Norderstedt. Immer sonntags finden in Norderstedt Gottesdienste einer brasilianischen Kirchengemeinde statt. Was diese Treffen so besonders macht.

Es sind ungewohnte Klänge, die da jeden Sonntag um 17 Uhr durch die Räume der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde der Kreuzkirche an der Wiesenstraße in Garstedt schallen. Dann nämlich hat die Band „Das Licht für die Welt“ der gleichnamigen brasilianischen Gemeinde „a luz para o mundo“ in Norderstedt im Rahmen der Gottesdienste ihren Auftritt.

Die Musikgruppe hat sich aus der Gemeinde heraus entwickelt. Ostern 2022 ist „Das Licht für die Welt“, eine freie evangelische Gemeinde, von Hamburg-Blankenese nach Norderstedt umgezogen.

Glaubensgemeinschaft wurde vor fünf Jahren in Hamburg gegründet

Seit fünf Jahren gibt es diese Glaubensgemeinschaft: „Wir waren in Hamburg eine Gruppe von Menschen, die Jesus kennenlernen wollten. Alles Brasilianer oder brasilianische Frauen mit deutschen Ehemännern“, berichtet Pastor Julio Cesar Miranda (49). „Wir haben in Blankenese in einem Raum der Bugenhagenschule unsere Gottesdienste abgehalten. Da wir aber so viele Familien aus Norderstedt sind und der Platz dort zu klein wurde, haben wir uns nach einer anderen Bleibe umgeschaut“, berichtet Edina Kollar aus der Gemeindeleitung.

Norderstedt
Die brasilianische Gemeinde „Das Licht für die Welt“ feiert ihre Gottesdienste in der Norderstedter Kreuzkirche. Ganz rechts: Pastor Julio Cesar Miranda. © Michael Eggert | Michael Eggert

Sie übersetzt auch während der Gottesdienste, die auf Portugiesisch gehalten werden, simultan ins Deutsche. „Eine der Brasilianerinnen, die in Norderstedt lebt, hat dann hier in den Freikirchen herumgefragt. So sind wir zusammengekommen. Sie mieten bei uns einen Raum und sind im Grunde genommen völlig eigenständig. Man muss hin und wieder ein wenig Rücksicht aufeinander nehmen, aber es funktioniert“, erklärt Pastor Veit Praetorius, der an diesem Tag mit seiner Baptistengemeinde das große Wiesenstraßenfest feierte.

Rund 20 brasilianische Familien aus Hamburg und dem Norden besuchen die Gottesdienste

Zum ersten Mal geschah dies gemeinsam mit den Brasilianern und einem 20-minütigen Konzert der Gemeindeband. Rund 20 brasilianische Familien aus Hamburg, Norderstedt, Kiel, Neumünster, Schleswig und Stade besuchen in der Regel jeden Sonntag die Gottesdienste in der Kreuzkirche. Weder in Hamburg noch in Schleswig-Holstein gebe es sonst so eine brasilianische Kirchengemeinde, erklärt Pastor Julio Cesar Miranda, der vor zehn Jahren aus Brasilien nach Deutschland kam.

Norderstedt
Die Kirchenband „Das Licht für die Welt“ heißt genauso wie die Gemeinde. © Michael Eggert | Michael Eggert

Damals wurde er von einer Münchener Gemeinde eingeladen, um bei ihnen zu arbeiten. Dies gefiel Miranda so gut, dass er kurz darauf weitere kleine brasilianische Gemeinden in Nürnberg, Augsburg und Hamburg gründete. „Zuerst treffen wir uns meist mit den Leuten in deren Wohnzimmer zu Hause und halten einen Gottesdienst ab. Wenn wir dann einen gemeinsamen Raum gefunden haben, wird kurz darauf eine Gemeinde gegründet“, erklärt Edina Kollar die Vorgehensweise.

Zé Roberto hat bei der Gründung der Glaubensgemeinschaft geholfen

Geholfen hat bei der Gemeindegründung in München und Hamburg kein Geringerer als der ehemalige Fußball-Profi und brasilianische Nationalspieler (84 Länderspiele) Zé Roberto (49), der in der Bundesliga für den FC Bayern München, Bayer 04 Leverkusen und den Hamburger SV (2009 bis 2011) 339 Partien absolviert hat.

„Wir kennen uns schon sehr lange. Als ich noch Pastor in Brasilien war, da stand Zé Roberto plötzlich bei einem Gottesdienst von mir in Sao Paulo in der Kirche und wollte mich gerne kennenlernen. Nach seinem Wechsel von Bayer Leverkusen zum FC Bayern hat er mich auch ein paar Mal nach München eingeladen. Da ist eine sehr gute Freundschaft entstanden. Ich habe dann auch schon mal Gottesdienste für ihn und seine Familie und Kollegen gemacht. In Hamburg hat er mich dabei unterstützt, die Gemeinde aufzubauen“, so Pastor Miranda. Zuletzt sei der Kontakt zu Zé Roberto aber nicht mehr so intensiv gewesen.

