Bad Bramstedt. Die Amtsinhaberin hat überraschend bekannt gegeben, dass sie bei der Wahl im September nicht wieder kandidiert. Ihre Beweggründe.
Diese Nachricht hat am Dienstagmittag viele Menschen in Bad Bramstedt überrascht: Bürgermeisterin Verena Jeske verzichtet auf die erneute Kandidatur für eine zweite Amtszeit. Das hat die SPD in einer Pressemitteilung unerwartet bekannt gegeben. „Die Entscheidung unserer Bürgermeisterin Verena Jeske, für die anstehende Wahl am 15. September ihren Hut nicht in den Ring zu werfen, löst bei uns großes Bedauern aus und stößt zugleich auf viel menschliches Verständnis“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzende Karin Steffen.
Das Verhältnis von Amtsinhaberin Jeske und der Kommunalpolitik wurde in den vergangenen Jahren irreparabel beschädigt. Gegen die 45-Jährige, die 2018 als parteilose Kandidatin mit Unterstützung der SPD zur Bürgermeisterin gewählt wurde, hat sich eine breite Front aus Stadtverordneten der CDU, den Grünen und der FDP gebildet. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Streitereien, schweren Vorwürfen und Klagen. Mehrmals schaltete die Politik die Kommunalaufsicht ein, weil sie Jeske unrechtmäßiges Handeln vorwarf – jedes Mal wurde die Bürgermeisterin entlastet. Eine Zusammenarbeit zwischen ihr und den Stadtverordneten war kaum noch möglich.
Bad Bramstedt: Bürgermeisterin Verena Jeske verzichtet auf Kandidatur
Trotz allem zeigte sich Jeske im Mai im Abendblatt-Gespräch kämpferisch. Zwar sei das Verhältnis zur Politik „schwierig“, sagte sie. Die Verwaltungschefin betonte aber zugleich: „Ich bin hier noch nicht fertig! Ich habe vor, bei der Bürgermeisterwahl wieder anzutreten.“ Nur einige Wochen später hat sich die Amtschefin nun doch dagegen entschieden.
Ihre Beweggründe schildert sie in einem ausführlichen Statement. „Diese Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen, und ich bin mir der Überraschung und der möglichen Enttäuschung vieler Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bad Bramstedt bewusst“, sagt die noch amtierende Verwaltungschefin, die für Dienstag kurzfristig eine Personalversammlung einberufen hat, um ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus zu informieren.
Es sei von Anfang an ihre Absicht gewesen, als Bürgermeisterin Veränderungen zu initiieren und alte, eingefahrene Strukturen aufzubrechen. „Ich sehe mich als jemand, der Raum für Neues schafft und neue Perspektiven ermöglicht“, sagt Jeske. Doch Veränderungen seien meist unbequem und würden Unsicherheiten auslösen. Die negativen Gefühle, die mit einem Veränderungsprozess einhergingen, würden oft mit der Person verbunden, die diese Veränderungen initiiere, so Jeske weiter. „In der Wirtschaft verlässt diese Person das Unternehmen nach der erfolgreichen Implementierung. Auch ich habe erkannt, dass meine Stärke darin liegt, Veränderungen voranzutreiben und auszuhalten, und dabei nicht immer gemocht zu werden.“
SPD: „Kann kein Mensch auf Dauer ertragen“
Doch die „Widerstände, Blockaden und Anfeindungen“ in den städtischen Gremien, wie Jeske es nennt, waren am Ende nun doch offenbar zu viel. „Gerade in den letzten Wochen sind mehrere politische Entscheidungen gefallen, die mich zur Umsetzung von Beschlüssen zwingen wollen, die ich weder von der Stadtentwicklung noch finanziell mitverantworten kann und möchte“, sagt sie. Vielleicht sei es besser, wenn die angestoßenen Veränderungen von jemand anderem fortgesetzt werden, meint Jeske.
Aus dem Schreiben der SPD geht außerdem hervor, dass Jeske sich und ihre Familie dem Dauerstreit mit der Kommunalpolitik nicht weiter aussetzen will. „Die permanenten und häufigen Attacken, die tief ins Persönliche und Private gehen, kann kein Mensch auf Dauer für sich und seine Familie ertragen. Insbesondere die Kinder sollten in einer Umgebung aufwachsen, in der sie nicht mittelbar mitgemobbt werden“, sagt Fraktionsvorsitzende Karin Steffen und fügt hinzu: „Wo Politik einer Mutter verwehren will, am Geburtstag ihrer Kinder präsent zu sein, stimmt etwas grundsätzlich nicht. Daher haben wir vollstes Verständnis, wenn unserer Bürgermeisterin das Wohl ihrer Familie und ihre eigene Gesundheit wichtiger sind, als das Amt weitere sechs Jahre zu führen.“
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Vor den Bad Bramstedter Bürgerinnen und Bürger liege nun eine schwierige Entscheidung bei der anstehenden Wahl Mitte September, meint die SPD. Keiner der beiden verbleibenden Kandidaten dränge sich von Werdegang und Qualifikation für die Besetzung des Bürgermeisteramtes auf, so die Sozialdemokraten.
