Norderstedt/Berlin. Bengt Bergt (SPD) aus Norderstedt nach Instagram-Posting im Kreuzfeuer der Kritik: Nun schaltet sich der CDU-Landesvorsitzende ein.
- Rolf Mützenich zwingt Bergt zur Entschuldigung bei Friedrich Merz
- Norderstedter Bundestagsabgeordneter entschuldigte sich schriftlich beim CDU-Chef
- CDU-Landesvorsitzender Günther fordert Serpil Midyatli zur Distanzierung auf
Für den Norderstedter Bundestagsabgeordneten Bengt Bergt (SPD) hat die Affäre um ein gepostetes KI-Deepfake-Video von CDU-Parteichef Friedrich Merz eklatante politische Folgen. Bergt wurde in der hitzigen Debatte nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz am Mittwoch im Bundestag in der Rede von Friedrich Merz zum Thema.
„Seit gestern kursieren Fake-Videos über mich im Internet. So weit, so schlecht. Aber dass diese von sozialdemokratischen Abgeordneten gepostet und weitergeleitet werden, das gibt einen Vorgeschmack auf die Art und Weise eines Wahlkampfes, den Sie offensichtlich bereit sind zu führen“, sagte Merz in Richtung des Kanzlers, der dies mit versteinerter Miene zur Kenntnis nahm.
Bundestag: Fraktionschef Mützenich maßregelt Bengt Bergt
Auch in den Reihen der SPD hatte das Vorgehen Bergts offenbar für Kopfschütteln und Entrüstung gesorgt. So sehr, dass sich schließlich Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich genötigt sah, in seiner Rede im Bundestag vor den Augen des gesamten Plenums den Fraktionskollegen Bergt zu rügen – ohne dessen Namen zu nennen.
„Herr Merz, wenn es stimmt – Sie wissen, ich bin nicht auf diesen Plattformen unterwegs – dass sich ein Kollege meiner Fraktion dieser fragwürdigen Technik der KI bedient hat, werde ich dafür sorgen, dass sich der Kollege bei ihnen entschuldigen wird“, versprach Mützenich. Für Bergt ein mehr als peinlicher Vorgang.
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Fake-Merz als Verächter der Demokratie
Bengt Bergt hatte das Video am Montag auf seinem offiziellen Instagram-Account in der Story verlinkt. Es stammt vom Satire-Account „KI-ne Alice für Deutschland“ und zeigt einen KI-generierten Friedrich Merz, der von der „Verachtung der Demokratie“ spricht. Lukas Kilian, Generalsekretär der CDU Schleswig-Holstein bezeichnete das Video als „ekelhaften Schmutz“ und bezichtigte Bergt, „AfD-Methoden“ anzuwenden und „geschmacklos und undemokratisch“ die CDU zu diffamieren, es sei eine „Verächtlichmachung der Demokratie“.
Bergt hatte den Link auf das Video in seinem Instagram-Account zwar bereits am Dienstagmittag wieder gelöscht. Doch anstatt sich davon zu distanzieren, legte er in einem Statement gegenüber der CDU nach. Anstatt sich über aus seiner Sicht klar als Satire gekennzeichnete Videos aufzuregen („Heute Show lässt grüßen!“), solle sich die CDU lieber mit ihren eigenen Äußerungen über die „Energie-Stasi“ und „kleine Paschas“ auseinandersetzen.
Bengt Bergt: Schriftliche Entschuldigung an Merz
Dem Versprechen von Rolf Mützenich in Richtung von Friedrich Merz, folgten mittlerweile Taten. Bengt Bergt hat sich in einem Schreiben an den CDU-Chef für sein Posting entschuldigt. Zwar verweist er in dem persönlich an Friedrich Merz gerichteten Brief, dass es sich um ein deutlich als Satire gekennzeichnetes Video handelte. „Dennoch nehme ich zur Kenntnis, dass es irreführenden Charakter haben kann“, so Bergt
Und weiter schreibt Bergt: „Ich kann verstehen, dass Satire – geteilt von einem Politiker – als politische Aussage gewertet werden kann. Außerdem räume ich ein, dass der Inhalt des Videos überspitzt, teilweise hart, zum Teil vielleicht auch zu hart formuliert war – und dass der Inhalt als ehrrührig empfunden werden kann.“ Er habe „diese Wirkung offensichtlich unterschätzt“ und würde das Video nicht nochmals teilen.
