Norderstedt/Kaltenkirchen. Restaurants, Kneipen, Märkte: An immer mehr Orten kann oder muss mit Karte bezahlt werden. Manche Händler widersetzen sich bewusst.

Einmal kurz die Karte oder das Handy gegen das Lesegerät halten, es piept, fertig: An sehr vielen Orten im öffentlichen Leben ist das bargeldlose Bezahlen selbstverständlich. Manchmal ist es sogar die einzige Möglichkeit, denn immer mehr Betriebe schaffen das Bargeld ganz ab. Doch was vielen jüngeren Leuten das Leben erleichtert, sorgt bei manchen Älteren für Stress. Nicht wenige seien von so viel Digitalisierung überfordert, hieß es kürzlich in einer Petition der Senioren-Union im Kreis Segeberg.

Wie ist die Lage in Norderstedt und Umgebung? Wir haben uns bei Gastronomen, Transportunternehmen, Marktbeschickern und anderen umgehört. Eine Erkenntnis: Das Bargeld hat durchaus noch – bisweilen sehr überzeugte – Freunde.

Busse: In Schleswig-Holstein kann bar gezahlt werden, in Hamburg nicht

Im Busverkehr in Schleswig-Holstein können Barzahler weiterhin ihre Tickets beim Fahrer kaufen. Anders als in Hamburg: Dort müssen die Kunden ihren Fahrschein per App oder am Automaten lösen oder sie sind im Besitz einer Prepaid-Karte. Die Möglichkeit, beim Fahrer zu zahlen, hat der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) für das Stadtgebiet vor wenigen Monaten abgeschafft.

Ob das Ticket gegen Bargeld irgendwann auch in Schleswig-Holstein abgeschafft wird, ist noch offen. „Grundsätzlich ist das ein Thema“, sagt ein HVV-Sprecher. Zuvor müsse man sich jedoch mit den Kreisen absprechen.

Marktbeschicker Rüdiger Nawrot akzeptiert nur Bargeld

Rüdiger Nawrot ist von dieser Entwicklung nicht begeistert. „Meine Schwiegermutter, die ist 79 Jahre alt, wollte neulich zwei Stationen mit dem Bus fahren“, erzählt er, „aber der Busfahrer hat ihr Bargeld nicht angenommen.“ An der Bushaltestelle habe es keinen Ticketautomaten gegeben und mit einer Handy-App könne seine Schwiegermutter nicht umgehen. Sie sei deswegen ohne Ticket gefahren, um sich fortbewegen zu können. Im Zweifel hätte sie den Kontrolleuren ihren 5-Euro-Schein gegeben. „Das ist eine Unverschämtheit“, findet er.

Nawrot steht regelmäßig freitags auf dem Wochenmarkt am Herold-Center in Norderstedt und verkauft Gurken jeglicher Art. Bei ihm können Kundinnen und Kunden nur mit Bargeld bezahlen. Würde er eine Kartenzahlung ermöglichen wollen, müsste er für den Dienst Gebühren zahlen. „Das sind im Jahr bestimmt ein bis drei Prozent vom Umsatz, die verloren gehen. Das tut schon weh“, sagt er. Außerdem bedeutet Bargeld für ihn Freiheit. „Wenn ich nur mit Karte zahle, bin ich gläsern. Jeder weiß, wo ich auf Toilette gehe“, sagt er und lacht.

Nawrot beruft sich auf das Grundgesetz

Das Thema umtreibt ihn so sehr, dass er sogar eine Kurzinformation des Deutschen Bundestages ausgedruckt hat und in seinem Wagen auf dem Markt aufbewahrt. Dieses Papier besagt: Das Recht, Bargeld verwenden zu können, ist in Deutschland unter anderem durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 im Grundgesetz) sowie die allgemeine Handlungsfreiheit (Artikel 2 Absatz 1) verfassungsrechtlich gewährleistet.

Bei Rüdiger Nawrot auf dem Wochenmarkt am Herold-Center können Kundinnen und Kunden nur mit Bargeld bezahlen. Das Recht, bar bezahlen zu können, ist sogar im Grundgesetz verankert. Eine entsprechende Info vom Deutschen Bundestag hat der Marktverkäufer ausgedruckt.
Bei Rüdiger Nawrot auf dem Wochenmarkt am Herold-Center können Kundinnen und Kunden nur mit Bargeld bezahlen. Das Recht, bar bezahlen zu können, ist sogar im Grundgesetz verankert. Eine entsprechende Info vom Deutschen Bundestag hat der Marktverkäufer ausgedruckt. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

