Norderstedt. Hamburger Hochbahn fehlen Kapazitäten für die Planung. Weitere Gründe, warum die Realisierung des Megaprojekts kaum abzusehen ist.
- Verlängerung der Linie U1 bis Quickborner Straße wäre das bedeutendste Verkehrsprojekt seit Jahrzehnten
- Unter dem Strich liegen keine Details zum Zeitplan, zur Strecke, erst recht nicht zu den Kosten vor
- Stadtverwaltung wird berichten, wenn es neue Lösungen oder belastbare Zeitpläne geben sollte
In der Theorie wäre es wohl das größte und bedeutendste Verkehrsprojekt seit Jahrzehnten in Norderstedt. Doch es gibt derzeit kaum einen Anlass zur Hoffnung, dass die Verlängerung der U-Bahn-Linie 1 von Norderstedt-Mitte bis Quickborner Straße mittel- bis langfristig tatsächlich kommen wird. Denn obwohl die Politik Ende 2021 einen eigentlich historischen Grundsatzbeschluss zur Zukunft der U-Bahn gefasst hat: Ein neuer Bericht der Stadt zeichnet ein ernüchterndes Bild.
Zuvor hatte die CDU darum gebeten, dass drei Jahre später doch einmal der Sachstand erläutert würde. Und das hat Mario Kröska, im Rathaus der zuständige Fachbereichsleiter für Verkehrsflächen, nun getan. Dass die Aussagen der Politik gefallen, dürfte indes bezweifelt werden.
U1-Verlängerung in Norderstedt: So steht es um das Megaprojekt
Es handelt sich um ein Vorhaben der Stadt, nicht der Hamburger Hochbahn, die ja letztlich Betreiber wäre. Das wurde damals so abgesprochen, 2022 bewertete der Aufsichtsrat des großen Verkehrsunternehmens eine Erweiterung des Angebots nach Norden als positiv. Aber: Ungefähr zwölf Monate später gab es bereits einen herben Dämpfer. Denn es wurde klar, dass die Hochbahn überhaupt nicht die Kapazitäten haben würde für die Planung.
Nicht, weil das Know-how fehlt. Nein: Die Prioritäten liegen in Hamburg, nicht außerhalb in der Metropolregion. „An dieser Ausgangsituation hat sich auch bis heute leider nichts geändert, da innerhalb des U-Bahn-Gleisnetzes in Hamburg zu viele Projekte ebenfalls mit oberster Priorität voranzutreiben waren beziehungsweise sind“, so Mario Kröska. Beispiele wären die U5-Linie, die Verlängerung der U4 oder der Bau des U-Bahnhofs Fuhlsbütteler Straße. Da muss Norderstedt eben hintenanstehen.
Fahrgastpotenzial: Studie spricht von plus 37 Prozent gegenüber AKN
„Aktuell haben wir keine Kapazitäten, um die ersten Planungsschritte zu begleiten. Wir stehen aber im Austausch mit der Stadtverwaltung in Norderstedt und beabsichtigen, die Planung ab der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre zu begleiten“, das hatte Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum auf Abendblatt-Anfrage damals gesagt, aber auch hinzugefügt, dass eine U1 bis zur Quickborner Straße durchaus Sinn machen könnte. „Erste verkehrliche Untersuchungen haben gezeigt, dass ein relevantes Fahrgastpotenzial besteht.“
Denn: Norderstedt wird hier, also in Friedrichsgabe und im nördlichen Harksheide, aller Voraussicht nach bis in die 2030er-Jahre wachsen, große Wohngebiete wie die Grüne Heyde oder am Harkshörner Weg sind in Planung, auch im Quartier Fredrikspark leben immer mehr Menschen. Eine Studie von 2019 hatte bereits einmal dargelegt: Gegenüber der heutigen AKN gäbe es ein Potenzial von 37 Prozent plus bei den Fahrgästen.
Norderstedt: Europaweite Ausschreibung für Planungsbüro
Vorerst ist die Stadt aber auf sich gestellt. „Ohne den sofortigen Einstieg/die kontinuierliche Mitarbeit der HH-Hochbahn ist/war eine zügige Weiterführung des Projektes leider ausgeschlossen“, teilt Mario Kröska mit. Die gesamte Planung müsse daher unter Beteiligung externer Fachbüros stattfinden. Die Anforderungen hierfür werden erarbeitet, dann erfolge eine „umfangreiche und kostenintensive“ europaweite Ausschreibung.
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Im Rathaus selbst gebe es zudem nur wenige Fachingenieurinnen oder -ingenieure, dazu niemanden, der sich mit Gleisbau oder Planfeststellungsverfahren für Bahn-Projekte auskennt. Eine Stelle sei zudem seit Anfang 2024 vakant, eine Verkehrsplaner-Stelle sei ein krankheitsbedingter Langzeitausfall. „Deshalb kann diese besondere Thematik hier nicht neben dem laufenden Tagesgeschäft problemlos und zügig vorangehen“, so Kröska.
U1-Verlängerung: Kosten von weit über 100 Millionen Euro
Unter dem Strich liegen also keine Details vor zum Zeitplan, zur Strecke, erst recht nicht zu den Kosten, die vor einigen Jahren einmal auf rund 135 Millionen Euro geschätzt wurden. Die Politik in Norderstedt hatte abgesegnet, dass ein Viertel hiervon aus dem städtischen Haushalt kommen könne. Den Großteil müssten andere übernehmen, wobei das schleswig-holsteinische Verkehrsministerium schon 2023 eher abgewunken hatte – andere Projekte haben in Kiel Vorrang. Neben der Hochbahn bliebe da also der Bund, der durchaus auch kommunale ÖPNV-Projekte finanziert – aber nur mit fertiger Planung.
Doch im Oktober 2024 ist das eben alles hypothetisch. Bis auf Weiteres bleibt die U1-Verlängerung von Garstedt bis Norderstedt-Mitte, die 1996 eröffnet wurde, die letzte, hier ist die Endstation. Wer weiter gen Norden möchte, muss in die AKN umsteigen. Die Stadtverwaltung kündigt an, unaufgefordert zu berichten, wenn es neue Lösungen oder belastbare Zeitpläne geben sollte.