Bergt bekundet, dass „bewusste Irreführung der Bürgerinnen und Bürger niemals Teil des politischen Diskurses sein“ dürfe, gerade in der Auseinandersetzung mit „vermeintlichen Demokraten extremer Parteien.“ Fake News hätten im öffentlichen Diskurs nichts zu suchen, so Bergt. Gleichwohl gebe es einen Unterschied zwischen Satire und Fake News. Der sei wichtig, ansonsten „würden wir die Meinungs- und Satirefreiheit ad absurdum führen“, heißt es in dem Schreiben weiter.
CDU-Landesvorsitzender Günther kritisiert SPD-Kollegin Midyatli
Nachdem große Teile der CDU Schleswig-Holstein empört auf Bergts Posting reagiert hatten, sah sich nun auch der CDU-Landesvorsitzende Daniel Günther genötigt, sich zur Affäre zu äußern. Und zwar, weil die „liebe Serpil“ sich so gar nicht distanzieren will von der Instagram-Aktion ihres Genossen, wie Günther in einem Brief an die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli schreibt.
Die unmissverständlichen Äußerungen des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, habe Günther als sehr wohltuend im Sinne eines fairen Umgangs empfunden. „Es sorgt in meiner Partei allerdings zunehmend für Unverständnis, dass es bis heute kein einziges öffentliches Wort der Distanzierung durch Dich als Vorsitzende der SPD Schleswig-Holstein gegeben hat. Im Gegenteil: Du hast Dich bewusst in Schweigen gehüllt und Deinen Sprecher rechtfertigende Worte und Vorwürfe gegen die CDU Schleswig-Holstein formulieren lassen“, schreibt Günther. Um wieder zu einem fairen Umgang zurückzukehren, erwarte Günther „eine klare Distanzierung durch Dich, mindestens in der Form wie es der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion getan hat.“
Serpil Midyatli: „Absurde Unterstellung!“
Und Serpil Midyatli reagierte prompt auf Günthers Brief. „Bengt Bergt hat das Video geteilt und er hat sich jetzt bei Friedrich Merz dafür entschuldigt. Damit ist die Sache für mich erledigt“, sagte Midyatli am Dienstagnachmittag. „Das Video hätte ich nicht geteilt. Das habe ich Daniel Günther im Telefonat am Dienstag auch gesagt. Mein Stil ist es, zum Hörer zu greifen. So haben wir es bisher untereinander auch immer gehandhabt.“
Daniel Günther und die CDU Schleswig-Holstein habe sich davon nun offenbar verabschiedet, „wenn man das jetzt über die Öffentlichkeit austragen muss“, gibt Midyatli die Kritik an Günther zurück. „Es ist eine absurde Unterstellung, das Ganze wäre eine Kampagne der SPD Schleswig-Holstein. Es war ein geteiltes Video bei einem Abgeordneten in der Instagram-Story“, sagt Midyatli. „Unmöglich finde ich nach wie vor, dass Lukas Kilian uns AfD-Methoden vorwirft. Das habe ich Daniel Günther auch persönlich klar und deutlich gesagt. Dazu schreibt der CDU-Landesvorsitzende nichts in seinem Brief.“
Bengt Bergt: Anwaltsschreiben von Friedrich Merz
Im Gespräch mit dem Abendblatt am Dienstag betont Bengt Bergt, dass die Landes-SPD „absolut gar nichts“ mit der Angelegenheit zu tun habe. „Das ist mein Ding und Herr Günther kann sich gerne mit mir darüber auseinandersetzen.“ Er sehe, dass die ganze „CDU-Bubble“ nun geschlossen „austicke“ und legt das unter Wahlkampfgetöse ab.
Von Friedrich Merz hat er auf sein Schreiben hin übrigens keine Reaktion erhalten. „Nur eine Unterlassungserklärung seiner Anwaltskanzlei flatterte in mein Büro“, sagt Bergt. „Das finde ich ziemlich Glaskinn-mäßig und absolut nicht Kanzler-like.“ Im Übrigen sei die Angelegenheit für ihn nun erledigt. Er wolle sich den Sachthemen und dem knappen Winterwahlkampf zuwenden. Dass die KI-Merz-Affäre Auswirkungen auf seine Position auf der SPD-Landesliste hat oder generell seine Siegchancen im Wahlkreis 8 Segeberg/Stormarn-Mitte beeinflussen könnte, glaubt er nicht.