Boostedt/Henstedt-Ulzburg/Kiel . Mobile Deiche, Plastikwände, Amphibienfahrzeuge, Notstromaggregate: Was im Katastrophenschutzlager in Boostedt alles gelagert wird.

Die Jahrhundertsturmflut, die vor einem Jahr weite Teile der Ostseeküste überschwemmte und Schäden in Millionenhöhe verursachte, hat die dortigen Bewohner erschreckt und die Landesregierung alarmiert. Und sie hat schnell reagiert.

Schon im Dezember 2023 wurde aus fünf Referaten die Abteilung Bevölkerungsschutz mit 45 Mitarbeitenden aus dem Boden gestampft. Und es ist in mehreren Hallen der früheren Kaserne in Boostedt das Lager für Katastrophenschutz für 2,5 Millionen Euro mit neuesten Gerätschaften für den Hochwasserschutz ausgestattet worden.

Katastrophenschutz: Zentrallager in Boostedt stattet das ganze Land aus

Staatssekretärin Magdalena Finke, die im Kieler Innenministerium für Polizei und Bevölkerungsschutz zuständig ist, besuchte jetzt dieses Zentrallager mitten im Land, das von Boostedt aus alle elf Kreise und deren Feuerwehren im Krisenfall mit diesen Materialien ausstatten soll. Dazu zählen mobile Deiche, die mit Luft oder Wasser aufpumpbar oder aus Kunststoffwänden zusammensetzbar sind. Es sind mehrere Auffüllmaschinen für Sandsäcke, 100.000 Sandsäcke, 30 Notstromaggregate und sechs Amphibienfahrzeuge angeschafft worden.

„Der Klimawandel verstärkt die Notwendigkeit zu handeln“, sagte Staatssekretärin Finke. „Schleswig-Holstein hat deshalb diese Hochwasserschutzsysteme erworben.“ Die Jahrhundertsturmflut im Oktober vorigen Jahres habe erneut gezeigt, wie wichtig es ist, vorbeugende Schutzmaßnahmen vor solchen Großwetterlagen zu treffen. Sturmfluten seien hierzulande immer eine nicht zu unterschätzende Gefahr.

Katastrophenschutz: Die Zeit ist oft das größte Problem

Und es müsse im Notfall rasch gehandelt werden, sagte sie. „In diesen Notlagen muss die Hilfe vor allem schnell erfolgen. Zeit ist oft unser größtes Problem. Deshalb ist es wichtig, die aktuellen Materialbestände und vorhandenen Lagerkapazitäten zu haben“.

Die Schläuche für das mobile Deichsystem lassen sich platzsparend und handlich zusammentrollen und auf kleinen Wagen lagern.
Die Schläuche für das mobile Deichsystem lassen sich platzsparend und handlich zusammentrollen und auf kleinen Wagen lagern. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

Dabei erneuerte sie ihre Kritik an der Bundesregierung, die dem nördlichsten Bundesland bis heute kaum Hilfe nach den enormen Ostküstenschäden angeboten hätte. „Keiner vom Bund hat sich hier sehen lassen. Die Bundesregierung hätte mehr für uns tun können.“ Auf den Innenministerkonferenzen sei dies zwar immer wieder versprochen, aber nicht eingehalten worden.

Und so habe Schleswig-Holstein nun als bundesweit erstes Bundesland ein mobiles Schlauchsystem erworben, das bei Hochwasser an der Nord- und Ostsee, an Flüssen oder bei Starkregenfällen als ein künstlicher Deich eingesetzt werden kann. Entwickelt hat das System der Unternehmer Walter Wagenbauer aus Henstedt-Ulzburg, der dort zuvor ein Betonwerk geleitet hat.

Im Notfall wird ein künstlicher Deich aus Henstedt-Ulzburg eingesetzt

„Mich hat 2002 die Elbeflut in Dresden und anderen Orten in Ostdeutschland auf den Plan gerufen“, erklärt der Bauingenieur. „Der Hochwasserschutz muss doch besser gehen, als nur Sand in Säcke zu füllen“, habe er sich damals gedacht und etwas völlig Neues entwickelt, das hundertmal schneller aufzubauen sei, als Sandsäcke zu stapeln. Mit vier Mann ließe sich in einer Stunde ein 200 Meter langer mobiler Deich aufbauen, der aus zwei Polyesterschläuchen besteht und mit Wasser oder Luft gefüllt etwa einen Meter hoch ist.

„Um das Gleiche mit Sandsäcken zu erreichen, bräuchte man 700 Hilfskräfte“, beschreibt Wagenhuber seine bahnbrechende Erfindung, die bereits in der Schweiz und den Niederlanden Menschen und Häuser vor Sturmfluten geschützt habe.

