Hamburg. Was für eine Show: Eintracht Norderstedt gewinnt beim Niendorfer TSV. Dabei gelingt einem Spieler etwas Außergewöhnliches.
Der verletzte Marcell Sobotta konnte sich kurz vor dem Siegerkreis von Fußball-Regionalligist Eintracht Norderstedt nach dem 4:1 (1:0) im Lotto-Pokal beim Oberligisten Niendorfer TSV vor 209 Zuschauern am Sachsenweg kaum einkriegen vor Freude. „Ersin, jetzt sag‘ doch mal: Wie viel hast Du dem Torwart gegeben?“, scherzte Sobotta. Ein Garstedter Fan sah Zehirs Freistoßkünste pragmatischer. „Ersin, nimm‘ den Ball mit“, lautete sein Ratschlag. Trainer Jean-Pierre Richter rundete die ausgelassene Stimmung mit einem weiteren Bonmot ab: „Ich habe als Spieler selbst drei Freistöße in einem Spiel reingehauen – aber nicht auf dem Niveau. Und wenn Ersin die Dinger schießt, sind die alle unhaltbar.“
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Sieg der Eintracht war verdient. Gegen offensiv zu harmlose Niendorfer hatten die Garstedter das Geschehen auf dem Feld über weite Strecken im Griff. Dass es aber zu einem Erfolg in dieser Höhe kam, lag neben Zehir an Niendorfs Keeper mit dem schönen Namen Asongafac Enoch Ulrich Anou.
Irrer Dreierpack vom ehemaligen St. Pauli-Profi: Norderstedt-Kapitän Zehir zaubert im Pokal
Sein erster Lapsus unterlief Anou in der 25. Spielminute. Zehir zirkelte den Ball aus 30 Metern von rechts überraschend auf die kurze Ecke. Mit etwas Effet und ohne das ganz große Tempo. Anou tauchte viel zu spät ab und faustete den Ball nicht wie erwartet weg, sondern ließ ihn unter seinem Körper hindurch als Folge seines untauglichen Fangversuches ins Netz flutschen.
Noch seltsamer wurden die Geschehnisse in der 54. Minute. Zentrale Position, 25 Meter, Zehir schritt zur Tat und der Ball flog Richtung rechte Ecke. Anou wollte die Kugel am Tor vorbei gucken und sah verdutzt zu, wie sie per Aufsetzer und Innenpfosten direkt neben ihm zum 0:2 einschlug.
Sichere Eintracht-Defensive lässt wenig zu
Niendorf antwortete zwar mit der einzig guten Offensivaktion von Außenbahnspieler Ibrahim Ali, der die linke Seite per Solo bis zur Grundlinie entlang spurtete und dessen Flanke der eingewechselte Björn Dohrn zum 1:2 ins Netz köpfte (65.). Doch echte Spannung kam danach nicht auf. Niendorfs Angriffsversuche zerschellten an der sicheren Defensive der Eintracht, in der wie schon im Regionalligaspiel am Sonntag gegen den FC St. Pauli II (1:1) Dane Kummerfeld als linker Innenverteidiger agierte und Fabian Grau zunächst auf der Bank saß.
Grau leistete dafür nach seiner Einwechslung im Anschluss an eine kurze Ecke und eine Flanke von Linksverteidiger Florian Meier mit seinem ebenfalls nicht unhaltbar wirkenden Kopfball zum 3:1 einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Eintracht (84.).
Dreifach-Freistoßtorschütze Ersin Zehir: „Den zweiten und dritten kann er wohl halten“
Den Schlusspunkt setzte selbstverständlich Ersin Zehir. Freistoß aus 22 Metern über die Mauer, drin, 4:1 (87.). „Das ist mein erster Freistoß-Hattrick und das erste Mal im Herrenfußball, dass ich drei Treffer in einem Spiel gemacht habe“, sagte Zehir. „Ich finde, den ersten Freistoß habe ich clever geschossen. Den zweiten und dritten kann er wohl halten, vor allem den zweiten. Aber der Niendorfer Torwart ist jung und hat auch ein paar gute Paraden gezeigt. Er wird seinen Weg schon machen.“
Mit dem Auftritt des Teams insgesamt waren der neue Freistoßkönig der Eintracht und sein Coach gleichermaßen zufrieden. „Wir hatten nach der Partie am Sonntag gegen St. Pauli II nur einen Tag Pause zur Regeneration. Uns war klar, das ist jetzt ein schwieriges Los. Uns war aber auch klar, wenn wir unsere PS auf den Platz kriegen, sind wir schwer zu schlagen. Das haben wir gemacht“, sagte Zehir.
- Derby-Zoff gegen FC St. Pauli II: Dreimal Rot und viel Ärger gegen Eintracht Norderstedt
- Barry Callebaut in Norderstedt: Trauriges Ende der Schokofabrik
- Stadtpark Norderstedt: Strandz und Spotz im Check – Essen, trinken, Angebote, Preise
Eintracht Norderstedt: Pokalfluch der letzten Jahre ist gebrochen
Trainer Richter, der nach dem Abpfiff den mitgereisten Fans freudig eine La-Ola-Welle spendierte, schloss sich an. „Das Spiel am Sonntag hat einige Körner gekostet. Aber wir sind diese Partie hier sehr seriös angegangen. Die Bereitschaft, die wir an den Tag gelegt haben, hat zudem gezeigt, wo wir dieses Jahr im Pokal hinwollen.“
Ins Finale im Stadion Hoheluft nämlich. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Doch der Pokalfluch der Eintracht ist erst einmal gebrochen. Durch den Sieg in Niendorf und den Einzug in die vierte Runde ist die Eintracht zum ersten Mal seit drei Jahren eine Runde weiter gekommen als in der Vorsaison – und als einziger verbliebener Regionalligist im Feld weiterhin der Favorit auf den Pokalsieg. Zunächst geht es aber im Liga-Alltag weiter. Am Sonntag (14 Uhr) gastiert die Eintracht bei Holstein Kiel II, will dann auch im fünften Punktspiel ungeschlagen bleiben.
Trainer der zweiten Mannschaft tritt trotz Tabellenführung zurück
Unterdessen ist Jannik Paulat als Trainer der zweiten Mannschaft zurückgetreten, trotz Tabellenführung in der Landesliga – aus „privaten Gründen“, wie es heißt. In einer Mitteilung des Vereins sagte der 31-Jährige: „Beruflich hat sich die Möglichkeit ergeben, den nächsten Schritt zu machen, was ich gerne wahrnehmen möchte. Ich habe geheiratet, über kurz oder lang wollen wir natürlich auch Nachwuchs haben… der Aufwand mit vier Mal die Woche Training neben der Arbeit ist in letzter Zeit einfach zu groß geworden, so dass ich immer häufiger schon gestresst beim Training angekommen bin. Irgendwann wird es einfach zu viel, dafür dass Fußball am Ende dann eben doch nur ein Hobby ist.“ Vorerst übernehmen der bisherige „Co“ Dennis Weinhauer und Teammanager Milenko Mutapdzija.