Stand jetzt können sich die Bad Bramstedter zwischen dem parteilosen Kandidaten Felix Carl, der von der CDU nominiert wurde, und dem unabhängigen Kandidaten Nils Böttger, dessen CDU-Mitgliedschaft zur Zeit ruht, entscheiden. Bis zum 22. Juli können sich weitere Bewerberinnen oder Bewerber melden.
Felix Carl zeigt sich überrascht, dass Verena Jeske auf eine weitere Kandidatur verzichtet. „Ich wünsche ihr und ihrer Familie alles Gute“, sagt der Geschäftsführer der Lebenshilfe. Für ihn persönlich ändere sich dadurch allerdings nichts. „Ich habe den Wahlkampf nie gegen eine Person betrieben, sondern es ging mir immer um die Sache und die Stadt Bad Bramstedt“, sagt Carl.
Kommunalpolitik zeigt sich überrascht von Jeskes Entscheidung
Auch die Kommunalpolitik ist trotz des zerrütteten Verhältnisses zur Bürgermeisterin verwundert über ihren Rückzug. „Damit haben wir wirklich nicht gerechnet, vor allem weil sie sich zuletzt sehr kämpferisch gezeigt hat“, sagt Volker Wrage. Der CDU-Fraktionsvorsitzende wählt versöhnliche Worte für die Noch-Bürgermeisterin: „Wir wünschen ihr alles Gute für die Zukunft und dass sie in ihrer neuen Position glücklich wird.“
Die FDP Bad Bramstedt findet Jeskes Entscheidung „menschlich nachvollziehbar“. „Es ist schade, dass es nicht gelungen ist, die Spannungen zwischen der Bürgermeisterin und Teilen der Politik aufzuarbeiten, wahrscheinlich waren dazu dann am Ende auch die Sichtweisen zu verschieden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. „Und nein: Es ist gibt keinen Grund, um zu jubeln, wenn es letztlich so endet, dass es einen Vertrauensverlust gab und die Verletzungen auf beiden Seiten spürbar sind.“
Gilbert Sieckmann-Joucken, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Bad Bramstedt, hat Jeskes Entscheidung nicht kommen sehen. „Ich habe nicht damit gerechnet“, sagt er. Betrachtet er allerdings die vergangenen Wochen, hätte man seiner Meinung nach doch etwas ahnen können. „Frau Jeske hat bei etwa 90 Prozent der Ausschusssitzungen gefehlt“, sagt Sieckmann-Joucken.
Der Grünen-Politiker begrüßt den Verzicht ihrer Kandidatur. „Ich sehe das sehr positiv. Es gab kein Gremium, das nicht zerstritten war. Sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rathaus als auch für die Entwicklung der Stadt ist die Entscheidung gut“, sagt er. Egal, wer nun Bürgermeister werde, Verena Jeske hinterlasse ihrem Nachfolger große Herausforderungen. „Die Stadt steht finanziell am Abgrund, die Schulden haben sich vervielfacht“, sagt Sieckmann-Joucken. Natürlich seien nicht alle Schulden schlecht, betont er, schließlich habe man auch Kitas geschaffen. „Aber es ist ein ganz schweres Pflaster für jemand Neues“, meint der Kommunalpolitiker.
Verena Jeske möchte sich nach neuen Aufgaben umschauen
Bürgermeisterin Jeske bewertet die Situation anders. Zwar steige der Schuldenstand bis 2027 von 22 (Stand 2018) auf 100 Millionen Euro an. Aber: „Ebenso steigt parallel das Anlagevermögen der Stadt. Das heißt: Wir investieren in unsere Zukunft und arbeiten den investiven Stau der letzten 20 Jahre ab.“
Jeske ist überzeugt davon, dass die Bürgerinnen und Bürger sie auch für weitere sechs Jahre gern als Bürgermeisterin ihrer Stadt gesehen hätten. Dennoch möchte sie sich nun nach neuen Aufgaben umschauen. „Ich möchte weiterhin Denkweisen aufbrechen und neue Blickwinkel etablieren. Neue Herausforderungen passen gut zu meiner Persönlichkeit und meinen Stärken.“