Kreis Segeberg. Landwirtschaftskammer berät Direktanbieter. Welche Zielgruppe die Mini-Hofläden haben – und welche Produkte die Betreiber anbieten.
Sonntagmittags kündigt sich Besuch zum Abendessen an und der Kühlschrank ist leer? Kein Grund, Schnappatmung zu bekommen: Einfach die EC-Karte und notfalls ein bisschen Bargeld einstecken, entspannt ins Auto steigen und ab aufs Land. Radio an, den Blick über weite Felder schweifen lassen – und dann: shoppen!
Fast in jedem Dorf findet sich irgendwo ein Lebensmittelautomat. Man muss nur wissen, wo dieser sich befindet. Was dann abends auf den Tisch kommt, entscheiden Fahrtrichtung und Kreativität. Fährt man zum Beispiel von Norderstedt aus die Bundesstraße 432 in Richtung Klein Rönnau, könnte das als Vorspeise ein kleiner Tapas-Teller sein, als Hauptgang Spaghetti mit Bärlauchpesto und als Nachtisch Joghurt mit Honig und gefriergetrocknetem Erdbeer-Topping.
Verkaufsautomaten: Vielfältiges Angebot wird saisonal angepasst
Biegt man aber vorher links nach Leezen oder später rechts nach Bühnsdorf ab, könnte es auch ein bisschen fleischlastiger werden. Unter anderem dort stehen nämlich Automaten von Gerstand Bühnsdorfer Fleischwaren.
Gerstand produziert seit 1912 Wurst, doch während die Ware vor mehr als 100 Jahren noch mit dem Pferdefuhrwerk bis nach Hamburg gekarrt wurde, arbeiten heute fast 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Bühnsdorf. Das Unternehmen erfüllt höchste Qualitätsstandards und beliefert große Märkte. Eine eigene Schlachterei gibt es deshalb schon seit einigen Jahren nicht mehr, denn der Aufwand wäre zu groß.
„Das sind meine Babys – die haben sogar Namen“
Und doch bleibt der Bedarf in dem winzigen 400-Seelen-Dörfchen, in dem die Telefonnummern noch dreistellig sind und in dem es keine großen Supermärkte gibt, bestehen. „Irgendwie war es ja auch schade, dass es diese Direktvermarktung nicht mehr gab“, erinnert sich Jörg Gerstand, der das Unternehmen heute in vierter Generation leitet.
Seiner Frau Tabitha kam dann die Idee mit den Automaten. „Das sind meine Babys – die haben sogar Namen“, sagt sie und lacht. Hans Wurst zum Beispiel war der erste. Er wurde 2021 an der Steinstraße in Bünsdorf aufgestellt und wird seitdem von Mitarbeiterin Jessica Stahl täglich neu befüllt. Genau wie Fritzi, der erst seit dem vergangenen Sommer in Leezen steht. Außerdem befinden sich noch Automaten in Reinfeld und auf Hof Lange in Wittenborn, wo es gleich nebenan die hofeigene Kartoffeltankstelle und frische Eier gibt.
Temperatur oder Mindesthaltbarkeitsdatum lassen sich per App kontrollieren
Die jeweiligen Abverkäufe, aber auch Eckdaten wie Temperatur oder Mindesthaltbarkeitsdatum lassen sich per App kontrollieren. Auf ihrer täglichen Tour über Land achtet Jessica Stahl genau darauf, dass die Kühlkette eingehalten wird und die Ware binnen Sekunden vom Kühlwagen in den gekühlten Automaten gelangt. Außerdem kontrolliert sie, was wie oft gekauft wurde, denn die Geräte werden neben saisonalen Aspekten auch nach der jeweiligen Nachfrage befüllt.
