Wahlstedt. Bis 2027 sollen 530 Arbeitsplätze abgebaut sein und der Standort Wahlstedt endgültig schließen. Wie Mitarbeiter auf Pläne reagieren.

Gut zweieinhalb Stunden hat die Betriebsversammlung am Dienstag gedauert. Die Geschäftsführung von Grundfos hat der Belegschaft detailliert erklärt, wie sie nach und nach die 530 Arbeitsplätze abbauen will, um die Produktion bis Anfang 2027 einstellen zu können. Dann soll der Standort Wahlstedt endgültig geschlossen und die mehr als 60 Jahre alte Geschichte zu Ende erzählt sein.

Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verließen die Veranstaltung noch vor ihrem Ende. Eine Frau steckte sich im Regen eine Zigarette an und eilte zum Raucherunterstand. Dort tauschte sie sich mit einer Kollegin über das aus, was sie gerade gehört hatten. Über mögliche Abfindungen. Den aufgestellten Sozialplan. Das Ende einer Ära. Mit dem Abendblatt sprechen, wollte sie nicht. Viele winkten ab, fuhren direkt nach Hause. Eine Frau weinte. Andere verließen das Gebäude mit einem Lächeln durch die Schiebetüren, verabschiedeten sich freundlich beim Pförtner.

Grundfos Wahlstedt: Mitarbeiter reagieren auf Schließung mit gemischten Gefühlen

„Mir geht es eigentlich gut. Jetzt wissen wir wenigstens, woran wir sind“, sagte eine Mitarbeiterin. Sie ist 62 Jahre alt, die Hälfte ihres Lebens hat sie beim dänischen Pumpenhersteller Grundfos gearbeitet. Das Unternehmen ist seit 1960 in Wahlstedt verwurzelt, die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt bei 22 Jahren. Paare haben sich hier kennengelernt, geheiratet, Kinder bekommen. Für einige Familien brechen nun zwei Gehälter weg. Für andere Mitarbeiter fühlt es sich hingegen in Ordnung an, zu gehen. „Ich habe vier Kinder großgezogen, 31 Jahre gearbeitet, das reicht. Ich bin dicht an der Rente, für mich ist Zapfenstreich“, sagte die Frau weiter.

Trotzdem sei es nach so einer langen Zeit schwer loszulassen. „Wir haben alle noch nicht abgeschlossen. Erst wenn ich die Zugangskarte abgegeben habe und gehe“, sagte sie. Einer weiteren Mitarbeiterin, die 30 Jahre im Betrieb tätig ist, fällt es deutlich schwerer, zu akzeptieren, dass Grundfos seine Produktion in Wahlstedt einstellt. „Ich hätte gerne noch bis zur Rente weitergearbeitet. Fünf Jahre und acht Monate habe ich noch nach“, sagte sie. Trotzdem hält sie das Abfindungsangebot der Geschäftsführung für „fair“.

Grundfos bietet Abfindungen von maximal 300.000 Euro an

Grundfos sieht Abfindungen vor, die sich am Jahresgehalt orientieren und mit dem Faktor 1,5 multipliziert werden. Die Obergrenze liegt bei 300.000 Euro, mindestens werden 10.000 Euro gezahlt. Betriebszugehörigkeit, Familienstand, Kinder und Behinderung spielen in dem vorgesehenen Punktesystem ebenfalls eine Rolle und entscheiden darüber, wer zuerst geht und welche Mitarbeitenden bis zum Schluss bleiben. Zum Jahreswechsel wird damit begonnen, die Produkte nacheinander einzustellen. Eine Arbeitsgarantie soll es bis September 2025 geben. Möglicherweise werden Beschäftigte in andere Abteilungen versetzt.

Frank Lossau ist zufrieden mit dem Angebot. „Von meiner Seite aus finde ich den Sozialplan sogar super“, sagte der 56-Jährige. Seit Grundfos im April verkündet hat, seine Produktion künftig nach Serbien, Ungarn und Dänemark verlegen zu wollen, war ihm klar, dass sich ein Kampf um den Standort Wahlstedt nicht lohnen würde. „Das Ding war unter Dach und Fach. Natürlich ist es traurig, ich arbeite seit 34 Jahren hier. Aber sich zu ärgern, nützt niemandem etwas“, sagte der Mechaniker.

Gewerkschaft IG Metall hätte sich mehr Kampfgeist gewünscht

Sebastian Borkowski von der Gewerkschaft IG Metall hätte sich mehr Kampfgeist des Betriebsrats und der Belegschaft gewünscht. „Ich glaube, man hätte um den Standorterhalt kämpfen müssen. Die Frage der Abfindung ist am Ende nur das Preisschild dafür, dass man in der Region Arbeitsplätze verliert. Der Kampf um solche Industriearbeitsplätze ist der wichtigere. Denn sind sie erst einmal weg, kommen sie nicht wieder.“

Aus Borkowskis Sicht hätte der Betriebsrat gut daran getan, „noch mehr Sperrfeuer aus Politik, Gesellschaft und Gewerkschaft zu nutzen“. „Aus der Politik hätten Menschen bereitgestanden, um den Kampf in der breiten Öffentlichkeit zu unterstützen“, sagte der Gewerkschafter und spielte damit auf Bengt Bergt an.

Bengt Bergt
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt wollte sich für den Erhalt des Standortes Wahlstedt einsetzen – bei der Betriebsversammlung war sein Auftritt allerdings nicht gewünscht. © DPA Images | Lucas Röhr

Der Bundestagsabgeordnete der SPD hatte im Vorfeld einen offenen Brief an die Grundfos-Geschäftsführung formuliert und von 83 sozialdemokratischen Parteikollegen auf Bundes-, Landes- und Kreisebene unterzeichnen lassen. Diesen Brief wollte er auf der Betriebsversammlung verlesen – allerdings teilte ihm der Betriebsrat vor Ort mit, dass seine Rede nicht gewünscht sei. „Um keine Unruhe hereinzubringen“, wie Bergt selbst zitierte.

Wahlstedt: Schließung von Grundfos hat Folgen für gesamte Region

Der Bundestagsabgeordnete aus Norderstedt betonte, dass er keinen Wahlkampf bei Grundfos machen wollte. Die Entscheidung von Teilen des Betriebsrats finde er „enttäuschend“. „Ich habe versucht, dem Kampf um den Standort politischen Wind unter den Flügeln zu geben, den es braucht. Ich wollte darstellen, dass es eine breite Unterstützung in der Gesellschaft gibt.“ Das sei nun nicht möglich gewesen.

Das Schicksal von Grundfos bewegt die gesamte Region. Mit der Schließung verlieren nicht nur 530 Menschen ihre Jobs. Auch ein Drittel aller Arbeitsplätze in der Industrie von Wahlstedt fällt weg. Die Abwanderung des dänischen Unternehmens hat finanzielle Auswirkungen auf den gesamten Kreis Segeberg. Dennoch möchte der Pumpenhersteller seinen Plan durchziehen. Ziel sei es laut Grundfos, die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der Produkte und Lösungen zu sichern.