Norderstedt. Renate Degenhardt-Lüdtke aus Norderstedt ist Rollator-Trainerin und kennt die wichtigsten Tipps rund um den Gebrauch der Gehilfe.
Unsicherheits- oder Schwindelgefühle, häufigere Stürze oder starke Schmerzen beim Gehen – all das können Anzeichen dafür sein, dass man möglicherweise einen Rollator braucht. Doch wobei muss man beim Kauf eines Gehwagens achten? Renate Degenhardt-Lüdtke aus Norderstedt hat eine Ausbildung zur Rollator-Trainerin gemacht und ein Buch mit dem Titel „Mobilität im Alter“ geschrieben. Das Abendblatt hat sie gefragt, worauf man beim Kauf eines Rollators achten muss und wie der sichere Umgang mit der Gehhilfe gelingt.
Rollator: Die wichtigsten Tipps zum Kauf
Sollte eine der obigen Beschwerden auftreten, empfehle sich zunächst ein Gang zum Arzt, sagt Degenhardt-Lüdtke. Denn ein Rollator müsse nicht zwingend die richtige Form der Unterstützung sein. Gehstöcke, Krücken oder Rollstühle könnten manchmal die geeignetere Lösung sein.
Fällt die Wahl auf den Rollator, müsse dieser zu den eigenen Bedürfnissen genau passen. „Dabei kann man auch gleich den Arzt um Beratung bitten“, sagt Degenhardt-Lüdtke. Sie weiß aber aus Erfahrung, dass nicht jeder Arzt gleich gut informiert ist, wenn es um das Thema Rollator geht. „Auf jeden Fall sollte man sich vom Arzt ein Rezept ausstellen lassen, um möglicherweise Ansprüche bei der Krankenkasse geltend zu machen.“ Selbst Sanitätshäuser seien leider nicht gut informiert, sagt Degenhardt-Lüdtke. Sie empfiehlt, verschiedene Häuser aufzusuchen und zu gucken, wie gut die Beratung ist.
Auch Ärzte und Sanitätshäuser sind nicht immer gut informiert
Vor dem Besuch im Sanitätshaus sollte sich aber jeder schon Gedanken machen, was ihm bei seinem Rollator wichtig ist. Zunächst stelle sich die Frage, wie lange man den Rollator brauche. „Wird der Rollator nur vorübergehend, nach einer Operation, benötigt, braucht man kein hochklassiges Modell, ein vernünftiges Kassenmodell reicht dann meist aus“, sagt die Rollator-Trainerin. Anders sei es, wenn man die Gehhilfe dauerhaft brauche. „Dann lohnt sich auch der Kauf eines teureren Modells.“
Des Weiteren spielten Größe und Gewicht des Nutzers eine entscheidende Rolle. Je nach Körpergröße und -gewicht müsse der richtige Rollator gekauft werden. „Dabei muss es möglich sein, die richtige Griffhöhe einzustellen“, sagt Renate Degenhardt-Lüdtke. Sonst könne es im Gebrauch zu Rücken- und Schulterschmerzen kommen. Dazu kann es auch kommen, wenn der Rollator nur aus Bequemlichkeit genutzt wird. „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“, erklärt Renate Degenhardt-Lüdtke.
Die richtige Einstellung der Griffhöhe ist entscheidend
Außerdem müsse der Rollator breit genug sein, sodass die Person gut hinter dem Rollator laufen und bequem auf ihm sitzen könne. Dabei sei ein leichtes Carbon-Modell nicht immer die richtige Wahl. Für kleine und leichte Personen rät Degenhardt-Lüdtke zwar zu einem einfach anhebbaren Modell. „Bei großen Personen kann ein leichtes Modell aber auch Unsicherheit führen. Müssen mit dem Rollator auch mal kleine Treppenstufen vor einem Wohnhaus überwunden werden, empfiehlt sich allerdings ein leichtes Modell.“
Wer den Rollator eher in den eigenen vier Wänden und in der Stadt nutze, brauche eine andere Bereifung und Federung als jemand, der regelmäßig über Kopfsteinpflaster oder durch den Wald gehen möchte. „Dann ist eine bessere Unterstützung für die Handgelenke ratsam“, sagt Degenhardt-Lüdtke.
Klein und leicht: Ein Carbon-Modell muss nicht immer die beste Variante sein
Austesten sollte man bei der Wahl des Rollators, ob der Sitz ausreichend breit ist. „So kann – wann immer es nötig ist – eine Pause gemacht werden.“ Auch die Frage, ob man einen Rückengurt zum Sitzen braucht, müsse vorher bedacht werden. „Für ein sicheres Sitzen ist es außerdem wichtig, dass die Füße auf dem Boden stehen können und nicht in der Luft baumeln“, sagt Degenhardt-Lüdtke.