„Mir ist vielleicht zweimal ein Geschäft durch die Lappen gegangen, weil Kunden nicht bar zahlen konnten“, sagt der Verkäufer. Er finde es gut, wenn beide Varianten angeboten werden. „Aber Bargeld sollte immer Grundvoraussetzung sein.“ Nur so verliere man nicht das Verhältnis zu Geld, wie viele junge Leute es heutzutage tun würden, sagt er. „Ich weiß noch, wie viel 5 Euro wirklich wert sind.“

Blumen und Eier können auch mit der EC-Karte gekauft werden

Der Blumenstand auf dem Wochenmarkt bietet Kartenzahlung an – auch wenn nur schätzungsweise zwei Prozent der Menschen dieses Angebot nutzen würden, sagt die Betreiberin, die nicht mit Namen genannt werden möchte. „Das ist jetzt so Trend“, sagt sie. Die Verkäuferin erinnert sich an zwei junge Mädchen, die sie fragten, ob sie auch mit ihrer Uhr bei ihr bezahlen könnten. „Ich dachte, die wollten ihre Uhr als Pfand abgeben“, erzählt sie und lacht. Dass man mit einer Smartwatch zahlen kann, war ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.

Eier vom Hof Spahr können Wochenmarktbesucherinnen und -besucher seit einem guten Jahr mit EC-Karte kaufen. Allerdings erst ab einem Betrag von 10 Euro. „Wenn jeder kleine Betrag mit Karte bezahlt werden würde, wäre die Warteschlange viel zu lang“, sagt Inhaber André. Die Verbindung des Gerätes sei hier draußen zu schlecht, der Vorgang würde zu lange dauern.

André vom Hof Spahr bietet auf dem Wochenmarkt ab einem Einkauf von 10 Euro auch Kartenzahlung an.
André vom Hof Spahr bietet auf dem Wochenmarkt ab einem Einkauf von 10 Euro auch Kartenzahlung an. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Kunde Bernhard Fokken zieht einen Schein aus seinem Portemonnaie, um seinen Einkauf am Stand zu bezahlen. Lieber würde er überall nur noch bargeldlos einkaufen. „Das ist viel einfacher. Am liebsten zahle ich mit meiner Uhr“, sagt der Rentner. In Dänemark sei das schon längst üblich.

In den Läden im Herold-Center geht in der Regel beides

Im Herold-Center selbst kann so gut wie in jedem Geschäft sowohl digital als auch analog geshoppt werden. „Darüber entscheidet jeder Mieter selbst“, sagt Centermanager Carsten Gogol. Nur etwa eine Handvoll nimmt ausschließlich Bargeld an, wie etwa der Obsthändler im Erdgeschoss. „Von Hundert Kunden fragen vielleicht zwei oder drei, ob sie mit Karte zahlen können“, berichtet ein Mitarbeiter.

Der Obstladen im Herold-Center nimmt nur Münzen und Scheine an. Mit EC-Karte können Kunden bei Mitarbeiter Hossien nicht einkaufen.
Der Obstladen im Herold-Center nimmt nur Münzen und Scheine an. Mit EC-Karte können Kunden bei Mitarbeiter Hossien nicht einkaufen. © Annabell Behrmann | Annabell Behrmann

Anders sieht es in den restlichen Läden aus. Im vergangenen Jahr hätten vielleicht 50 Prozent der Kundinnen und Kunden mit Karte bezahlt. „Nun nimmt der Anteil zu. Das kontaktlose Zahlen wurde auch durch Corona forciert“, sagt Gogol. Herold-Center-Gutscheine können nur noch mit EC-Karte am Automaten gekauft werden. „Das wird von jeder Altersgruppe gut angenommen. Die Bedienung ist sehr einfach“, sagt der Centermanager.

Parkautomaten funktionieren immer noch mit Bargeld

Die Parkautomaten hingegen schlucken auch noch Münzen –zumindest einer auf jeder Parkebene. Die restlichen funktionieren nur mit EC-Karte oder Handy. „Wir haben uns bewusst dazu entschieden, dass man bei uns immer noch mit Bargeld zahlen kann, weil unsere Kunden das so wollen. Das merken wir gerade beim Parken“, sagt Gogol. Dabei wäre es für das Centermanagement wesentlich günstiger, nur Kartenzahlung anzubieten. Das Bargeld aus den Automaten muss nämlich von Dienstleistern abgeholt, entsorgt und ordnungsgemäß eingezahlt werden. „Das kostet natürlich eine Bearbeitungsgebühr.“

HolstenTherme Kaltenkirchen: Barzahlung nur bis 12 Euro

Der Zahlungsverkehr in der HolstenTherme, dem beliebten Erlebnisbad in Kaltenkirchen, verläuft seit dem 1. Februar fast komplett bargeldlos. Barzahlung ist nur noch bei ausstehenden Beträgen bis 12 Euro möglich – diese Ausnahme gilt für all diejenigen, die nicht über ein PayPal-Konto oder über eine EC- beziehungsweise Kreditkarte verfügen.

