Bad Bramstedt. Bad Bramstedts Bürgermeisterin spricht von „Hetzjagd und Mobbing“ durch den Stadtrat. Zur Wahl im Herbst tritt sie trotzdem an.
Es läuft alles auf einen Showdown am 15. September in Bad Bramstedt hinaus, wenn dort die nächste Bürgermeisterwahl ist. Das Verhältnis zwischen Amtsinhaberin Verena Jeske (45, SPD) und der Kommunalpolitik mit seiner Ratsmehrheit von CDU, Grünen und FDP scheint unversöhnlich zerrüttet zu sein. Statt Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt nur Vorwürfe, Klagen, Disziplinarverfahren und Blockadepolitik.
Ihre Gegner setzen jetzt gezielt auf ihre Abwahl. Jeske gesteht im Abendblatt-Gespräch ein, dass das Verhältnis zur Politik zwar „schwierig“ sei. Aber sie betont zugleich kämpferisch: „Ich bin hier noch nicht fertig! Ich habe vor, bei der Bürgermeisterwahl wieder anzutreten.“ Nach einer zweiten Amtszeit und dann zwölf Jahren als Bürgermeisterin von Bad Bramstedt wäre aber für sie auch Schluss. „Dann braucht es neue Köpfe“, sagt Jeske.
Streit mit Politik: Gegner setzen auf ihre Abwahl
Ob es dazu kommt oder ob sich zum Jahreswechsel auch der Chefsessel im Rathaus dreht, werden die knapp 10.000 wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger in der Rolandstadt zu entscheiden haben. Mit dem Geschäftsführer der Lebenshilfe, Felix Carl (44, parteilos), der von der CDU und den Grünen unterstützt wird, sowie dem Kreistagsabgeordneten Nils Böttger (48), dessen CDU-Mitgliedschaft ruhen soll und der im Bad Bramstedter Ordnungsamt arbeitet, gibt es zwei Herausforderer.
„Wir setzen jetzt darauf, dass im September ein neuer Bürgermeister gewählt wird. Wir sehen keine Chance, das Verhältnis mit Frau Jeske zu heilen“, sagt Grünen-Fraktionschef Gilbert Sieckmann-Joucken. „Wir werden bis zum Ende mit ihr konstruktiv zusammenarbeiten, auch wenn es uns schwerfällt.“
Bad Bramstedt: Viele Konfliktthemen liegen brach
Danach sieht es im Moment nicht aus. Politische Konfliktfelder liegen praktisch überall ungelöst offen. Jetzt will die Ratsmehrheit sogar Bürgermeisterin Jeske verklagen, weil sie die Stelle für die Bauamtsleitung nicht erneut ausschreiben will. Die CDU hat ein Disziplinarverfahren gegen die Bürgermeisterin eingeleitet, weil sie Formfehler bei der Vergabe und dem Bau der neuen Kita Wirbelwind begangen haben soll. Warum genau es dabei geht, will Fraktionschef Volker Wrage auf Abendblatt-Nachfrage nicht erklären. Und auch FDP-Vorsitzende Kathrin Parlitz-Willhöft mag auf Nachfrage keinerlei Kritikpunkte gegen Jeske benennen.
Die Bürgermeisterin dagegen sieht sich einer zum Teil auch medial forcierten Hetzkampagne gegen ihre Person ausgesetzt. Dass sie vor der Einschaltung der Kommunalaufsicht wegen des Disziplinarverfahrens in der Kreisverwaltung nicht mal angehört worden sei, empfindet sie als „stillos“, sagt sie enttäuscht. „Das ist eine Hetzjagd und ein Angriff gegen mich. Das ist Mobbing und stellt auch meine Mitarbeiter bloß.“ Es soll von ihren Gegnern auch Strafanzeige wegen angeblicher Untreue gestellt worden sein. Jeske: „Von Anfang an hat man mir hier nur Knüppel zwischen die Beine geworfen.“
Kommunalaufsicht: Keine Versäumnisse oder Verfehlungen
SPD-Sprecher Jan-Uwe Schadendorf sagt dazu, ein erster Zwischenbericht habe keine gravierenden Versäumnisse oder Verfehlungen der Bürgermeisterin feststellen können. Er verweist auf den enormen Druck der Politik vor einem Jahr, unbedingt schnell eine neue Kita mit 90 Plätzen zu schaffen, die innerhalb weniger Monate auch gebaut und für 5,5 Millionen Euro realisiert werden konnte. „Das ihr jetzt vorzuwerfen, ist schäbig“, findet Schadendorf. „Da tun sich Abgründe auf“, sagt er über seine politischen Gegner, die nur das Haar in der Suppe suchten, um Verena Jeske anzugreifen. Wegen des Bürgermeisterwahlkampes soll „einer erfolgreichen Bürgermeisterin“ ans Zeug geflickt werden.