Dafür sind auch funktionierende Bremsen von Bedeutung. Diese müssten leichtgängig sein, sodass sie von den Senioren einfach benutzt werden können. Eine Feststellbremse sei entscheidend. „Beim Sitzen, Aufstehen, Hinsetzen und Einsteigen in den Bus wird die gut funktionierende Feststellbremse immer gebraucht. Für die gute Sichtbarkeit sind auch Reflektoren am Rollator wichtig.“
Grundregel: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“
Müsse der Rollator immer mal wieder im Auto oder im Bus mitgenommen werden, empfehle sich ein Gehwagen, der sich längs falten lasse. Günstige Kassenmodelle möchte Degenhardt-Lüdtke dabei „nicht verteufeln“. Die Modelle erfüllten ihren Zweck. Zumal viele Senioren sich die teuren Modelle auch nicht leisten könnten. Kassenmodelle ließen sind aber oft nicht längs falten.
Von Modellen aus dem Discounter würde Degenhardt-Lüdtke hingegen eher die Finger lassen, da diese oft nicht geprüft seien. Sollte man doch auf einen solchen Rollator zurückgreifen, sollte man auf jeden Fall auf Prüfsiegel achten, etwa vom TÜV. „Teilweise lassen sich auch über Sanitätshäuser gebraucht Modelle kaufen, die dann günstiger sind.“ Der Vorteil gegenüber gebrauchten Modellen, die man auf Handelsplattformen wie Ebay angeboten bekommt, sei, dass die Modelle im Sanitätshaus überarbeitet und überprüft worden sind. Deshalb würde die Rollatoren-Trainerin sie vorziehen.
Von Rollatoren aus dem Discounter würde die Expertin die Finger lassen
Zum Thema „Mobilität im Alter“ kam Renate Degenhardt-Lüdtke, als sie in einem Servicewohnen für Senioren arbeitete. Viele Senioren fühlten sich beim Umgang mit dem Rollator unsicher. Und so landete der Rollator oft einfach in der Ecke. Also nahm sich die ausgebildete Senioren-Trainerin der Sache an und erarbeitete sich zusammen mit den Senioren ihr Wissen rund um den Rollator. Dabei war es ihr wichtig, die Lösungen mit den Senioren gemeinsam zu erarbeiten.
Mit der Zeit hätten die Senioren ihre Rollatoren richtig lieben gelernt, sagt Degenhardt-Lüdtke. Nachdem der sichere Umgang im Alltag geklappt hatte, sollte auch der Spaß nicht zu kurz kommen und so wurden Rollatoren-Tänze einstudiert. Die Rollatoren wurden verziert und bekamen sogar Namen. Eine der Bewohnerinnen merkte am Ende an: „Der Rollator ist viel treuer als mein Mann.“ Hinter alldem Engagement steht immer das Ziel, dass Seniorinnen und Senioren möglichst lange selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben können.
Lohnt sich eine Rollator-Schulung? „Auf jeden Fall“
Renate Degenhardt-Lüdtke empfiehlt nach dem Kauf des Rollators „auf jeden Fall“ eine Schulung. Leider ist das Angebot aber noch sehr begrenzt. Mit Glück bietet das Sanitätshaus eine kurze Einführung direkt vor Ort an. Ansonsten bietet das DRK in Norderstedt eine Schulung an, aber auch einige Seniorenassistenten sind mit dem Thema vertraut und können helfen.
Ansonsten verweist Degenhardt-Lüdtke auf Videos im Internet. Viele der Hersteller produzieren Videos, in denen der sichere Umgang mit der Gehhilfe erklärt wird. Die Rollator-Trainerin appelliert hierbei auch an die Angehörigen, sich die Videos mit den Familienmitgliedern anzugucken. Anschließend sollte dann der sichere Umgang mit dem Rollator trainiert werden. Neben den Grundlagen wie Aufstehen, Hinsetzen und Gehen müssen vor allem das Überwinden von Bordsteinen und das Einsteigen in den Bus immer wieder geübt werden.
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Insbesondere die Fahrt mit dem Bus steckt dabei voller Hindernisse, denn um gut in den Bus einsteigen zu können, muss der Bus nahe genug am Bordstein parken. Wird die Lücke zwischen Bus und Gehweg zu groß, ist das Einsteigen für Senioren mit Rollator nahezu unmöglich. Renate Degenhardt-Lüdtke berichtet aber auch davon, dass man den Busfahrer freundlich darum bitten könne, die Rampe an der Hintertür auszuklappen und so in den Bus zu kommen. Ansonsten höre Renate Degenhardt-Lüdtke immer wieder, dass freundliches Fragen der Schlüssel zum Erfolg ist. Ansonsten gilt der Grundsatz: Übung macht den Meister.
Das Buch „Mobilität im Alter: Tipps und Tricks rund um den Rollator“ von Renate Degenhardt-Lüdtke kostet als Spiralbindung 15,99 €. Als E-Book ist es schon für 7,49 € erhältlich.