Katastrophenschutz: 700 Meter Schlauchsystem kosten 800.000 Euro

Nächste Woche stelle er sein mobiles Schlauchsystem der bayerischen Landesregierung in München vor. Eine Plane wie von Großzelten oder Lkw werde über die aufgepumpten Schläuche gespannt und am Boden auf beiden Seiten mit Stahlketten gesichert und befestigt, sodass der mobile Deich auch fest verankert bleibt.

Zusammengesteckt ergeben diese Kunststoffplatten aus den Niederlanden  eine Schutzwand, die gegen Hochwasser schützt, erklärt hier Sachgebietsleiter Sven Schlünsen aus dem Innenministerium.
Zusammengesteckt ergeben diese Kunststoffplatten aus den Niederlanden  eine Schutzwand, die gegen Hochwasser schützt, erklärt hier Sachgebietsleiter Sven Schlünsen aus dem Innenministerium. © Burkhard Fuchs | Burkhard Fuchs

„Durch das flexible System ist der Mobildeich auch besser geschützt vor Einschlägen von Steinen oder großen Kanthölzern“, erklärt Tüftler Wagenbauer und verspricht: „Wir garantieren eine Haltbarkeit von mindestens 25 Jahren.“ Zudem lasse sich das Schlauchsystem gut aufrollen und auf kleinen Wagen lagern, was es sehr platzsparend und sehr handlich mache, lobte auch Sven Schlünsen, der für die Beschaffung des Materials im Innenministerium zuständig ist.

Für 700 Meter dieses Schlauchsystems hat das Land nun allein 800.000 Euro investiert, das aus 20 geschlossenen Teilsystemen besteht und von nur einer Pumpe bedient und aufgefüllt werden kann.

Boostedt: Im Lager gibt es auch Feldbetten und Ersatzkleidung

Aus den Niederlanden kommt ein anderes System für Hochwasserschutz, das Boxwall heißt. Das besteht aus jeweils etwa einen Meter langen und hohen, etwa 15 Kilogramm schweren Kunststoffplatten, die zusammengesetzt eine Schutzwand bilden. 500 Meter davon habe das Land für 210.000 Euro erworben, erklärte Sachgebietsleiter Schlünsen. Wobei das Mobildeichsystem aus Henstedt-Ulzburg weniger Lagerfläche und auch keine extra Kurven brauche, sagte er. „Insgesamt stehen uns in Boostedt zurzeit 3500 Quadratmeter Hallenfläche zur Verfügung.“

Daneben lagern nun neueste Notstromaggregate, deren Motoren mit Diesel betrieben werden, sowie mehrere Paletten mit Sandsäcken und neue Füllmaschinen. Auch 500 große Säcke, „Bigpacks“, gehören dazu. Und es gibt dort auch Feldbetten und Ersatzkleidung für Menschen, die im Notfall rasch aus ihren Häusern evakuiert werden müssen, sowie palettenweise Jodtabletten, die gegen radioaktive Strahlung helfen sollen.

Katastrophenschutz: Land schafft auch sechs Amphibienfahrzeuge an

Zum Nikolaustag werde es hier eine kleine Geschenkaktion geben, kündigt Schlünsen an. Jeder Kreis im Land erhalte zwei Paletten mit wichtigen Schutzmaterialien und Gerätschaften wie Pumpen, Schläuchen, Übergangsbrücken, Isoliermatten, Schutzkleidung und mobilen Tankstellen, die bis zu 65 Liter Kraftstoff beinhalten.

Diese Investitionen seien erst der Anfang, erklärte Staatsekretärin Finke. „Wir werden in den nächsten Jahren noch deutlich mehr investieren müssen.“ So seien bereits weitere 30 Notstromaggregate für 1,2 Millionen Euro bestellt. Auch sechs Amphibienfahrzeuge für 350.000 Euro, wie sie zum Beispiel die Freiwillige Feuerwehr in Quickborn seit einem Jahr bei Einsätzen im Himmelmoor oder bei Starkregenfällen bereits gut gebrauchen konnte, würden noch geliefert.

Parallel dazu laufe bereits ein Programm zur Anschaffung von Großfahrzeugen wie Löschfahrzeugen, Krankentransport- oder Gerätewagen, in das seit 2018 rund 50 Millionen Euro geflossen seien, sagte Tilo von Riegen, der die neu geschaffene Abteilung Bevölkerungsschutz im Kieler Innenministerium seit einem Jahr leitet.