Denn ihre Bilanz nach gut fünf Jahren Amtszeit könnte sich durchaus sehen lassen, lobt Schadendorf. Das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) werde bis Ende 2025 realisiert sein, in das Bad Bramstedt fünf Millionen Euro investiert. Ein Dutzend Fachärzte sollen dort künftig praktizieren. Bürgermeisterin Jeske, die in Grimmen bei Greifswald aufgewachsen ist, würde es gern „die Poliklinik“ von Bad Bramstedt nennen.
SPD: „Jeskes Bilanz kann sich sehen lassen!“
Demnächst werde auch das neue Jugend-Café am Jugendzentrum mit Zugang zum Schlosspark eröffnet, dass sich der Jugendbeirat seit Jahren wünscht. Für Jeske eine Herzensangelegenheit. Und das Medizintechnik-Unternehmen Link aus Norderstedt werde wie versprochen nächstes Jahr seine neue Zentrale und Produktionsstätte für 500 Mitarbeitende in Bad Bramstedt anfangen zu bauen.
Auch auf die vielen blühenden Blumeninseln überall in der Stadt sei sie stolz, sagt Verena Jeske. „Ich wollte die Innenstadt zu einem Wohnzimmer machen. Es sollte mehr Leben draußen stattfinden. Das ist mir gelungen.“ Jedenfalls meldeten ihr viele Bürger zurück, dass ihnen das viele Grün in der Stadt gefällt, freut sich die Chefin von 150 Mitarbeitenden.
FDP: „Vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich!“
Nur mit der Politik klappt es nicht. Eineinhalb Jahre hatte die städtische Wirtschaftsförderin Sybille Weinmann-Klinkow kommissarisch die Bauamtsleitung übernommen. Die Betriebswirtin habe diese Aufgabe gut gemacht und sollte sie jetzt auch fest übernehmen, erklärt Jeske. Auch die politischen Vertreter im Auswahlgremium hätten zugestimmt. Doch plötzlich habe der Hauptausschuss sie wieder ausgebremst. Diese Stelle solle ein ausgewiesener Experte oder Bauingenieur bekleiden, fordert Sieckmann-Joucken. Das sei die Kandidatin der Bürgermeisterin nicht. Dabei sei der Vorgänger auch nur Verwaltungsmann gewesen, kontert Jeske.
Es sei „keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Bürgermeisterin Jeske möglich“, sagt FDP-Vizefraktionschefin Beate Albert. Sie und Jeske verbindet von Anfang an eine persönliche Abneigung, die beide nicht mehr öffentlich diskutieren möchten. Die Kommunikation hakt an vielen Stellen. Jeske hat den Fraktionen angeboten, mit deren Vorsitzenden in einer Art Ältestenrat, wie dies in zahlreichen Kommunen und auch im Segeberger Kreistag üblich ist, Dinge vorab zu besprechen und abzustimmen. Doch das wurde abgelehnt.
Weil dies kein „entscheidendes Gremium“ sei, begründet Sieckmann-Joucken. „Ein Gremium ohne Protokoll macht doch keinen Sinn.“ Darum sei dieses Gesprächsforum vor anderthalb Jahren wieder eingestellt worden. Und so beklagt er nun die vielen „Alleingänge“ der Bürgermeisterin. „Wir werden bei vielen Dingen nicht angehört und eingebunden.“
Kampfansage: Jeske warnt vor Scheitern des Auenland-Projektes
Bei dem Wohnprojekt Auenland zwischen Kurgelände, Innenstadt und Gewerbegebiet, das der Stadt 350 bis 700 neue Wohneinheiten sowie Kita, Schule und ein neues Hotel versprach, habe sie die Bevölkerung zu spät ins Boot geholt, bedauert Jeske. Eine Bürgerinitiative, deren Sprecher jetzt für die CDU in politischen Gremien säßen, habe mit unnötig geschürter Angstmacherei dieses „landesweite Leuchtturmprojekt“ zu Fall gebracht. Sie hätte sofort nach dem Kaufvertrag vor zwei Jahren die Bevölkerung informieren sollen, sagt Jeske. Doch das habe der Berliner Investor für unnötig gehalten, schließlich seien alle Fraktionen anfangs Feuer und Flamme gewesen und sogar mit nach Berlin gefahren.
Wenn nun der Kaufvertrag rückabgewickelt werden sollte, was ihre politischen Gegner forderten, würde die Stadt nicht nur die acht Millionen Euro Kaufsumme verlieren, sondern sich möglicherweise auch noch mit einem hohen sechsstelligen Betrag regresspflichtig machen, warnt Jeske.