Norderstedt. Kapazitäten in der Stadt reichen laut Sozialamt kaum noch aus. Sporthallen sind kein Tabu. Neue Unterkünfte werden dringend benötigt.
In Norderstedt wachsen die Befürchtungen, dass die Möglichkeiten, Flüchtlinge unterzubringen, bald am Limit sind. Die Verwaltung lieferte nun im Sozialausschuss einen ernüchternden Zustandsbericht. Demnach seien 2024 bis Anfang September 408 Menschen neu in die viertgrößte Stadt Schleswig-Holsteins gekommen, 261 hätten die Unterkünfte verlassen, demnach würden dort aktuell 1733 Personen leben. Zur Jahresmitte hin seien die Zahlen deutlich gestiegen, sagte Sirko Neuenfeldt, Leiter des Sozialamtes.
„Das Saldo beobachten wir mit Sorge.“ Denn: Zum jetzigen Zeitpunkt seien es 147 mehr als zum gleichen Zeitpunkt 2023. Wenn sich diese Tendenz weiter verfestigt, und davon geht die Stadt aktuell aus, kann es sehr eng werden: „Spätestens zum Jahresende sind die Plätze durch Mehrbedarf in der Unterbringung aufgefressen.“
Immer mehr Flüchtlinge: Große Sorge vor Winter-Notlage in Norderstedt
Nun ist es nicht so, als hätte Norderstedt nicht bereits eine Vielzahl an Gemeinschaftsunterkünften. Dazu zählen die sogenannten „Mobilgebäude“, in markantem Grün oder Dunkelrot: unter anderem Lawaetzstraße, Aurikelstieg, Oadby-and-Wigston-Straße, Friedrichsgaber Weg, Buchenweg, Harkshörner Weg – mittlerweile sind es 13 Standorte, ein 14. ist im Henstedter Weg (gegenüber des SOS-Kinderdorfs) in Planung. Hinzu kommen angemietete Wohnungen und Hotels, etwa am Glashütter Markt, aber auch die eigentlich längst marode Schule Fadens Tannen.
Doch weil es bekanntlich sehr schwierig geworden ist, die Bewohnerinnen und Bewohner von dort in Wohnungen zu vermitteln, bleiben viele hier deutlich länger, als es gewünscht ist.
Nur noch 80 freie Plätze: „Für Familien ist es jetzt schon sehr eng“
Derzeit gibt es laut Neuenfeldt 80 freie Plätze. „Für Familien ist es schon jetzt sehr eng.“ Er wird darauf angesprochen, was wäre, wenn im Winter vermehrt Flüchtlinge aus der Ukraine kommen, wo die Energieversorgung durch Russland bereits jetzt erheblich zerstört worden ist. Schon heute stammt ein Drittel der Schutzsuchenden aus dem osteuropäischen Land.
Die gegenwärtigen Kapazitäten würden dann nicht ausreichen, so die Antwort. Da müsse man „kreativ werden, gucken, ob wir noch ein Hotel anmieten“. Dabei ist das wirtschaftlich sehr ineffizient. Nicht zuletzt, weil in den Hotelzimmern nicht gekocht werden kann, sodass das Essen von einem Caterer kommt. Viele in der Politik würden diese Praxis gerne beenden, doch das würde den Spielraum nur noch weiter einschränken.
Umstrittene Bornbarch-Immobilie: Diskussion hinter verschlossenen Türen
Umso bedeutender wäre es aus Sicht des Rathauses also, die viel diskutierte Büroimmobilie am Bornbarch im Gewerbegebiet Nettelkrögen anzumieten. Wie berichtet, laufen hierzu Verhandlungen mit dem Eigentümer aus Süddeutschland. Bis zu 300 Menschen könnten hier wohnen. Nur: Seitdem vor wenigen Tagen öffentlich wurde, dass die Norderstedter Werkstätten genau dieses Objekt gerne kaufen würden, und im Zusammenhang damit der Getränkehersteller Magnus in der Stormarnstraße durch einen Kauf des Werkstätten-Geländes expandieren könnte, ist offen, was aus diesem Vorhaben wird.
Im Sozialausschuss wurde deutlich gemacht, dass eine Anmietung des Gebäudes mit 8000 Quadratmetern Fläche so etwas wie Entspannung bringen könnte. Ab wann dieses allerdings nutzbar wäre, ist unklar. Und: Die Politik müsste ihre Zustimmung geben. Vorerst beriet man das heikle Thema nichtöffentlich, also hinter verschlossenen Türen, eine Entscheidung wurde vertagt.
Tobias Schloo (SPD), Vorsitzender des Gremiums, äußerte sich auf Abendblatt-Nachfrage zurückhaltend: „Es wurde darüber in erster Lesung gesprochen und nichts beschlossen. Dass wir generell mehr Kapazitäten brauchen, ist dem Ausschuss seit langer Zeit bekannt – selbst wenn wir unsere nicht so guten Unterkunftsformen wie die Hotels oder Fadens Tannen behalten.“
Sporthallen als Unterkünfte: „Das kann nur das allerletzte Mittel sein“
Die vorgelegten Zahlen nannte er „beunruhigend“. In der Sitzung wandte er sich an die neue Sozialdezernentin Kathrin Rösel. „Stehen wir davor, wieder Sporthallen vorbereiten zu müssen?“ Zur Erinnerung: Das gab es in Norderstedt schon einmal, am Schulzentrum Süd waren die Hallen 2022 bereit, die Feldbetten aufgebaut, sie wurden aber letztlich nicht gebraucht. Genauso war es dort dann ein zweites Mal mit der Mensa.
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„Das kann nur das allerletzte Mittel sein. Wir hoffen, nicht in diese Situation zu kommen, Menschen so unterbringen zu müssen“, so Rösel. Schloo erhofft sich hier bald Klarheit. „Wir sollten schon wissen, ob wir davor stehen, Sporthallen zu schließen.“
Wohnungsbau an der Lawaetzstraße: Politik lehnt Vorschläge der Stadt ab
Auch darüber hinaus tut sich Norderstedt schwer, Wohnprojekte zu realisieren. Denn auf der Tagesordnung stand auch, einen Standort für „serielles Bauen“ zu finden. Das kannte man früher als „Norderstedter Modell“: Ein Mehrfamilienhaus mit ausschließlich geförderten Wohnungen, zur Hälfte für Flüchtlinge, etwa Familien, zur Hälfte für andere Menschen in der Stadt, die eine entsprechende Berechtigung haben.
An der Ulzburger Straße, nahe der Feuerwache Friedrichsgabe, sowie am Lavendelweg wurden derartige Vorhaben umgesetzt. Eigentlich hatte sich die Politik darauf verständigt, diese Strategie grundsätzlich fortzuführen. Doch die von der Stadt vorgelegten Vorschläge sorgten für Verwunderung: zwei Flächen an der Lawaetzstraße, eine am Hermann-Klingenberg-Ring. Diese wären, so heißt es, die einzigen mit Baurecht. Aber: Sie befinden sich in direkter Umgebung zu den bestehenden Flüchtlingsunterkünften. Und nach kurzer Debatte fielen alle durch, keine Fraktion stimmte zu. Wie es hier jetzt weitergeht, ist offen.