig-holsteinischen Großraum von Hamburg reicht von 82 bis 470 Euro pro Quadratmeter, so die Ergebnisse des Berichts. Der „Preisspitzenreiter“ mit 470 Euro pro Quadratmeter sei Wedel. Zum Vergleich: Pinneberg liegt derzeit bei 326 Euro pro Quadratmeter.
16 Prozent Preissteigerung für Immobilien innerhalb eines Jahres
Auch die Kaufpreise für Wohnungen steigen, wie im LBS-Immobilienmarktatlas zu lesen ist. Bei Neubauten liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis in der Kreisstadt Pinneberg bei aktuell 3677 Euro. Neue Ein- und Zweifamilienhäuser kosten im Durchschnitt 3613 Euro pro Quadratmeter, wenn sie in Pinneberg selbst liegen. Im Umland sinkt ihr Quadratmeterpreis auf ungefähr 3337 Euro.
Noch vor einem Jahr hätte man dafür nur 2858 Euro auf den Tisch legen müssen. Die Preise für Häuser in Pinneberg haben sich laut Immobilienportals immowelt.de im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent erhöht. Bei den Wohnungen sind es 15 Prozent.
Der Elmshorner Immobilienmakler Sven Langecker geht davon aus, dass die Nachfrage nicht abebbt und die Immobilienpreise auch in den nächsten Monaten stetig nach oben klettern. „Grundsätzlich beobachte ich, dass die Preise im Hamburger Umland entlang der Entwicklungsachse A 23 und A 7 weiterhin nachhaltig steigen“, so Langecker. Das gelte insbesondere für Neubauimmobilien.
Doch die steigenden Baukosten aufgrund von Auslastung und Materialknappheit wirkten sich zunehmend auch am Bestandsimmobilienmarkt aus. Ebenso wie die Tatsache, dass Neubauten „teilweise nicht mehr das kalkulierbare Ziel für Familien sind“. Negativzinsen am festen Kapitalmarkt treiben zusätzlich die Nachfrage nach alternativen Kapitalanlagen am Immobilienmarkt an, so der Experte.
Verkauf von Immobilien im Kreis Pinneberg dauert nur noch 28 Tage
60 bis 70 Eigentumswohnungen hat der gelernte Bankkaufmann und Sparkassenbetriebswirt dieses Jahr in der Krückaustadt verkauft. Umsatzbringer, nicht nur in seinem Geschäft, ist nicht mehr die Anzahl der Wohnungen, sondern sind die steigenden Preise. Schon nach 28 Tagen sei ein Objekt im Durchschnitt vermarktet. „Vor zehn Jahren hat ein Verkauf drei bis vier Monte gedauert“, erklärt Langecker, der seit 1998 als Makler arbeitet.
Mehr als die Hälfte der Käufer komme aus der Hansestadt. „Elmshorn ist endlich eine attraktive Stadt mit guter Infrastruktur“ sagt der Experte, außerdem sei der „Preisdruck in Hamburg enorm“. Doch auch Kunden aus den umliegenden Gemeinden hätten Elmshorn schon seit einiger Zeit für sich entdeckt. Gekauft werden mehr und mehr Bestandsbauten aus den 60er- bis 70er-Jahren, die die neuen Eigentümer meist in Eigenleistung renovieren.
Heißt das also, dass jetzt der beste Zeitpunkt gekommen ist, um die eigene Immobilie zu Geld zu machen? Die Entscheidung, Haus oder Wohnung zu verkaufen, beschäftigt vor allen Dingen ältere Eigentümer. Langecker rät den meisten seiner Kunden vor einem vorschnellen Schritt ab. Wer seine Immobilie verkaufe, erhalte in dieser „Goldgräberstimmungszeit“ zwar eine große Summe Geld auf einen Schlag. Doch altersgerechte, bezahlbare Wohnungen zu finden sei in Elmshorn gerade schwierig. Und eine Anlage des Geldes in festverzinsliche Wertpapiere wie etwa Sparbriefe oder Festgeld ist aktuell alles andere als attraktiv – die Zinsen sind nahe Null.