So gibt es unter anderem Traditionsware wie Holsteiner Landmettwurst, Grützwurst oder Bauernmettwurst, aber auch saisonale Produkte. „Zur Grillsaison natürlich sehr viel Rinderbratwurst und Schinkenwürstchen, passend dazu Senf und Ketchup, jetzt zum Herbst und Winter hin aber auch Produkte wie Kohlwürste“, erklärt Tabitha Gerstand und kündigt schon einmal weitere Automaten an. Denn inzwischen wird sie sogar von Gemeinden und engagierten Bürgerinnen und Bürgern angeschrieben, ob man nicht auch bei ihnen einen Automaten aufstellen könnte.
Trend soll die traditionellen Hofläden nicht ersetzen, sondern neue Kunden anlocken
Diese sollen die traditionellen Hofläden nicht etwa ersetzen, sondern neue Kunden anlocken. Zielgruppe sind all diejenigen, die beim Wochenendeinkauf etwas vergessen haben, vom Ostseetrip zurückgekommen sind und dringend noch etwas zum Wochenstart brauchen. Wieder andere treffen sich regelmäßig abends zum Einkaufen auf dem Hof – „Männer, die zur Nachtschicht nach Norderstedt fahren und sich bei uns mit Apfelschorle und einigen gesunden Snacks eindecken.“
Für sie alle ist der „Holst‘omat“, ein Wortspiel aus Name und Automat, perfekt. Da der Hof auf Obstbau spezialisiert ist, gibt es je nach Saison unter anderem Erdbeeren, Spargel, Kartoffeln, Kirschen und Zwetschgen, dazu kommen Kooperationen mit benachbarten Landwirten, so wie im eigentlichen Hofladen auch. Daher findet man im „Holst‘omat“ sogar ganze Gerichte wie Currywurst im Glas oder ein Set aus Nudeln und Pesto.
Erdbeeren, Spargel, Kartoffeln, Kirschen, Zwetschgen, aber auch Currywurst im Glas
Außerdem wird bedacht, was man kochen kann. Passend zu den Kartoffeln finden sich dann zum Beispiel Eier, Zwiebeln und Gewürzgurken im Automaten – für das perfekte Bauernfrühstück. Da fehlt doch noch die Butter? Stimmt. Aber die findet man dann zum Beispiel wieder in Norderstedt am Automaten von Hof Rehders, einem traditionellen Ackerbaubetrieb. Kathrin Rehders bietet als Bauernhofpädagogin spannende Lern-Projekte für Kinder an. Und eben den Automaten, der sehr gut angenommen wird. Milchprodukte wie Butter und Joghurt stehen in diesem neben Landkartoffel-Chips und Leberwurst im Glas.
Bei fast allen Automaten wechselt regelmäßig das Angebot, je nach Saison und Nachfrage. Das macht eine Automaten-Shopping-Tour aber auch irgendwie besonders. Man weiß nie ganz genau, was man findet. Aber das wäre ja auch im Hofladen oder auf dem Wochenmarkt nicht anders. Außer man nutzt das Angebot vom Hornbrooker Hof in Nehms, dessen Automat seit August 2023 genau dort steht, wo sich seit den 70er-Jahren auch der Verkaufsstand für Spargel und Erdbeeren befindet: gleich hinter Bad Segeberg an der B 432, auf dem Weg nach Klein Rönnau.
Saison und Nachfrage entscheiden über das Sortiment
Dort kann man nämlich auch gleich über einen Link das aktuelle Angebot inklusive Füllstand abfragen. Und während die Verkaufshütte nur zur Erntezeit von April bis August geöffnet hat, ist der Automat immer zugänglich: rund ums Jahr, 24 Stunden am Tag. „Wir haben nach einer einfachen und guten Möglichkeit gesucht, unsere Produkte anzubieten, wenn die Erntezeit im Frühjahr und Sommer vorbei ist“, erklärt Vanessa Schnoor, die auf dem Hornbrooker Hof für Marketing, Vertrieb und die Ernteorganisation zuständig ist.