Norderstedt: Douglas Santos verfolgt die Treffen per Livestream

Neben Zé Roberto ist noch ein weiterer ehemaliger HSV-Profi Fan von „Das Licht für die Welt“ geworden. Linksverteidiger Douglas Santos (30), der von 2016 bis 2019 für die Rothosen kickte und inzwischen bei Zenit St. Petersburg unter Vertrag steht, verfolgt noch immer die Gottesdienste der Gemeinde per Livestream. „Douglas Santos hat mich damals in Hamburg übers Internet gefunden und ist dann mit seiner Familie in die Gottesdienste gekommen. Wir sind echte Freunde geworden. Vielleicht kommt er uns nächstes Jahr mit seiner Familie hier in Norderstedt einmal besuchen“, verrät Julio Cesar Miranda.

Norderstedt
Auch zu Ex-HSV-Profi Douglas Santos (links) pflegt Pastor Julio Cesar Miranda noch heute guten Kontakt. © HA | HA

Zurück zur Kreuzkirche an der Wiesenstraße. Die sei der brasilianischen Kirche sehr ähnlich, beteuert der Pastor aus Sao Paulo: „Auch wir haben einen Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist. Die Bibel ist die Basis für unser Leben und die Grundlage unseres Glaubens.“ Sein Pendant auf Norderstedter Seite, Veit Praetorius, gibt zu: „Von der Herkunft her sind sie eine Pfingstkirche. Da geht es in den Gottesdiensten schon ein wenig lebendiger zu als in einer klassischen deutschen Gemeinde.“

„Es sind einfach andere Gottesdienste als in Deutschland“

„Wir sind gehetzt, aber nicht verlassen. Wir sind niedergeschlagen, aber nicht vernichtet. Wir stehen aufrecht“ – Die Song-Texte sind zwar sehr kirchlich, aber wenn die Band sie spielt, dann könnte man auch meinen, man sei auf einem Pop-Konzert. Die Texte werden auf einer Leinwand ins Deutsche übersetzt. Im Publikum wird getanzt, gesungen, gehüpft und gelacht.

Norderstedt
Pastor Julio Cesar Miranda tanzt zu den Klängen des Kirchenchores. © Michael Eggert | Michael Eggert

Für viele der Gemeindemitglieder ist „Das Licht für die Welt“ zu einem festen Platz in ihrem gesellschaftlichen Leben geworden. So auch für die Brasilianerin Vanessa Orpinelli-Schulze (35), die seit 2013 mit ihrem deutschen Mann in Ellerau lebt: „Das ist für den Zusammenhalt ganz wichtig. Wir gehen hier alle sehr offen miteinander um und haben eine enge Bindung. Es sind einfach andere Gottesdienste als in Deutschland.“

„Das ist wie eine Familie für mich, mit der das Beten sehr viel Spaß macht“

Der Norderstedter Andreas Vagedes (63) hat selbst 20 Jahre in Brasilien gelebt und dort auch seine jetzige Frau Maria (38) kennengelernt. Gemeinsam besuchen sie regelmäßig die brasilianischen Gottesdienste in der Kreuzkirche: „Es ist ein anderer Stil von Kirche. Offener, lauter. Brasilien ist laut. Die Musik gehört zu den Menschen dazu. Wir waren vorher in Deutschland in einer katholischen Gemeinde. Aber da konnte meine Frau die Predigten nicht so gut verstehen. Die Sprache der Kirche und auch der Politik ist halt eine andere. Deswegen sind wir jetzt hierhergekommen.“

Auch Tochter Julia (13) versucht so oft wie möglich, sonntags ab 17 Uhr in der Kirche zu sein: „Ich liebe es sehr, dass wir hier alle zusammenkommen und die Kirchenlieder singen. Das ist wie eine Familie für mich, mit der das Beten sehr viel Spaß macht.“

Norderstedt: Jeder ist willkommen, nicht nur Brasilianer

An jedem ersten Sonntag im Monat werden nach dem Gottesdienst immer die Geburtstagskinder aus dem Vormonat groß gefeiert. Zu Weihnachten und Ostern führen die Kinder und Jugendlichen Musicals und Theaterstücke auf. Kommen kann zu den Gottesdiensten jeder. Man muss nicht in Brasilien geboren sein: „Jeder, der Jesus kennenlernen möchte, ist willkommen“, erzählt Edina Kollar.

Mehr aus Norderstedt

Fußballbegeistert sind sie in der Gemeinde „Das Licht für die Welt“ nicht nur dank Zé Roberto und Douglas Santos. Natürlich wird in diesen Tagen auch die EM verfolgt. „Deutschland wird Europameister“, ist sich Pastor Julio Cesar Miranda sicher. Mit der eigenen Nationalmannschaft ist er alles andere als zufrieden. Noch immer spüre man im Land die Nachwehen des 1:7 bei der WM 2014 gegen Deutschland: „In Brasilien ist das 7:1 – „sete a um“ – zu einem Schimpfwort geworden, wenn jemandem etwas misslingt. Ebenso wie „Gol da alemanha“ – „Tor für Deutschland“, lächelt Julio Cesar Miranda.

Gott sei Dank wird er darauf an diesem Tag beim Wiesenstraßenfest aber nicht mehr angesprochen. Vielmehr freut er sich über den gelungenen Auftritt der Band. In dieser ist seine Tochter Emily übrigens eine der Sängerin, die an diesem Nachmittag noch mehr Licht in die eh schon sonnendurchfluteten Räume der Kreuzkirche bringt.