Norderstedt. 140 Meter Straße in Norderstedt: Vier Eigentümer zahlen Großteil des Ausbaus. Ein Betroffener erklärt, warum ihn die Maßnahme so stört.
- Achternkamp in Norderstedt: 140 Meter Straße werden für 185.000 Euro ausgebaut
- Hier gibt es nur fünf Häuser und kaum Verkehr
- 90 Prozent der Kosten müssen Grundstückseigentümer übernehmen
Eine der ungewöhnlichsten Baumaßnahmen der vergangenen Jahre in Norderstedt hat begonnen. Im Achternkamp, einer nur 140 Meter kurzen Straße zwischen Friedrichsgaber Weg und Buckhörner Moor, sind die Bagger angerollt. Wie mehrfach berichtet, wird die bisherige Schotterpiste zu einem modernen Shared Space umgestaltet. Und da es sich rechtlich um einen erstmaligen Ausbau handelt, müssen die anliegenden Eigentümer 90 Prozent der Gesamtkosten übernehmen.
Nach letzter Kalkulation sind das ungefähr 141.000 von 185.000 Euro. Das bedeutet: Alle Betroffenen zahlen fünfstellige Beträge. Und das, obwohl die Politik in Norderstedt schon 2018 die Straßenausbaubeiträge abgeschafft hat. Diese haben hiermit allerdings nichts zu tun, vielmehr schreibt das Baugesetzbuch der Verwaltung zwingend vor, die Investition umzulegen.
Shared Space statt Schotterpiste in Norderstedt: Anwohner-Frust über Baustelle im Achternkamp
Einer derjenigen Bürger, die finanziell belastet werden, ist Reinhard Zuch. Ihm gehört das Eckgrundstück zum Buckhörner Moor, dieses umfasst rund 900 Quadratmeter. Anfang der 1960er-Jahre bauten seine Eltern hier, damals war ringsherum noch nichts zu sehen von den heutigen Wohngebieten, „Norderstedt-Mitte“ gab es nicht, die Stadt selbst wurde bekanntlich erst 1970 gegründet.
Zuch weiß, dass es juristisch keine Handhabe gibt. Aber die Sinnfrage stellt er trotzdem, warum die Baustelle im Achternkamp überhaupt Priorität haben muss. Mehrfach habe er sich schriftlich an die Verwaltung gewendet, oder er meldete sich im Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr zu Wort.
„In der Straße herrscht nur sehr geringer Verkehr“
Seine Kritik: Norderstedt argumentiere mit einem „Gleichheitsgrundsatz“, also, dass Eigentümer von Grundstücken in Wohnstraßen nicht unterschiedlich behandelt werden dürften. Dieser, so Zuch, werde „höher bewertet als das Argument, dass die Straße so gering belastet ist, dass ein Ausbau eigentlich unangemessen wäre. Das ist schon sehr bemerkenswert.“
Denn Autos fahren hier so gut wie keine. „Die sonstigen Ausbaugründe, die die Stadt immer wieder gebetsmühlenartig angeführt hat – Verkehrssicherheit und Leistungsfähigkeit – können doch nicht für eine Straße gelten, in der nur sehr geringer Verkehr herrscht“, sagt der Anwohner.
Anwohner: „Eine besondere ebene und damit teure Fahrbahn ist nicht notwendig“
So habe es in den 60 Jahren, in denen die Familie hier ansässig sei, keinen Unfall gegeben. Ein Fußweg sei bereits vorhanden, der Achternkamp habe „nicht viel zu leisten“, da er nur einseitig bebaut sei und es nur vier Eigentümer mit fünf Wohneinheiten gebe. „Daher wird in der Regel langsam gefahren, eine besonders ebene und damit teure Fahrbahn ist daher nicht notwendig“, sagt Zuch.
Zur Verdeutlichung: Der erstmalige Ausbau von Straßen ist in Norderstedt mehr oder weniger Alltag, es gibt noch Dutzende, oftmals verkehrlich wenig genutzte Abschnitte, die auf ähnliche Art und Weise erneuert werden sollen in den nächsten Jahren. Doch hier im Achternkamp sehen die Menschen die Dringlichkeit nicht.
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Vorschläge, beispielsweise eine Privatstraße zu schaffen, also, dass die Grundstückseigentümer die 140 Meter erwerben, fanden keinen Anklang im Rathaus. Auch die Politik brachte das Vorhaben letztlich auf den Weg.
Achternkamp in Norderstedt: Bis Ende Oktober soll der Ausbau abgeschlossen sein
„Es wird also hauptsächlich investiert wegen des Gleichheitsgrundsatzes und nicht, weil es unbedingt erforderlich wäre, und das bei der bekannten angespannten Lage der öffentlichen Haushalte“, konstatiert Reinhard Zuch. „Irgendwie typisch für unser Land, alles muss perfekt sein, und sei es nur die Optik einer Straße. Deutsche Gründlichkeit, koste es was es wolle.“
Bis auf Weiteres ist der Achternkamp voll gesperrt. Bis Ende Oktober, so die Stadt, sollen die Bauarbeiten dauern. Dann haben die Anwohner vor der Haustür etwas, auf das sie wohl auch hätten verzichten können. Und irgendwann werden die Rechnungen in den Briefkästen liegen, je nach Grundstücksgröße geht es dann um mindestens 20.000 Euro.