Norderstedt. Mehr als 10 Millionen Euro extra verschlingt der Bau am Herold-Center. Der Ärger ist groß. Doch für eine Korrektur ist es viel zu spät.
Am Montag war im Hauptausschuss überraschend bekanntgeworden, dass das Bildungshaus in Norderstedt mehr als 20 Prozent teurer wird als bislang angenommen, nunmehr 57,8 statt zuvor 47,5 Millionen Euro kosten soll. Stand heute, wohlgemerkt. Nachdem die erste Info eher zur Kenntnis genommen wurde, gab es nun im Kulturausschuss ein gewaltiges politisches Nachspiel, das verdeutlichte: Der Ärger ist groß. Doch es dürfte längst viel zu spät sein, um die Steigerung abzubremsen.
Im Mittelpunkt steht die städtische Entwicklungsgesellschaft (EGNO), ihr Geschäftsführer Marc-Mario Bertermann sowie die Projektleiterin Jennifer Bruckmann sollten erklären, was eigentlich passiert ist in den letzten Monaten. „Ich komme mit sehr, sehr schlechten Nachrichten. Es handelt sich nicht um Kleinigkeiten.“ Man sei mit dieser Kostensteigerung zwar nicht allein, so Bertermann und verwies auf vergleichbare Probleme anderer Städte, die teilweise noch extremere Zuwächse hätten. Aber man wolle es „auch nicht kleiner reden, als es ist“.
Bildungshaus Norderstedt: Politik ist machtlos nach Kostenexplosion
Im März 2022 sei der Bauantrag eingereicht worden, schon da ging die EGNO davon aus, dass die übliche eingepreiste Steigerung von jährlich vier Prozent nicht genügen würde. Wenige Monate später folgte so dann auch die neue Kalkulation von 47,5 Millionen Euro. Bei der Grundsteinlegung soll Oberbürgermeisterin Katrin Schmieder dann gesagt haben, dass es dabei bleiben würde, auch wenn sich die Fertigstellung bis 2026 hinausschiebt.
So war der Kenntnisstand im Mai dieses Jahres, damit ging man in die Sommerpause. Viele in der Politik fragen sich nun, ob es nicht schon vor einem halben Jahr Anzeichen gegeben hätte, dass der Preis nicht zu halten sei. Bertermann entgegnete aber: Im August sei noch nicht klar gewesen, „wo man lande“.
Längere Bauzeit verursacht Millionen-Steigerung in allen Bereichen
Die Verlängerung der Bauzeit sorgt für 3 Millionen Euro zusätzlich: Bauzaun, Kräne, Container, Wachdienst, Strom, Wasser, Personal, das summiert sich. Die Auftragsvergaben haben sich als erhebliches Problem erwiesen: „Je später man ausschreibt, desto teurer“, so Jennifer Bruckmann. Insgesamt gibt es bereits über 60 Verträge. 1,9 Millionen Euro sind hier dazugekommen.
„Im Moment ist der Markt so, dass wir generell sehr wenige Angebote bekommen.“ Und wenn bei einem guten dann zwei Formblätter fehlen, muss neu ausgeschrieben werden, so ist es bei öffentlichen Vergaben vorgeschrieben. Mutmaßlich schreckt das auch Firmen ab, die dann lieber für die Privatwirtschaft arbeiten.
Sparpotenziale gesucht: „Haben Sie ihre eigenen Ansprüche überprüft?“
Der Aufschlag bei den Planungskosten (+3,6 Millionen Euro) fußt darauf, dass Architektenhonorare an Baukosten gekoppelt sind. Der Brandschutz ist komplexer geworden durch die Holzfassade. Zusammen mit weiteren erwarteten Steigerungen kommen die 10,3 Millionen zusammen.
Die Aussprache hatte es dann in sich, nahm fast schon den Charakter eines Verhörs an. „Können wir irgendwo einsparen?“, fragte Friedhelm Voß (CDU) hoffnungsvoll. „Es muss doch beim Innenausbau noch Sparpotenzial geben. Haben Sie ihre eigenen Ansprüche überprüft?“ Ja, antwortete hier Dieter Powitz, der Leiter des Amtes für Bildung und Kultur, „das ist genau in der Prüfung“.
„Nie hat jemand goldene Wasserhähne gefordert“
Tobias Mährlein (FDP) wollte wissen, ob es nicht auch ohne die zehn Millionen Euro ginge. „Wir haben lange Zeit relativ kostenbefreit planen können, haben aber jetzt einen Zustand erreicht, bei dem Dinge in Frage gestellt werden könnten.“ Wenn man bei 47,5 Millionen Euro deckeln würde, was wäre dann der Stand? „Kein Innenausbau, im Prinzip nur die Rohbau-Installation“, so die ernüchternde Antwort der EGNO.
Dieter Powitz versuchte, klarzustellen: „Es ist nicht so, dass wir goldene durch silberne Wasserhähne ersetzen und dann ist es erledigt. Nie hat jemand goldene Wasserhähne gefordert.“
EGNO-Geschäftsführer: „Ich sitze jetzt hier, weil es kein anderer macht“
Petra Müller-Schönemann (CDU) schimpfte, sie fühle sich „ein bisschen vergackeiert“, nachdem im Sommer noch nicht davon die Rede war, dass die Kosten massiv zunehmen. „Das kann eigentlich nicht angehen. Wir müssen Gelder freigeben, und es auch rechtfertigen.“
Bertermann war anzumerken, dass er nicht der alleinige Buhmann sein wollte. „Mein Job ist es nicht, zu entscheiden, wann die Politik welche Informationen erhält. Ich sitze jetzt hier, weil es kein anderer macht.“ Das war eine erstaunliche Distanzierung. Aber er betonte auch: „Am Ende ist es eine Teamleistung. Ich bin nicht der, der sich wegduckt.“
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Friedhelm Voß hätte gerne auch andere Adressaten gehabt. „Gucken wir, wer heute mit Abwesenheit glänzt – das ist die Verwaltungsspitze.“ In der Tat, weder die Oberbürgermeisterin noch Sozialdezernentin Kathrin Rösel oder Baudezernent Christoph Magazowski waren vor Ort.
Kosten-Schock beim Bildungshaus: „Zeiten für teure Prototypen sind vorbei“
Je weiter fortgeschritten eine Planung ist, desto weniger lässt sich noch verändern, desto weniger sind Kosten reduzierbar, das zeigte die Diskussion. Für das Bildungshaus bedeutet das: Die nötigen Zusatz-Millionen sind alternativlos. Und wenn weiterer Bedarf auftaucht, wird das wohl genauso gelten.
Für die Zukunft hingegen warnte etwa Tobias Mährlein: „Ich glaube, die Zeiten für tolle, teure Prototypen, in denen sich Architekten wiederfinden, sind vorbei. Wir tun uns damit keinen Gefallen.“ Und Marc-Mario Bertermann sprach von einer „Lernkurve“, davon, dass „selbst Norderstedt nicht mehr in der Lage“ sei, „Projekte wie dieses aus dem Ärmel zu schütteln“.