„Unser Eiersortiment bleibt immer gleich, unsere Hühner legen ja auch das ganze Jahr über Eier. Jetzt im Herbst haben wir frische Kartoffeln drin, genauso passende Marmeladen oder Aufstriche für die kalte Jahreszeit. Da unser Automat erst seit einem Jahr im Betrieb ist, sammeln wir noch fleißig Erfahrungen und probieren immer wieder neue Produkte aus, die passend zur Saison sind und warten dann ab, wie sie bei den Kundinnen und Kunden ankommen.“
„Bei Bezahlung auf Vertrauensbasis war immer zu wenig Geld in der Kasse“
Zahlen kann man – wie bei den meisten anderen Automaten im Kreis Segeberg – bargeldlos. „Für uns ist das von Vorteil, da wir leider die Erfahrung machen mussten, dass das auf Vertrauensbasis basierende Modell nicht immer funktioniert, die Ware nicht immer komplett bezahlt wurde. Am Ende war immer zu wenig Geld in der Kasse. Mit dieser digitalen Lösung ist es für uns sicher und wir haben immer, auch wenn man nicht vor Ort ist, alle Informationen auf einen Blick in der App“, so Schnoor.
Das Automaten-Thema ist längst auch bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein angekommen, die interessierte Direktanbieter dazu berät. Typische Fragen seien die nach Fördermöglichkeiten, gesetzlichen Auflagen und Wirtschaftlichkeitsberechnung sowie Standort- und Konkurrenzanalyse, erklärt Daniela Rixen, Sprecherin der Landwirtschaftskammer. Die beliebtesten Waren kann sie nur schätzen: „Grillfleisch, Würstchen, Käse… Alles, was gekühlt angeboten werden muss und eingeschweißt werden kann, lässt sich auch gut im Automaten verkaufen. Diese Produkte werden dann mit anderen ergänzt, dazu gehören zum Beispiel Fruchtaufstriche, Eier, Eingekochtes. Es gibt nur wenige Automaten mit nicht kühlpflichtigen Produkten, da für sie niedrigere Preise gelten. Für solche Produkte wird eher ein Verkaufsstand mit Vertrauenskasse gewählt. Die Automaten sind relativ teuer, und ihr Einsatz muss sich rechnen.“
Verkaufsautomaten: Standort muss optimal sein, das Angebot zu den Kunden passen
Das Aufstellen werde an vielen Stellen finanziell gefördert, allerdings sei das wirtschaftlich rentable Betreiben der Automaten gar nicht so einfach, denn „das kostet Zeit und bindet die Betriebsinhaberfamilie an den Hof, oder es muss Personal dafür vorgehalten werden. Der Standort muss optimal sein, das Angebot zu den Kundenwünschen passen.“
Mehr aus der Region
- Kösliner Weg Norderstedt: Investor stellt neue Planung für Quartier mit 198 Wohnungen vor
- Immobilien Norderstedt: 200 Wohnungen im Ohepark – Bürger werden jetzt beteiligt
- Schlimmer Frontalcrash bei Henstedt-Ulzburg: Fahrer schwer verletzt
Mit Blick auf ganz Schleswig-Holstein sind Daniela Rixen bereits Eisautomaten, Erdbeerautomaten, aber auch Pizza- oder Angelköder-Automaten untergekommen. Witzige Ideen, die man auch findet, wenn man in die andere Richtung fährt. So füllt der Hof Möller aus Henstedt-Ulzburg seinen Automaten an der Kadener Chaussee und einen weiteren an der Hauptstraße in Winsen bei Kaltenkirchen mit regionalen Produkten wie Eiern, Kartoffeln, Fruchtaufstrichen, Honig, Wurstwaren und Schinkenspeck, aber auch mit selbstgebackenem Kuchen in Holzbackformen. Neuerdings gibt es sogar Suppenhühner zu kaufen. Diese allerdings gefroren in einer Tiefkühltruhe liegend. Und auf Vertrauensbasis...