„Der Vorteil für die Besucherinnen und Besucher ist, dass der Checkout-Vorgang wesentlich schneller abgewickelt werden kann und sich so keine nervigen Warteschlangen bilden“, sagt Prokurist Christian Teich.

Prokurist: Weniger Bargeld bedeutet mehr Sicherheit für alle

In der HolstenTherme können deshalb beim Verlassen des Bades nicht nur die Rezeption, sondern auch vier EC-Automaten angesteuert werden. Der Bezahlvorgang erfolgt dort per Karte oder mit dem „schlauen Schlüssel“, sofern auf diesem ein Guthaben gespeichert ist. Reicht dieses aus, muss der digitale Chip nur noch auf einen Sensor gelegt werden, und schon lässt sich das Drehkreuz am Ausgang passieren.

Christian Teich nennt aber noch drei weitere Vorteile des modernen Konzepts: „Die Kunden müssen keine größeren Summen mehr mit sich herumtragen und in den Wertschließfächern deponieren.“ Wenig Bargeld in der Kasse sei zudem gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Sicherheit für die Mitarbeiter der HolstenTherme. „Überfälle lohnen sich bei so geringen Beträgen nicht“, so Teich.

Hinzu komme der betriebswirtschaftliche Aspekt. Denn die Zusammenarbeit mit Geldtransportfirmen, die regelmäßig die Tageseinahmen abgeholt haben, sei für die HolstenTherme ein hoher Kostenfaktor gewesen.

Wie Kneipen und Restaurants in Norderstedt die Sache handhaben

In Restaurants in Norderstedt und der Region ist in der Regel beides möglich – Barzahlung oder mit Karte beziehungsweise Handy. Aber es gibt Ausnahmen, eine ist die Kneipe „Treffpunkt bei Alex“ am Glashütter Markt. „Bei mir ist nur Bares Wahres!“, sagt der Inhaber Alexandros Charalampidis. Das handhabt er aus Überzeugung so: „PayPal, EC-Karten und so weiter unterstütze ich nicht.“ Elektronische Zahlungen hätten immer auch etwas mit „Kontrolle“ zu tun, Bargeld hingegen bedeute „Freiheit“, und um die gehe es ihm.

Bei ihnen muss das Bier mit der Karte, dem Handy oder der Smartwatch bezahlt werden: Svenja Hardt und Christian Buggenthin vom House of Superfreunde.
Bei ihnen muss das Bier mit der Karte, dem Handy oder der Smartwatch bezahlt werden: Svenja Hardt und Christian Buggenthin vom House of Superfreunde. © Superfreunde | Superfreunde

Wer hingegen im „House of Superfreunde“ in Garstedt sein Bier trinken oder etwas essen möchte, sollte unbedingt an die Karte oder ein anderes digitales Zahlungsmittel denken – Scheine und Münzen kann er hingegen zu Hause lassen. Denn in dem Craft-Beer-Lokal ist nur bargeldloses Zahlen möglich.

Restaurantmanagerin Svenja Hardt erklärt, warum: „Das macht uns das Leben einfach grundsätzlich leichter. Wir müssen bei der Bank kein Bargeld einzahlen, was ja immer auch mit Kosten verbunden ist. Es muss niemand während der Schichten auf die Kassen achten. Das Risiko, sich zu verzählen, ist viel kleiner. Und außerdem geht die bargeldlose Zahlung viel schneller, das ist auch im Interesse der Kunden.“

Grundsätzlich werde die bargeldlose Zahlung gut von den Kunden aufgenommen. Beschwerden gebe es nur vereinzelt, in der Regel von älteren Kunden. „Manche kommen dann nicht wieder, andere stellen sich darauf ein und sagen beim nächsten Mal ‚Jetzt habe ich meine Karte mitgebracht.‘“

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Kunden, die sich längst auf das bargeldlose Zahlen eingestellt haben, gebe es aber in allen Altersstufen. Svenja Hardt: „Bei uns gehen Jung und Alt ein und aus und zahlen zum Beispiel mit ihrer Apple Watch oder mit ihrem Handy.“ Ihr Kollege Stefan Schröer ergänzt: „Wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen, weder jung noch alt. Für uns ist Bargeld aber leider nicht mehr am Zahn der Zeit.“