Norderstedt. Lange Nacht der Krimis im Spectrum Kino war ein voller Erfolg. Am Mittwoch gibt Autor Leo Hansen Einblicke in sein „Alstergrab“.
Krimi statt Kino. Lesung statt Leinwand. Mit einer Ausnahme. Norderstedts Krimi-Autorin Anja Gust nutzte den Lese-Ort Spectrum Kino, um einen Werbefilm für die Sicherheitsfirma Fitz zu zeigen. Und konterkarierte dabei die Idee des Veranstalters „Pact – Norderstedt-Mitte“, Fiktion und Realität von Kriminal-Romanen dem Polizeialltag gegenüberstellen.
Anja Gust holte sich zu diesem Thema die Sicherheitsfirma Fitz – und bot ihr minutenlang eine Werbe-Plattform, wie der Mensch sein trautes Heim gegen böse Buben schützen kann. Das Publikum im voll besetzten Kinosaal wurde unruhig, kicherte und knurpste Popcorn.
Kriminacht Norderstedt: Viele Tote und ein Polit-Thriller – nur ein Werbefilm störte
Anja Gust indes las aus ihrem neusten Krimi, in dem sie alle Zutaten von Einbruch, Erpressung, Kindesentführung, Thai-Mädchen, Keller-Verlies, Body Guards verquirlte. Und einen Baron. Geschickt konnte Thomas Will vom Veranstalter auf die Zeit hinweisen, während Moderator Michael Eggert ebenso geschickt den nächsten Plot ankündigte: Krimi-Autorin Heike Meckelmann und Andé Malick.
Das aufeinander eingefuchste Duo zeigte auf der Kinowand lediglich eine Fehmarner Strandidylle als Standbild. Malick ist Kriminalistik-Dozent an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Und gewandter Gesprächspartner der Autorin, die allein in ihrem Lebenslauf einen großen Fundus parat hat. Sie ist auf dem platten Land bei Elmshorn geboren, betrieb einen Friseursalon und eine Hochzeitsagentur, arbeitete als Fotografin, Sängerin und Wirtin mit eigener Pension auf Fehmarn, wo sie seit acht Jahren nur noch eines macht: Krimis schreiben – Lokalkrimis, Küstenkrimis. Das läuft.
Malick über Abschiebungen: „Das fasst einen schon sehr an“
Spannend las sie mit ihrer angenehmen Stimme aus „Küstenkiller“, dem neunten Band ihrer Küstenkrimis, brachte den Plot pointiert vors Publikum. Ihr Schreibstil ist klar, fast sachlich und mit leisem Sarkasmus. André Malick gab einen ernüchternden Einblick in die Polizeiarbeit: „Die findet überwiegend am Schreibtisch statt, ist Bürokratie wie beim Finanzamt.“ Er hatte die Lacher auf seiner Seite.
Malick erzählte aber auch aus seiner eigenen Polizeiarbeit, während der er Abschiebungen vornehmen musste, darunter dreijährige Kinder: „Das tat mir sehr leid, das fasst einen schon sehr an.“ Es gebe Polizisten, die Brutalität im Polizeialltag nicht verarbeiten könnten. Autorin Heike Meckelmann attestierte er: „Du bist ziemlich oft ziemlich nah dran.“
Buchautor Manfred Ertel arbeitete früher als Journalist beim „Spiegel“
Mit Manfred Ertel wurde es real. Und sehr politisch. Und sehr sehr schmutzig. Der langjährige politische Journalist des „Spiegel“ deckte den Skandal der Barschel/Engholm-Affäre von 1987 auf und erzählte, wie er bei einer anfangs vagen Information, beiläufig am Ende eines Telefonats erzählt und eher uninteressant, einen Widerhaken spürte und weiter recherchierte, auch auf die Gefahr hin, für den Papierkorb zu arbeiten.
Es wurde die größte Affäre Schleswig-Holsteins, die Waterkant-Affäre, die bekanntermaßen am 11. Oktober 1987 in einer Badewanne im Genfer Nobel-Hotel „Beau Rivage“ endete – mit Schleswig-Holsteins neun Tage vorher zurückgetretendem Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) als Leiche.
Roman handelt vom Tod Uwe Barschels im Jahr 1987
Manfred Ertel las seinen sachlich geprägten Text aus seinem Roman „Akte B. – Wenn die Möwen tiefer fliegen“ (Verlag Ellert & Richter, 384 Seiten, 18 Euro) nachrichtlich und erzielte gerade dadurch eine große Spannung. Das Publikum hörte dem Autor gebannt zu, ließ sich in den Plot dieses deutsch-deutschen Geschichtsdramas hineinziehen, in einen Polit-Thriller, der jede Krimi-Fiktion übertrifft.
Für sein Buch hat Manfred Ertel nach der Wende in verdreckten Stasi-Archiven gewühlt und die ganze gespenstische Wahrheit erfahren – und damit einen Skandal, den sich kaum eine Autorin, ein Autor ausdenken kann.
Leo Hansen stellte seinen neuen Krimi „Alstergrab“ vor
Nach Anke Küpper und Werner Nölken, Brandrat a. D. der Feuerwehr Hamburg, stellte der Hamburger Autor Leo Hansen seinen neusten Krimi „Alstergrab“ vor (Verlag emons, 366 Seiten, 15 Euro). Der 70-jährige Autor verspricht „eine düstere, komplexe und beängstigend aktuelle Polit-Handlung“. In Hamburg tagt ein Wissenschaftskongress zu revolutionären Technologien.
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Doch auch die Verbrecher sind schon da. Forscher werden gefoltert, ermordet, entführt. Das Ermittlertrio Dr. Elias Hopp, Janne Bakken und LKA-Profiler Zillinski wird von apokalyptischen Zukunftsszenarios überrollt. Die Zeit drängt – denn nicht nur das Leben der Geiseln steht auf dem Spiel. Parallelen mit wahrlich brandaktuellen Geiselnahmen sind „zufällig“, so der Autor. Und: „Ich habe den Krimi vor dem 7. Oktober 2023 geschrieben.“
Am Mittwoch, 25. September, stellt Hansen „Alstergrab“ auf Einladung der Thalia-Buchhandlung Norderstedt in der Haspa im Herold-Center, Berliner Allee 38, vor. (Eintritt 10 Euro, Beginn 18.30 Uhr).