Norderstedt. Diskussion in Norderstedt um Zukunft des Einzelhandels: Center-Manager Gogol überrascht mit außergewöhnlichem neuen Mieter ab 2025.
Für viele Einzelhändler ist das Geschäft derzeit ein einziger Kampf – gegen gleich mehrere Gegner und Probleme. Zunehmender Online-Handel, Inflation, Personalmangel, sinkende Kauflust und eine immer härter kalkulierende Kundschaft – und das alles bei gleichzeitig steigenden Kosten. In Einkaufszentren wie dem Herold-Center sind die Folgen dieses Trends spürbar. Geschäfte verschwinden, Ladenlokale stehen leer.
Carsten Gogel, Manager des Herold-Centers, nennt die jüngsten Insolvenzen von Ketten von Gerry Weber, Esprit, Reno oder Arko, die auch den Norderstedter Einkaufsstandort betrafen. Aktuell stünden zehn Geschäfte im Herold-Center leer, sagte er. „Das ist bei uns zum Glück unter dem Durchschnitt. Aber jeder Leerstand ist einer zu viel.“ Das Einkaufszentrum überbrücke dies, indem die freien Flächen für Ausstellungen, Foto-Wettbewerbe oder Showrooms wie das Science-Center genutzt würden.
So sei es gelungen, täglich wieder an die 30.000 Menschen ins Herold-Center zu locken, sagt er im Abendblatt-Gespräch. „Aber die 32.000 Kunden am Tag aus den Vor-Corona-Jahren haben wir noch nicht wieder erreicht.“
Herold-Center Norderstedt: Überraschender neuer Mieter
Eine weitere Aktion des Centermanagements war die „Charity Lounge“, in der sich sechs Tage lang Vereine der Stadt präsentieren konnten. Und, bezeichnend für die Lage, trafen sich vergangene Woche auf der leeren Ladenfläche auch Vertreter des Einzelhandels und der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck (IHK), um über die Herausforderungen und Probleme des Einzelhandels zu diskutieren.
Für die die 757 Geschäftsleute in Norderstedt und 2736 Einzelhändler im Kreis Segeberg stellt sich die existenzielle Frage, wie sie ihre stationären Geschäfte gegen die weltweit operierenden Online-Konzerne und Versandhändler behaupten können. Auf Einladung von Norderstedt Marketing lieferten Herold-Center-Manager Carsten Gogol und Filia Severin von der IHK Lübeck und vor rund 50 Zuhörern aus Wirtschaft und Politik Fakten und Lösungsansätze.
Strukturwandel: „Einzelhandel muss mehr bieten!“
„Der traditionelle stationäre Einzelhandel steht vor einem großen Strukturwandel. Aber er hat Zukunft“, sagte Filia Severin. So würden immer noch vier von fünf Kunden sagen, dass sie lieber vor Ort im Geschäft einkauften als dies von zu Hause aus mit dem Smartphone im Online-Handel zu machen. Trotzdem: der Online-Handel hält zurzeit schon 13,1 Prozent am Gesamtumsatz des Einzelhandels in Deutschland von 670 Milliarden Euro (2023). Der Anteil des Online-Geschäfts hat sich seit 2012 verdoppelt und der Umsatz sogar verdreifacht. Seit dem Corona-Lockdown steigen die Zahlen sprunghaft an.
Während die Deutschen ihre Lebensmittel noch zu 97 Prozent im Laden einkaufen, beträgt der Online-Anteil in allen anderen Bereichen inzwischen rund 20 Prozent. Wobei auch im Food-Bereich der Online-Handel stark wächst, um plus 7,2 Prozent im vergangenen Jahr. Und in bestimmten Segmenten wie Bekleidung, Elektro, Freizeit, Hobby und Büromaterialien macht das Online-Shopping schon 35 bis 42 Prozent am Gesamtumsatz aus.
Herold-Center: Kunden mit Aktionen und Entertainment locken
„Um bestehen zu können, muss der Einzelhändler seinen Kunden Erlebnisse schaffen, Emotionen wecken, ihnen einen Mehrwert bieten und genau schauen, was seine Zielgruppe ist“, sagt Filia Severin. Wer dazu bewegt werden soll, Zeit und Aufwand für Hin- und Rückfahrt in Innenstädte oder Einkaufszentren zu betreiben, um vor Ort im Geschäft einzukaufen, dem müsse zusätzlich etwas Besonderes geboten werden. Das könnten Aktionen sein, wie das Anbieten von Gutscheinen oder das Schaffen von besonderen Einkaufsatmosphären und Spielecken für Kinder.
Die gibt es im Herold-Center schon lange. Das seit 1971 in Norderstedt bestehende Einkaufszentrum am U-Bahnhof und ZOB in Garstedt mit seinen 120 Geschäften auf 27.000 Quadratmetern und 850 Parkplätzen bietet auch häufig Einkaufsgutscheine an, sagte Center-Manager Gogol. Dazu versuche man regelmäßig, mit verkaufsoffenen Sonntagen, Rabatt-Aktionen, Spielangeboten wie „Scan dich glücklich“ oder Losverkäufen den Kunden „Entertainment und Unterhaltung“ zu bieten.
Erfolg von „Secret Packs“: Fragwürdiges Kaufverhalten
Doch die Kundschaft sei wegen der Inflation und hohen Energiekosten preisbewusster als in den Vorjahren geworden, betonte der Herold-Center-Chef. „Viele Kunden sind verunsichert und achten auf den niedrigsten Preis.“ Das gelte heute für neun von zehn Kunden, haben aktuelle Umfragen in der Marktforschung ergeben, sagte er.
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Wobei es Gogol mehr als überrascht, dass der „Secret Packs“-Automat, der gerade im Herold-Center aufgestellt wurde, vor diesem Hintergrund einen so großen Erfolg habe. Dort versuchten zahlreiche Kunden ihr Glück, indem sie an dem Automaten zehn Euro für ein Überraschungspaket ausgäben, ohne zu wissen, was sich darin befände. In den Läden wiederum würden sie dagegen auf jeden Cent achten, so Gogol.
Herold-Center Norderstedt: Neuer Mieter ab Februar 2025
Management und Einzelhändler im Norderstedter Einkaufszentrum müssten ständig auf der Höhe der Zeit bleiben, sagt Gogol. Und neue Allianzen eingehen, um Publikum ins Herold-Center zu bekommen. „Es wird völlig neue Angebote geben“, kündigte Center-Manager Gogol an. Im Februar werde das „1A-Wundzentrum“ im Herold-Center eröffnen, das es bundesweit schon an elf Standorten gebe. Das seien Praxisräume, die medizinische Spezialisten für die Behandlung von chronischen und schwer heilenden Wunden anböten. Das sei ein völlig neues Konzept in einem Einkaufszentrum, das in Kooperation mit den Krankenkassen angeboten werde.
Der Anbieter „1A Wundzentrum“ aus Senden kündigt „moderne Praxisräume, ausgestattet nach den medizinischen Standards“ im Herold-Center an, man biete Wundversorgung durch geschulte Pflegefachkräfte und Ärzten in der Einkaufsatmosphäre einer Shopping-Mall, die „ideale Voraussetzung für einen erfolgreichen Heilungsverlauf“. Es seien genau solche neuen Ideen, die Gefühle und Emotionen der Menschen berührten, damit sie wieder vermehrt in die Einzelhandelsgeschäfte kommen, sagte Filia Severin von der IHK.
Herold-Center Norderstedt: Öffnungszeiten werden eingeschränkt
Carsten Gogol wünscht sich für mehr Attraktivität im Center aber auch noch ein paar Gastronomie-Betriebe, moderne Schuhläden und Lebensmittelversorger als neue Mieter.
Allerdings hätten auch die Geschäfte im Herold-Center zunehmend unter dem Fachkräftemangel zu leiden. Darum werden vom 1. Januar 2025 an die Mindest-Öffnungszeiten um eine Stunde von 9.30 bis 19 Uhr verringert, kündigte Gogol an. „Wir müssen da wieder mehr Einheitlichkeit herstellen.“ Die großen Filialisten würden aber weiterhin bis 20 Uhr geöffnet sein.